Die differenzierte Kommunikation ist eine der zahlreichen Fähigkeiten des Huhns. «Sie beginnt schon mit dem Austausch zwischen der Henne und dem Küken im Ei kurz vor dem Schlupf.», Madeleine Herrli weiss, wovon sie spricht. Auf der einen Seite selbst Hühnerhalterin, auf der anderen Seite Tiermedizinerin und Fachlehrerin bei der Stiftung Aviforum in Zollikofen (BE) verweist sie darauf, dass die Kommunikation über Laute nebst Mimik, Gestik und Verhalten in der Gruppe auch bei Hühnern relevant ist und das, obwohl das Vogelhirn eher klein ist. Im Vergleich zu Säugetieren habe es aber eine deutlich höhere Neuronendichte. Daher begrüsst die Fachfrau Studien rund um das Thema Huhn. Schliesslich ist es das Wissen, das zu mehr Verständnis und letzten Endes zu besseren Haltungsbedingungen führt.

Forschende der University of Queensland, Australien, sehen das ähnlich und veröffentlichten im letzten Jahr eine Studie, die zeigt, dass auch Menschen erkennen können, wie Hühner wirklich ticken. Also Lauscher auf.

Wenn Hühner wiehern und gakeln

194 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an diesem Experiment teil und hörten sich im Vorfeld aufgezeichnete Rufe von Haushühnern (Gallus gallus) an. Diese stammten laut einer Medienmitteilung der Universität aus unterschiedlichen Situationen: «Zwei Rufe wurden in Erwartung einer Belohnung erzeugt, die wir als ›Futter‹-Ruf und als ›schnelles Gackern‹ bezeichnet haben», sagte Mitautor Jörg Henning. «Zwei andere Ruftypen wurden in Situationen erzeugt, in denen es keine Belohnung gab, zum Beispiel, wenn das Futter vorenthalten wurde. Wir nannten diese Rufe ›Wiehern‹ und ›Gakeln‹.» Das Ergebnis? 69 Prozent der Probanden ordneten korrekt zu, ob die Hühner positiv oder negativ gestimmt waren. «Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis und ein weiterer Beleg dafür, dass der Mensch in der Lage ist, den emotionalen Kontext von Lautäusserungen verschiedener Tierarten zu erkennen», so Henning. Insgesamt haben Forschende beim Huhn mindestens 24 unterschiedliche Laute identifiziert. Für Madeleine Herrli eine zu geringe Zahl: «Ich persönlich vermute, dass die Differenzierung weit darüber hinaus geht. Die Vermutung stützt sich auf ganz eigene Wahrnehmungen in dem Zusammenleben mit Hühnern, aber auch auf Studien, welche den Hühnern ein höheres Bewusstsein zuschreiben.» Denn Erwartung ist nicht gleich Erwartung, Hunger tönt anders als Durst und Gefahr aus der Luft anders als Gefahr vom Boden. Selbst die Vorfreude auf Körner klingt anders als etwa die auf Würmer – auf die Nuancen kommt es an. Aber nicht nur. Gute Beobachter sehen auch die unterschiedlichen Verhaltensweisen des Federviehs. Welcher Hahn kräht zuerst? Und vor allem wann? Schlägt er auch Alarm, wenn er allein ist oder nur, wenn seine Damen um ihn herum sind? Und warum werden Hennen eigentlich rot?

Von Gänsehaut bis Gockelblush

Weil sie Emotionen haben und Empathie empfinden. Sind sie erregt, steigen Puls und Blutdruck, ihr Kopf wird wärmer und röter. Das fand vor einigen Monaten das französische Nationale Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt heraus. Zwar liessen sich die Emotionen auch an der Position der Federn am Kopf ablesen. Während die Hühner frassen, also positiv gestimmt waren, lagen die Federn glatt am Kopf an, wohingegen sie bei Aufregung aufgestellt wurden. Das jedoch spannendste Ergebnis sei das Erröten gewesen, so die Forscher. Es sei in positiven Situationen, in denen die Vögel ruhig und zufrieden waren, wie etwa Ausruhen, Putzen und Füttern, geringer als in negativen, in denen die Hühner Angst hatten.

Hühner, die auf Augenhöhe picken

So stehen Lautäusserungen und Verhaltensweisen wohl in direktem Zusammenhang mit den Fähigkeiten, eine Situation im Kontext zu verstehen, komplexe Probleme zu lösen, sich selbst zu beherrschen, andere auszutricksen, Geräuschabfolgen zu erkennen, Zeitintervalle und Mengen abzuschätzen, Gesichter zu erkennen und vor allem sich selbst als Individuum wahrzunehmen – eine Fähigkeit, die bis dato nur wenigen Tieren wie etwa Menschenaffen, Elefanten, Pferden und Delfinen zugeschrieben wird.

Madeleine Herrli blickt daher positiv in die Zukunft: «Mit dem Wissen, dass Hühner teilweise die kognitive Stufe von Primaten erreichen, schauen wir vielleicht bewusster und respektvoller in den Hühnerstall.»


1x1 der Hühnersprache

Gackern

Scharf und abgehackt kommt das Gackern daher, das Aufregung bedeutet und je nach Turnus unterschiedlich zu deuten ist: Hat das Huhn Angst, stösst es kurze und gleichartige Laute wie «gack-ack-ack ackack-ack» aus. Ist die Gefahr vorüber, wird das Gackern rhythmischer. Letzteres ist identisch mit dem Legegackern, was ausdrückt, dass sich das Huhn zum Eiablegen ins Nest zurückziehen möchte.

Kollern

Ein typisch männliches Geräusch ist das Kollern, das sich anhört wie ein trotziges Brummeln und zum Ausdruckt kommt, wenn sich ein Hahn einer brenzligen Situation entziehen konnte. Etwa, wenn er von einem Menschen gepackt und wieder losgelassen wurde. Dann gibt er mit diesem Laut zu verstehen: «Das hat mir gar nichts ausgemacht!». Auch den Kratzfuss, eine Geste der Überlegenheit, unterstreicht er so.

Gakeln

Möchte die Henne etwas, beispielsweise gefüttert werden oder sich zur Eiablage niederlassen, fängt sie nervös an zu gakeln. Ein Singsang aus einem gedehnten, leicht ansteigenden Laut, auf den ein oder mehrere kurze Laute folgen. Der Hahn gakelt dagegen lediglich, um einen überlegeneren Rivalen zu beschwichtigen.

Lockruf

Ein weiterer Lockruf ist das «tuck tuck tuck», mit dem zum einen der Hahn seine Hennen zum Futter lockt – je einladender das Futter, desto intensiver der Ruf – und mit dem zum anderen Glucken ihre Küken rufen. Hin und wieder kommt es vor, dass der Hahn mit diesem Ruf etwas anderes im Schilde führt, Futter anpreist, das es gar nicht gibt, und sich stattdessen eine herbeilaufende Henne zum Kopulieren packt.

Krähen

Der unüberhörbare Hahnenschrei strotzt von Selbstbewusstsein. Kräht der Hahn, lässt er dabei stolz seine Brust anschwellen und streckt den Kopf in die Höhe, um entweder Rivalen abzuschrecken oder seinen Herrschaftsanspruch auf seine Hennen klarzustellen. Halten sich Hennen weiter entfernt auf, wird ihnen durch das Krähen der Weg zurück zur Gruppe geleitet.