Kein eidgenössisches Hundegesetz
Das Wirrwarr um die kantonalen Hundegesetze
Was passiert bei einem Hundebiss? Welche Konsequenzen für Frauchen, Herrchen und den beissenden Vierbeiner selbst entstehen, ist in der Schweiz Sache der Kantone. Warum kein eidgenössisches Hundegesetz existiert und was Hundebesitzende beachten sollten.
Dezember 2005: Ein sechsjähriger Junge wird in Oberglatt (ZH) auf dem Weg in den Kindergarten von drei unbeaufsichtigten Pitbulls angegriffen und zu Tode gebissen. Der Fall bewegte die ganze Schweiz. Der «Blick» lancierte einige Tage nach dem tragischen Fall eine Petition, die ein sofortiges Verbot von Pitbulls in der Schweiz verlangte. Doch dazu ist es nie gekommen. Der Vorstoss bewirkte nur einen Artikel in der Tierschutzverordnung: eine national obligatorische Ausbildung mit Sachkundenachweis (SKN). Doch im Sommer 2016 kippte das Parlament dieses Obligatorium wieder. Die Begründung: Die Zahl der Vorfälle wie Beissattacken mit Hunden habe seit Inkrafttreten nicht signifikant abgenommen. Daher geben seit Anfang 2017 die Kantone in ihren jeweiligen Hundegesetzen vor, ob Hundehalterinnen einen Kurs absolvieren müssen. Und doch wird die Anzahl der Hundeattacken auf Menschen wieder grösser: Laut einer SRF-Umfrage im Jahr 2020 ist die Zahl der Angriffe gegenüber 2016 schweizweit um 18 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum nahm der Bestand an Hunden jedoch nur um 4 Prozent zu.
Im Juli 2024 lebten gemäss der Tierstatistik Identitas über 553 000 registrierte Hunde in der Schweiz. Doch für deren Herrchen und Frauchen gelten je nach Wohnort ganz unterschiedliche Anforderungen, was die Haltung ihrer Vierbeiner betrifft. Jeder Kanton hat seine eigenen Vorschriften, die den Schutz des Menschen vor Hunden regeln.
26 kantonale Einzellösungen
Das heisst: Hundehaltende, die sich in der Schweizbewegen, müssten die Rechtslage in den jeweiligen Zielkantonen kennen. Denn: «Zum Hunderecht gehören beispielsweise Vorschriften zur Leinenpflicht oder zur Haltung von verhaltensauffälligen Hunden. Da die Wahrung von sicherheitspolizeilichen Interessen, im Gegensatz zum Tierschutz, keine Bundeskompetenz darstellt, sondern in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt, gibt es kein schweizweit einheitliches Hundegesetz», erklärt Sibel Konyo, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung für das Tier im Recht (TIR). Aus Rechtssicherheitsgründen sei dies leider nicht optimal. Bestrebungen, dies zu ändern, habe es in der Vergangenheit bereits gegeben. «Der Nationalrat hat sich letztlich aber gegen einen Entwurf für ein eidgenössisches Hundegesetz ausgesprochen.»
Immense Unterschiede
Die kantonalen Hundegesetze unterscheiden sich teilweise stark voneinander. Ein Beispiel: «Im Kanton Aargau sind unter anderem der American Staffordshire Terrier, der Bull Terrier, der Pit Bull Terrier, der American Pit Bull Terrier und der Rottweiler sowie Hunde aus Kreuzungen dieser Rassen und Hunde, deren äusseres Erscheinungsbild vermuten lässt, dass sie von einem Rassentyp mit erhöhtem Gefährdungspotenzial abstammen, bewilligungspflichtig. Per se verboten ist keine Hunderasse», sagt Sibel Konyo. Im Kanton Zürich sähe es aber ganz anders aus: «Hier sind der American Pitbull Terrier, der American Staffordshire Terrier, der Bull-terrier, der Staffordshire Bullterrier, der American Bull Terrier, der Pitbull Terrier, der Bandog und der Basicdog verboten. Ebenfalls verboten sind im Kanton Zürich Mischlinge mit mehr als zehn Prozent Blutanteil der verbotenen Rassen.» Das Hunderecht des Kantons Bern wiederum sieht keine Rassenliste vor, weshalb kein Hund per se verboten oder bewilligungspflichtig ist. Ebenfalls von einzelnen Kantonen vorgeschrieben werden zusätzliche Haltungsvorschriften wie eine Einzelführungspflicht oder auch eine Maulkorb- oder Leinenpflicht für sogenannte potenziell gefährliche Hunde.
Hundebisse sind meldepflichtig
Für Hundebesitzerinnen ist es also nicht gerade einfach, den Durchblick über die kantonalen Unterschiede in den Hundegesetzen zu erhalten. Klar im nationalen Obligationenrecht festgehalten ist jedoch, dass Hundehalter für Sach- oder Personenschäden, die ihre Tiere verursachen, verantwortlich sind – sofern sie nicht nachzuweisen vermögen, das Tier ausreichend überwacht zu haben oder dass der Schaden auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre. Die TIR empfiehlt deshalb dringend, eine Privathaftpflichtversicherung abzuschliessen. Ist diese nicht vorhanden, müssen Hundehalterinnen den Schaden selbst decken. «In den meisten Kantonen ist das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung bis zu einem bestimmten Betrag für jede Hundehaltung vorgeschrieben. Verstösst man gegen die entsprechende Vorschrift, so kann dies eine Busse zur Folge haben», erklärt TIR-Juristin SibelKonyo. Bei einem Hundebiss gilt in jedem Kanton: «Tierärzte, Ärzte, Tierheimverantwortliche, Hundeaus-bildende und Zollorgane sind gemäss Tierschutzverordnung verpflichtet, jeden Vorfall, bei dem ein Hund einen Menschen oder ein anderes Tier erheblich verletzt hat, dem kantonalen Veterinärdienst zu melden.» Dieser entscheidet über das weitere Vorgehen.
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