Blickwinkel
Genmanipulierte Tiere in der Landwirtschaft: Fortschritt auf Kosten des Tierwohls?
Genmanipulation bei Nutztieren gilt als Fortschritt – doch zu welchem Preis? Während gentechnisch veränderte Schweine, Kühe oder Hühner als Lösung für Krankheiten und Tierleid in der Landwirtschaft angepriesen werden, überdeckt die Technologie eine zentrale Frage: Sollte Wissenschaft dazu dienen, Tiere an ein krankes System anzupassen – oder das System selbst verändern?
Die Genmanipulation an Tieren verspricht eine Revolution in der Landwirtschaft: resistentere Tiere, weniger Krankheiten, weniger Antibiotikaeinsatz. Doch hinter dieser technologischen Verheissung verbirgt sich eine fundamentale ethische Frage. Dürfen wir Tiere genetisch verändern, nur damit sie den Bedingungen der industriellen Massentierhaltung noch besser standhalten?
Es gibt bereits gentechnisch veränderte Schweine, die resistent gegen das PRRS-Virus sind, eine Seuche, die enorme wirtschaftliche Schäden verursacht. Wissenschaftler der University of Missouri haben Kühe entwickelt, die ohne Hörner geboren werden, um das schmerzhafte Enthornen in Milchviehbetrieben zu vermeiden. Die Forschung zu genetisch modifizierten Hühnern, die resistent gegen Vogelgrippe sind, schreitet voran. Doch all diese Entwicklungen lenken vom eigentlichen Problem ab: Die Bedingungen, unter denen diese Tiere leben, sind die Ursache für viele Krankheitsausbrüche. Zu dicht gedrängte Ställe, monotone Ernährung, permanente Stressfaktoren – das ist der wahre Nährboden für Seuchen. Die Wissenschaft ist sich längst einig, dass eine artgerechtere Haltung und mehr genetische Vielfalt die natürliche Widerstandskraft von Tieren stärken würden.
Forschungsergebnisse der ETH Zürich und der Universität Zürich zeigen, dass chronischer Stress epigenetische Veränderungen auslösen kann, die über mehrere Generationen hinweg vererbt werden. In der Nutztierhaltung, wo Tiere häufig starkem Stress ausgesetzt sind, ist es also durchaus denkbar, dass solche epigenetischen Effekte langfristige Folgen für Gesundheit und Widerstandsfähigkeit haben. Doch anstatt die Haltungsbedingungen grundlegend zu verbessern, setzen viele Entwicklungen weiterhin darauf, Tiere durch technologische Eingriffe resistenter zu machen – eine Symptombehandlung statt einer ursächlichen Lösung. Zudem sind gesundheitliche Langzeitfolgen keineswegs geklärt. Untersuchungen an genetisch veränderten Lachsen zeigen zum Beispiel, dass diese Tiere oft unter Skelettdeformationen und Herzproblemen leiden.
In der Schweiz ist der Einsatz von gentechnisch veränderten Tieren streng reglementiert. Gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist die Verwendung solcher Tiere ausschliesslich für medizinische Zwecke und in der Forschung erlaubt. In der Landwirtschaft sind sie nicht zugelassen. Doch der Druck aus der Agrarindustrie wächst. Hinter den Kulissen treiben Konzerne wie Bayer und Syngenta mit Milliardenbudgets die Entwicklung genetisch veränderter Tiere voran, um ihre Marktanteile zu sichern. Die Argumentation ist immer dieselbe: Die Weltbevölkerung wächst, die Landwirtschaft muss effizienter werden, Technologie ist die Lösung. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass agrarökologische Methoden – also widerstandsfähigere Rassen, bessere Haltungssysteme und nachhaltigere Fütterung – langfristig genauso effektiv sein können, ohne die Risiken der Genmanipulation. Die Forschung sollte also nicht darauf abzielen, Schweine resistent gegen die nächste Seuche zu machen, sondern darauf, eine Landwirtschaft zu gestalten, die solche Seuchen gar nicht erst entstehen lässt. Genmanipulation ist kein Fortschritt, wenn sie nur dazu dient, ein krankes System am Leben zu erhalten.
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