Ob als Frühstücks-Porridge, Hafermilch-Alternative oder in herzhaften Gerichten – Hafer ist aus einer gesunden und bewussten Ernährung kaum mehr wegzudenken. Doch was macht Hafer so besonders? Ernährungsexpertin Stéphanie Bieler von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) hält Hafer für ein echtes Powerpaket für den Körper. «Hafer punktet mit einer Vielzahl wertvoller Inhaltsstoffe: Nahrungsfasern, Proteine, Vitamine und Mineralstoffe. Sein Gehalt an Vitamin B1 sowie Magnesium, Eisen und Zink macht Hafer zu einer nährstoffreichen Wahl.» Besonders hebt Bieler den hohen Gehalt an löslichen Nahrungsfasern, insbesondere Beta-Glucanen hervor. «Die Beta-Glucane im Hafer können sich günstig auf den Cholesterinspiegel auswirken und können helfen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Zudem sorgen sie für ein langanhaltendes Sättigungsgefühl, was Hafer besonders attraktiv für eine ausgewogene Ernährung macht», sagt Bieler. Neben Nahrungsfasern enthält Hafer auch nennenswerte Mengen an pflanzlichen Proteinen. Athleten setzen daher schon lange auf Hafer als Energiequelle. Das macht ihn zur idealen Wahl für Sportler, die auf nachhaltige Leistungsfähigkeit angewiesen sind.

Eine Getreidesorte mit Potenzial

Doch nicht nur auf dem Teller, sondern auch auf dem Feld überzeugt Hafer. «Hafer ist eine robuste Pflanze, die sich gut an unterschiedliche klimatische Bedingungen anpasst und dabei nur geringe Ansprüche an den Boden stellt», sagt Simon Rothenbühler vom Saatgutspezialisten UFA-Samen. Während andere Getreidearten wie Weizen oder Mais anspruchsvoller sind, gedeiht Hafer auch an weniger guten Standorten. Nur auf Wassermangel reagiert er empfindlich. «Hafer bildet ein sehr weit verzweigtes, leistungsfähiges Wurzelsystem zur Wasser- und Nährstoffaufnahme. Dies wirkt lockernd auf den Boden und trägt zur Erhaltung der Bodenqualität bei», erklärt Simon Rothenbühler. Durch seine recht tiefen Wurzeln verbessert er die Bodenstruktur und reduziert Erosion. «Darüber hinaus ist Hafer eine sogenannte Gesundungsfrucht, da er keine Krankheiten überträgt. Diese Eigenschaften machen ihn zu einer wertvollen Kultur in der Frucht-folge.» Die Düngung kann über Gülle oder Mist erfolgen und der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist in vielen Fällen möglich. Hafer hat eine gute Bodenbedeckung, und Unkräuter, die trotzdem keimen, können mechanisch mit dem Striegel bekämpft werden. All dies macht Hafer laut Rothenbühler zu einer attraktiven Alternative für landwirtschaftliche Betriebe mit biologischer Produktion oder weniger guten Ackerböden.

Trotz der vielen Vorteile bringt der Anbau von Hafer auch Herausforderungen mit sich. Eine der grössten Schwierigkeiten sind Ertragsschwankungen, die durch wechselnde Witterungsbedingungen und Schädlings-befall beeinflusst werden. Regen und Feuchtigkeit verringern Menge und Qualität, besonders beim Winterhafer. Frühjahrestrockenheit und Hitze schaden vor allem dem Sommerhafer. Besonders Blattläuse und Pilzkrankheiten können den Ertrag beeinträchtigen. Laut Rothenbühler ist es deshalb entscheidend, auf widerstandsfähige Sorten zu setzen und nachhaltige Anbaumethoden zu fördern. «Die Schädlingsbekämpfung und die Anpassung an klimatische Veränderungen bleiben zentrale Herausforderungen für Landwirte, die Hafer anbauen», so Rothenbühler weiter. Hinzu kommt, dass der Ertrag von Hafer im Vergleich zu anderen Getreidesorten wie Weizen oder Gerste generell geringer ausfallen kann, was Landwirte vor wirtschaftliche Überlegungen stellt. Auch hat Schweizer Hafer einen qualitativen Nachteil gegenüber nordeuropäischem Hafer, da das hiesige Klima im Sommer weniger Lichtstunden bei gleichzeitig höheren Temperaturen bietet.

Stagnierender Absatz

Aufgrund steigender Marktsignale in der Lebensmittelindustrie und wachsender Beliebtheit bei den Konsumentinnen und Konsumenten startete die Agrargenossenschaft Fenaco 2021 ein Projekt zur Förderung des Speisehaferanbaus in der Schweiz. Der Anbau nahm daraufhin deutlich zu. Die Nachfrage hingegen blieb hinter den Erwartungen zurück. «Ein ausreichendes Kaufinteresse von Schweizer Speisehafer in Suisse-Garantie-Qualität zu einem rentablen Preis für die Produzenten blieb leider bisher aus», bedauert Jasmin Meile von der Fenaco. Deshalb hat Fenaco den Vertragsanbau auf die Ernte 2024 bis auf Weiteres pausiert. Die aktuelle Nachfrage nach Schweizer Hafer in Suisse-Garantie-Qualität wird durch bestehende Lagerbestände gedeckt.

