Nach Attacken gegen Kinder
Rottweiler-Verbot im Kanton Zürich: Schweizer Hundeszene kritisiert fehlende wissenschaftliche Grundlage
Im Kanton Zürich gilt seit anfangs Januar ein Rottweiler-Verbot. Der Regierungsrat sieht darin eine präventive Massnahme. Anderer Meinung sind diverse Hunde-Organisationen: Sie argumentieren, dass ein Verbot nicht zielführend und das Vorgehen des Kantons unwissenschaftlich sei.
Oktober 2024: Ein Rottweiler stürmt aus einer Wohnung in Adlikon bei Regensdorf, greift mehrere Personen an und verletzt zwei Kinder schwer. Der Hund wird eingeschläfert. Nur zwei Monate später sorgt die gleiche Hunderasse in Winterthur wieder für Schlagzeilen: Am 7. Dezember landet ein fünfjähriges Kind wegen einer Rottweiler-Attacke in Winterthur-Reutlingen mit schweren Kopfverletzungen im Spital und muss operiert werden. Einige Tage nach diesem zweiten tragischen Vorfall reagiert die Politik: Kurz vor Weihnachten beschliesst der Zürcher Regierungsrat das Rottweiler-Verbot.
Seit dem 1. Januar 2025 ist die Neuanschaffung von Rottweilern im Kanton Zürich nicht mehr erlaubt. Derzeit sind rund 350 Rottweiler im Kanton Zürich registriert. Leute, die bereits einen Rottweiler halten, können ihren Vierbeiner zwar noch frei bewegen, müssen aber bis am 30. Juni eine Haltebewilligung beim Veterinäramt beantragen. Dabei ist nicht nur ein Gesuch einzureichen, sondern auch diverse Dokumente wie beispielsweise ein Strafregisterauszug oder eine Wohnsitzbestätigung. Auch der Nachweis kynologischer Kenntnisse der Besitzerinnen und Besitzer wird durch einen Fragebogen überprüft.
Das Prozedere kommt nicht nur für reinrassige Rottweiler zum Zug: Auch für Mischlinge mit 10 Prozent Rottweiler-Blutanteil ist eine Bewilligungspflicht obligatorisch. Dazu gehört eine Wesensbeurteilung, bei welcher Fachpersonen das Gefährdungspotenzial des Hundes bewerten. Fällt der Vierbeiner dabei auf, können Massnahmen wie Leinen- oder Maulkorbpflicht angeordnet werden; bei übermässigem Gefährdungspotenzial wird das Gesuch um eine Haltebewilligung abgelehnt.
«Das Rottweiler-Verbot dient als präventive Massnahme nach schweren Vorfällen, insbesondere mit Kindern», so Regierungsrätin Natalie Rickli (SVP). Die Überprüfung der aktuellen Rottweiler-Haltenden werde zusätzliche Sicherheit geben. «Hundehaltende tragen eine grosse Verantwortung und die meisten nehmen diese gut wahr.»
Politische Diskussionen auch im Kanton Bern
Das Zürcher Rottweiler-Verbot sorgte für einen Aufschrei in der Schweizer Hundeszene. Walter Horn, Zentralpräsident des Schweizerischen Rottweilerhunde-Clubs SRC, erzählt, dass ihn diese Nachricht völlig auf dem linken Fuss erwischt habe. «Am Morgen des 19. Dezember habe ich ein E-Mail des Kantonstierarztes erhalten, der mir davon erzählt hat. Kurz darauf läutete mein Telefon unaufhörlich. Mitglieder, TV-Sender, die Presse – alle wollten eine Stellungnahme.»
Diese veröffentlichte der SRC am Folgetag. Mit einer klaren Position: «Ein pauschales Verbot des Rottweilers ist nicht das Mittel zur Wahl, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten», schreibt der SRC. «Eine staatliche Verpflichtung zu einer angemessenen Zuchtwahl, zu geeigneten Haltungsbedingungen und zur Teilnahme an Schulungen und Prüfungen ist dazu geeignet, für sichere gesellschaftliche Verhältnisse zu sorgen und schränkt die Verhaltensfreiheit der Bürger weniger ein.»
Dass es eine Lösung braucht, ist für Horn klar. «Wir bedauern die beiden Vorfälle in Adlikon und Winterthur sehr. Das darf nicht passieren.» Das Verbot sei jedoch unvernünftig und nicht zielführend. Der SRC hat daher, unter Berücksichtigung einer auf zehn Tage verkürzten Frist, Beschwerde eingereicht, die von verschiedenen Vereinigungen unterstützt wird. Dazu gehören unter anderem die Schweizerische Kynologische Gesellschaft (SKG), die Schweizerische Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (STVT) oder auch der Schweizerische Schäferhund-Club (SC).
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Man ist sich einig: Jeder Beissvorfall ist einer zu viel; ein Verbot jedoch nicht der richtige Weg – der wissenschaftliche Ansatz fehle. In ihrer Stellungnahme verweist die STVT auf die Tatsache, dass seit 2008 keine neueren Statistiken öffentlich zugänglich sind, die einen Zusammenhang zwischen den Hunderassen, den Bissen oder ihrem Schweregrad herstellen. Verstärkt aggressives Verhalten könne zwar zu einem kleinen Teil vererbt sein, würde aber mehrheitlich durch äussere Faktoren wie den Aufzuchtbedingungen, den ersten Erfahrungen mit Menschen oder der Beschäftigung mit dem Tier beeinflusst.
«Wir sind es unseren Mitgliedern und vor allem der Hundewelt schuldig, gegen etwas vorzugehen, das dermassen unwissenschaftlich ist», betont Horn. Wann der Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts eintrifft, sei aktuell noch unklar. Und wenn die Beschwerde abgewiesen wird? «Dann würde ich nicht ausschliessen, dass wir sie weiterziehen vors Bundesgericht.»
Politische Diskussionen rund um Rottweiler dürften auch dem Kanton Bern bevorstehen. In Sumiswald wurde am 24. Januar 2025 ein Kleinkind von einem Rottweiler gebissen. Die Rega transportierte das Kleinkind schwer verletzt in ein Spital, der Hund wurde vom Amt für Veterinärwesen beschlagnahmt und eingeschläfert.
Auf den Vorfall reagierten die Grünen Kanton Bern mit einer Motion. Darin fordern sie eine Verschärfung des Hundegesetzes, «damit der Kanton nicht zu einem Eldorado von Hunden mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial wird.»
Walter Horn sagt dazu: «Sollte der Kanton Bern ebenfalls Massnahmen einführen, hoffe ich, dass deren Effektivität bewertet und sichergestellt wird, dass sie auch den gewünschten Nutzen bringen. Die Wissenschaft zeigt den Weg, der Kanton Zürich ist kein gutes Beispiel.»
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