«Schlangen werden oft im Stoffsack gebracht»
Die Arbeit eines Exotentierarztes
Auch Papageien, Schildkröten und Reptilien können krank werden. Um sie kümmert sich der Exotentierarzt. Dr. med. vet. Peter Sandmeier betreibt seine Praxis im aargauischen Baden-Dättwil und ist auf Vögel spezialisiert.
Wollten Sie immer Exotentierarzt werden, Herr Dr. Sandmeier?
Schon während dem Studium entstand dieser Wunsch. Ich interessiere mich besonders für exotische Tiere. Da stehen nicht nur medizinische Fragen im Vordergrund, sondern auch Themen wie Haltung und Fütterung.
Ist ein Exotentierarzt mit einem Zootierarzt gleichzusetzen?
Beide absolvieren das veterinärmedizinische Studium und die Spezialausbildung für Exoten. Einen Job als Zootierarzt in einem wissenschaftlich geführten Zoo erhält man heute nur mit Spezialausbildung. Die tägliche Arbeit eines Exoten- und eines Zootierarztes unterscheiden sich aber sehr.
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Inwiefern?
Ein Zootierarzt kümmert sich beispielsweise auch um die Bestandeskontrolle, ein Exotentierarzt ist mit dem Individuum und dem Besitzer konfrontiert.
Hat es so viele exotische Tiere, dass sich ein Tierarzt in der Schweiz darauf spezialisieren kann?
Ich führe eine Kleintier- und Exotenpraxis, behandle mit meinen Mitarbeiterinnen also auch Hunde und Katzen. Es gibt zwischenzeitlich auch Spezialpraxen nur für Exoten. Die oft gehaltenen Kleinnager und Kaninchen liegen auch im Bereich des Exotentierarztes.
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Welche Apparate und Ausrüstungen braucht es in einer Praxis für Exoten?
Grundsätzlich deckt sich die Ausrüstung mit derjenigen einer gut ausgerüsteten Kleintierpraxis. Es braucht Geräte für Röntgen, Endoskopie, Ultraschall und ein Labor für Kot- und Blutuntersuchungen.
Kommen die Kunden mit ihren Tieren von weit her?
Manche kommen aus der ganzen Schweiz, teilweise auch aus Süddeutschland. Die meisten meiner Kunden stammen aber aus der Nordwest- und Zentralschweiz.
Welche exotischen Tiere behandeln Sie?
Ich behandle Reptilien, Amphibien, Vögel, Kleinnager, Kaninchen, aber keine Giftschlangen.
Was war bisher der ungewöhnlichste oder spektakulärste Fall?
Der Kaiserschnitt bei einem Totenkopfäffchen war ungewöhnlich. Das Jungtier konnte dank des Eingriffs gut auf die Welt gebracht werden. Bei einem Geparden entfernte ich einen Fremdkörper aus dem Magen.
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Sie machen also auch Hausbesuche. Der Gepard wurde vermutlich kaum zu Ihnen gebracht?
Das ist so, doch der Gepard war so schlecht dran, dass ich ihn gleich in die Praxis mitnahm. Er hat sich dann wieder gut erholt. Grundsätzlich werden die Tiere aber zu mir in die Praxis gebracht. Es kommt vor, dass ich im Auftrag eines Veterinäramtes Gutachten in Tierbeständen vornehmen muss.
Bleiben Tierpatienten über die Nacht bei Ihnen?
Wenn der Gesundheitszustand des Tieres so schlecht ist, dass es nicht mehr selber Futter aufnimmt oder wenn es sich nach einem chirurgischen Eingriff erholen muss, bleibt es bei uns. Wir haben entsprechende Haltungseinrichtungen.
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Halten Sie selbst auch exotische Tiere?
Ich hielt und züchtete viele Jahre Papageien und Prachtfinken. Heute halte ich verschiedenste Arten von Landschildkröten.
Ist es ein Muss, dass ein Exotentierarzt selbst Halter und Züchter exotischer Tiere ist?
Auf dem Papier wird das nicht vorgeschrieben, aber es ist von Vorteil, denn man sollte schon mehr wissen als das, was im tiermedizinischen Textbuch steht. Die Tierhaltung ermöglicht, sich Wissen zur Haltung und Fütterung anzueignen.
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Was ist die häufigste Problemstellung bei Reptilien?
Bei Reptilien sind es Probleme mit der Eierproduktion und -ablage und Magen-Darm-Parasiten. Während den letzten vier Jahren ist die Kastration von männlichen Schildkröten ein sehr grosses Thema geworden.
Und bei Vögeln?
Zwischenzeitlich gehören Hühner zur häufigsten Vogelart, die ich behandle. Gerade Legehybriden leiden oft ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr an Eileiterproblemen. Bei Rassehühnern kümmere ich mich regelmässig um innere und äussere Parasiten. Allgemein sind Verletzungen von Fuchsangriffen und Fussballenabszesse bei Hühnern dominierend. Andere häufige Vogelpatienten sind Wellen- und Nymphensittiche, Graupapageien, Blaustirnamazonen und auch Kanarienvögel.
Werden die exotischen Tiere korrekt gehalten?
Ich bin seit 30 Jahren berufstätig. Die Haltungsbedingungen wurden immer besser. Die Leute informieren sich heute besser. Das führt zu weniger Problemen.
Wie lernten Sie, eine Schlange zu halten? Da muss der Griff ja beim ersten Mal sitzen.
Man lernt dies kaum während der Ausbildung. Vielleicht kommt das Thema mal in einer Vorlesung vor. Es ist aber einfacher, eine Schlange zu fixieren als eine Katze. Einmal geschah es, dass eine Schlange den Besitzer gleich ins Gesicht biss, als er den Sack öffnete. Schlangen werden oft in einem Stoffsack gebracht. Man fixiert das Tier hinter dem Kopf, eine Hilfsperson hält den hinteren Teil des Reptils. Ich behandle meist Kornnattern, Python- und Boa-Arten. Es ist auch anspruchsvoller, Papageien aus einer Box zu nehmen, als eine Schlange. Mit einem Frotteetuch und Übung gelingt aber auch das gut.
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Was beschäftigt Sie in Ihrem Berufsalltag besonders?
Die Menge an Griechischen Landschildkröten, die gezüchtet werden und für die kein Platz gefunden werden kann, ist problematisch. Wegen der Klimaerwärmung schlüpfen immer mehr in Freigehegen. Halter sollten darauf achtgeben, dass dies nicht passiert, und nicht gezielt züchten. Die Auffangstationen sind voll.
Wie wird man Exotentierarzt?
- Zum Studium der Veterinärmedizin ist die Matura erforderlich, der Numerus Clausus muss bestanden werden. Freude an Tieren und am Kontakt mit Menschen, Einfühlungsvermögen und technische Fähigkeiten sind Voraussetzung.
- Das Studium der Veterinärmedizin (5 Jahre).
- Spezialausbildung am European College of Zoological Medicine (ECZM), strukturierte Spezialausbildung von mindestens drei Jahren mit Prüfung und anerkanntem Titel. Innerhalb dieser Ausbildung gibt es fünf Fachrichtungen: Kleinsäuger, Zootiere, Wildtiere, Vögel, Reptilien. Die Ausbildung wird von zertifizierten Ausbildungsplätzen angeboten, meistens an universitären Tierspitälern in verschiedenen Ländern Europas.
- Arbeitsorte: Eigene Praxis, Exotenabteilung an einem Tierspital, Zoo/Tierpark, Pathologie an einer Universität.
kleintierpraxis.ch
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