Die steigende Nachfrage nach Haferprodukten hat den Markt und die Produktvielfalt in den letzten Jahren stark wachsen lassen. Ob als klassische Haferflocken, Riegel oder innovative Getränke – Haferprodukte sind heute aus den Supermarktregalen nicht mehr wegzudenken. Laut Bieler ist diese Entwicklung kein Zufall: «Hafer ist nicht nur gesund, sondern auch unglaublich vielseitig. Er lässt sich sowohl in süssen als auch herzhaften Gerichten einsetzen und bietet damit für jeden Geschmack das passende Produkt.» Besonders beliebt sind Ready-to-eat-Produkte wie Overnight Oats, Hafer-Bowl-Mischungen oder Hafer-Smoothies, die schnell zubereitet sind und lange sättigen. Auch glutenfreie Haferprodukte gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie Menschen mit Glutenunverträglichkeit eine nährstoffreiche Alternative bieten. Doch sollte man hier auf das Glutenfrei-Logo achten, um sicherzugehen, dass das Produkt durch die Verarbeitung mit den gleichen Maschinen wie glutenhaltiges Getreide nicht kontaminiert ist.

Nährstoffarme Hafermilch

Als Frühstück, Snack oder Bestandteil von herzhaften Gerichten – Hafer lässt sich problemlos in den täglichen Speiseplan einbauen: Klassische Haferflocken sind ideal für ein nahrhaftes Frühstück, aber auch in Form von Porridge, Müesliriegeln oder als Zutat in Brot und Keksen entfaltet Hafer sein volles Potenzial. Laut Bieler sollte man möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel bevorzugen. Haferflocken sind in diesem Zusammenhang besonders empfehlenswert. Hafermilch hingegen eignet sich zwar wegen ihres milden, leicht süsslichen Geschmacks hervorragend für Kaffee, Smoothies oder zum Backen und Kochen, ist aber ein relativ nährstoffarmes Produkt, warnt Bieler. «Hafermilch enthält kaum Proteine, Vitamine und Mineralstoffe. Die wertvollen Nährstoffe des Hafers sind im Haferdrink nahezu nicht vorhanden. Pro Deziliter enthält der Haferdrink lediglich etwa 0,5 Gramm Protein.» Wer Abwechslung sucht, kann Hafer auch in herzhaften Gerichten einsetzen, empfiehlt Bieler. «Ausserdem kann Hafer in Form von Haferflocken oder -kleie in Suppen oder Smoothies integriert werden, um den Nahrungsfasergehalt zu erhöhen.»

Der Trend zu pflanzenbasierten Produkten treibt die Nachfrage nach Hafer weiterhin an. Dennoch bleibt der Importanteil hoch, da die Nachfrage nach Schweizer Hafer trotz der Anstrengungen der Fenaco und der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte im Anbau stagniert. So wurden 2023 rund 75 % des in der Schweiz im Speise- und Futterbereich benötigten Hafers importiert. Durch den Kauf regionaler Haferprodukte können Verbraucher die Schweizer Landwirtschaft unterstützen und gleichzeitig aktiv zur Reduktion von Transportemissionen beitragen. Denn: Die Produktion von Hafer in der Schweiz bringt im Vergleich zu anderen Getreidesorten einen geringeren CO2-Fussabdruck mit sich. Kurze Transportwege zwischen Anbau, Verarbeitung und Verkauf tragen zusätzlich zur Umweltbilanz bei.

Für den Anbau empfohlene Hafersorten 
Delfin, Canyon, Husky und Lion (Sommerhafersorten
Eagle und Wiland (Winterhafersorten)
In der Schweiz werden derzeit etwa ein Drittel Winterhafer (vorwiegend Sorte Eagle) und zwei Drittel Sommerhafer(hauptsächlich Canyon und Husky) angebaut. Während diese bewährten Sorten weit verbreitet sind, steigt die Nachfrage nach den neuen Sorten Lion und Delfin. Entscheidend für die Wahl der Sorte sind Ertrag, Standfestigkeit und Rostanfälligkeit.

Gesundes Frühstück

Schnelle Haferflocken-Ideen der Ernährungsexpertin für ein gesundes Frühstück

1. Overnight Oats:

  • Am Vorabend Haferflocken mit Milch oder einer pflanzlichen Alternative in einer Schüssel oder einem Glas vermengen.
  • Über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
  • Am Morgen nach Belieben mit frischen Früchten und Joghurt ergänzen – fertig ist ein ausgewogenes, sättigendes Frühstück.

2. Porridge für Liebhaber von warmem Frühstück:

  • Haferflocken mit Milch in einem Topf kurz aufkochen und umrühren, bis eine cremige Konsistenz entsteht.
  • Alternativ in der Mikrowelle: Haferflocken und Milch in eine Schüssel geben, ca. 2 Minuten erhitzen, zwischendurch umrühren und geniessen.