Lebende Fossilien
Schachtelhalme – nützliche Urzeitpflanzen
Sie waren schon da, bevor die ersten Wirbeltiere an Land gingen: Schachtelhalme können mit einerErdpräsenz von über 375 Millionen Jahre getrost als «lebende Fossilien» bezeichnet werden. Nebst ihrem erdgeschichtlichen Alter haben Schachtelhalme noch einige anderen Eigenschaften, die sie zu ganz besonderen Pflanzen machen.
Schachtelhalme (Ordnung Equisetales) gehören zu den Gefäßpflanzen, zu denen auch die Farne zählen. Wie diese besitzen sie spezielle Leitbündel, die im Inneren der Pflanze Wasser und Nährstoffe transportieren.
Schachtelhalme sind leicht an den durch Knoten unterbrochenen Sprossen zu erkennen, die ein wenig wie Bambus aussehen. Mit diesem sind sie allerdings nicht näher verwandt, denn Bambus gehört zu den Gräsern. An den Knoten der Schachtelhalme entspringen ringförmig die unscheinbaren Blätter der Urpflanze.
Ihren Namen erhielt die Pflanze dadurch, dass man den Spross aus der durch die Blätter gebildeten Scheide herausziehen und wieder zurückstecken kann wie bei einer Schachtel. An der Spitze des Sprosses sitzen die Sporenbehälter (Sporangien).
Vermehrung und Ausbreitung
Schachtelhalme vermehren sich über diese Sporen sowie über Ausläufer der Wurzeln asexuell und benötigen daher nicht, wie viele andere Pflanzen, die Hilfe von Bestäubern wie Insekten. Die Sporen entwickeln sich im Frühling und werden durch den Wind verbreitet. Daraus entwickeln sich unfruchtbare Sprosse, und die Pflanze dehnt sich unterirdisch weiter über die Wurzeln aus.
Feuchtigkeitsliebende Überlebenskünstler
Urschachtelhalme erreichten eine beachtliche Höhe von bis zu 30 Metern und würden damit heute den einen oder anderen Baum bei Weitem überragen. Die größte noch lebende Art, Equisetum myriochaetum, wächst in Zentral- und Südamerika und erreicht immerhin eine Wuchshöhe von 5 Metern.
Wesentlich kleiner sind die neun Arten, die bei uns vertreten sind. Der Riesenschachtelhalm (Equisetum telmateia) erreicht trotz seines Namens mit maximal 50 Zentimetern höchstens Hüfthöhe. Mit seinem büschelförmigen, symmetrischen Wuchs gehört er aber sicher zu den schönsten Vertretern in unseren Breiten. Wie seine Verwandten bevorzugt der Riesenschachtelhalm feuchte bis nasse Böden.
Arten und Standorte
Der Waldschachtelhalm (E. sylvaticum) meidet im Gegensatz zum Riesenschachtelhalm kalkhaltige Böden, ist aber ein wichtiger Anzeiger für sauren Boden und kommt bei uns oft in feuchten Wäldern und auf Bergwiesen vor. Mit einer Wuchshöhe von maximal 50 Zentimetern macht er dem Riesenschachtelhalm Konkurrenz.
Überragt werden beide vom Teichschachtelhalm (E. fluviatile), der auch die Feuchtigkeitsliebe auf die Spitze treibt. Die bis zu 150 Zentimeter grosse Pflanze wächst im Wasser, in Ufernähe und auf überschwemmten Flächen. Aufgrund seiner Anforderungen an den Lebensraum gilt der Teichschachtelhalm auf der Alpensüdseite der Schweiz als potenziell gefährdet.
Anpassungsfähigkeit und Überlebensstrategien
Generell sind Schachtelhalme jedoch wahre Überlebenskünstler. Ihre Wurzeln können bis zu zwei Meter lang werden und überall austreiben oder sich über abgebrochene Stängel vermehren. Auf nassen Wiesen gelingt es Schachtelhalmen, richtige kleine Wälder zu bilden, und sie sind daher schwer in Schach zu halten.
Als sogenannte Kryptophyten können die im Boden liegenden Wurzeln ungünstige Umweltbedingungen wie plötzliche Trockenheit überleben und wieder Sprossen bilden, sobald die Umstände es erlauben.
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Heilend für Mensch und Pflanze
Sebastian Anton Kneipp, der bekannte deutsche Naturheilkundler und Begründer der Kaltwassertherapie, sprach Schachtelhalmen zusammenziehende Kräfte zu. Diese sollen Blut, Magen, Nieren und Blase reinigen und auch bei Ausschlag und Wunden helfen.
Besondere medizinische Bedeutung hat der Ackerschachtelhalm (E. arvense), auch Zinnkraut oder Katzenschwanz genannt. Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. nutzten die Römer die harntreibende und blutstillende Wirkung des Krauts. Der Schachtelhalm wurde äusserlich zur Wundheilung aufgetragen, innerlich gegen Griess- und Steinbildungen in Niere und Blase.
Medizinische Anwendungen
Die deutsche Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel, Kommission E, empfiehlt Schachtelhalmkraut innerlich bei Ödemen und als Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten und Nierengriess sowie äusserlich bei schlecht heilenden Wunden. Entsprechender Tee ist in Apotheken erhältlich.
Beim Selbersammeln sollte man vorsichtig sein, denn ein Vertreter dieser Gattung, der Sumpfschachtelhalm (E. palustre), ist giftig. Die enthaltene Thiaminase zerstört Vitamin B1 und ist vor allem für Pferde gefährlich. Das im lateinischen Artnamen vorkommende Palustrin ist ein Inhaltsstoff, der bei Rindern zu Lähmungserscheinungen führen kann. Auch wenn bisher keine Vergiftungen beim Menschen bekannt sind, sollte man trotzdem Vorsicht walten lassen.
Verwendung in Gartenbau und Hauswirtschaft
Getrocknet schmeckt Schachtelhalm nahezu neutral, knirscht allerdings zwischen den Zähnen. Dies kommt vom besonders hohen Gehalt an eingelagerter Kieselsäure. Schachtelhalm wird daher auch gerne als biologisches Mittel zur Stärkung von Gartenpflanzen und gegen Schädlinge verwendet.
Den Namen «Zinnkraut» verdankt der Ackerschachtelhalm übrigens seiner reinigenden Wirkung: Als eine Art pflanzliches Schmirgelpapier sorgt die in den Zellen enthaltene Kieselsäure dafür, dass damit poliertes Zinn wieder blitzblank wird.
SchachtelhalmsudEin bis eineinhalb Kilogramm frischer oder 200 Gramm getrockneter Ackerschachtelhalm 24 Stunden lang in 10 Liter Wasser einweichen. Dann etwa 30 Minuten lang auf niedriger Stufe köcheln lassen. Den Sud durch ein Baumwolltuch filtern und vollständig abkühlen lassen. Die Brühe vor der Anwendung im Verhältnis 1:5 verdünnen. Der Schachtelhalmsud kann mit einer Sprühflasche direkt auf die Blätter von durch Blattläuse oder Mehltau betroffener Pflanzen gesprüht werden. Eine Anwendung bei sonnigem, warmem Wetter fördert die Wirkung des Schachtelhalmsuds zusätzlich.
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