Hotels für Ameisen
Wohnung gegen Nahrung: Die Symbiose von Ameisen und Pflanzen
Ameisen und Pflanzenarten profitieren voneinander. Die Ameisen versorgen die Gewächse mit Nährstoffen und halten Räuber fern. Im Gegenzug erhalten sie Unterkunft und Nektar. Doch bei Akazien in Mittelamerika geht nicht alles mit rechten Dingen zu.
Sie heissen Myrmecodia oder auch Dischidia und haben so einiges gemeinsam. Beide Pflanzengattungen wachsen epiphytisch. Das heisst, dass sie auf Ästen grosser Bäume gedeihen. Beide stammen aus Südostasien und Australien. Beide Arten weisen Kammern auf. Und beide haben ein Verhältnis mit Ameisen. Sie werden darum auch als myrmecophile Epiphyten bezeichnet.
Die Assoziation zwischen Ameisen und Pflanzen wird in der Botanik Myrmecophilie genannt. Während Myrmecodia-Arten in knollenartigen Gebilden Hohlräume für Ameisen zur Verfügung stellen, finden die Insekten bei manchen Arten der Gattung Dischidia, die auch Urnenpflanze genannt wird, Schutz in geschlossenen Blattkelchen. Nur eine kleine Öffnung ermöglicht ihnen den Zutritt. Myrmecodia bildet die Knollen an dicken Ästen und Baumstämmen wachsend aus. Aus der Knolle wächst ein Stamm, der wedelähnliche Blätter ausbildet. Die Knolle weist Höhlen und Gänge auf. Darin leben Ameisen. Die Kammern haben drüsige Oberflächen. Sie ermöglichen der Pflanze, den Stickstoff aus dem Ameisenkot oder aus toten Ameisen aufzunehmen und zu absorbieren.
Dischidien formen ihren eigenen Blumentopf. Einige Blätter wachsen nämlich schlauchförmig und verschliessen sich zu einem Gefäss. Durch eine kleine Öffnung gelangen Ameisen in das Innere. Dort legen sie ein Nest an und sondern Exkremente aus. Die Wurzeln der Dischidien wachsen in diesen selbst gebildeten Topf und nehmen die durch die Ameisen anfallenden Nährstoffe auf.
Die Ameisen liefern den Pflanzen Nahrung und bieten ihnen als vielköpfige Armee Schutz vor Fressfeinden. Die Ameisen wiederum finden in den Hohlräumen der Pflanze Unterkunft.
Ameisenarmee gegen Käfer
Ameisen und gewisse Pflanzen sind auch in Südamerika miteinander verbunden, beispielsweise die pionierartig wachsenden Bäume der Gattung Cecropia, die auch Ameisenbäume genannt werden. 48 der 61 Gattungen gehen eine Beziehung zu Ameisen ein. Ameisenbäume bilden schirmartige Kronen aus. Die Blätter sind ähnlich einer Hand aufgefächert. Sie gleichen einem Blatt eines in Mitteleuropabekannten Rosskastanienbaums.
Sogar Vögel machen sich diese Symbiose zunutze und klinken sich ein. Stirnvögel, die durch ihre melodiösen Rufe auffallen, bauen mit Vorliebe ihre beutelartigen Nester an die äussersten über den Fluss hängenden Äste von Ameisenbäumen.
Sie wissen: In diesen Bäumen leben Ameisen. Wenn nun Fressfeinde wie Affen am Stamm entlang klettern, kommen sie meist nicht weit. Die Ameisen stürzen sich auf sie und beissen. Das nützt auch den Stirnvögeln, deren Nester in Cecropia-Bäumen eher vor Dieben verschont bleiben, als wenn sie die besonderen Gebilde in anderem Grün errichteten. Die Ameisen verhindern auch Epiphytenbewuchs auf den eher schwach gebauten Bäumen. So brechen ob der Last der Aufsitzer keine Äste ab. Sie versorgen die Bäume zudem mit stickstoffreicher Nahrung. Im Gegenzug bieten die Bäume den Ameisen Wohnkammern. Die Stängelwand ist über den Blattansätzen sehr dünn und kann von den Ameisen leicht durchbissen werden. Sie benützen dann die Blattkammern als Wohnraum. Meist handelt es sich um Ameisen der Gattung Azteca, die eine Symbiose mit den Ameisenbäumen eingehen. Ameisen und Bäume können aber auch ohne Symbiose leben; sie ist also fakultativ.
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In der Alten Welt ist der Macaranga-Baum mit Ameisen verbunden, die in den hohlen Sprossachsen leben. 30 der etwa300 Arten dieser aus Australien, Asien und Afrika stammenden Bäume sind dafür bekannt, Symbiosen mit der Ameisengattung Crematogaster einzugehen. Die zu den Wolfsmilchgewächsen gehörenden Bäume haben grosse, rundliche Blätter und werden von den Ameisen beschützt, beispielsweise vor Fressfeinden wie Raupen und Käfern. Zudem entsorgen sie abgelegte Insekteneier und beissen Kletterpflanzen weg. Dafür erhalten sie eine Entschädigung: Der Baum versorgt sie mit zuckerhaltigem Blattnektar.
Eine Kriminalgeschichte
Doch Pflanzen stellen nicht immer so arglos Nahrung für ihre Beschützer zur Verfügung. Es gibt auch solche, die sie durch Abhängigkeit an sich binden. Lange ist bekannt, dass in Afrika manche Akazienarten eine Symbiose mit Ameisen eingehen, weil die Insekten sie vor Fressfeinden wie Elefanten, Giraffen und Antilopen schützen. Sobald die Säuger an den Ästen rütteln, rückt die Armee von Ameisen aus, was für die Savannenbewohner so lästig wird, dass sie von der Pflanze ablassen.
Neuer ist die Erkenntnis, dass die in Mittelamerika heimische Akazienart Acacia cornigera aktiv dafür sorgt, dass die Ameisen der Art Pseudomyrmex ferrugineus für immer bei ihr bleiben. Die Ameisen wehren sich auch dort für den Baum, indem sie ihn vor Schlingpflanzen und Schädlingen schützen. Sie vertragen allerdings keinen Zucker, doch praktischerweise stellt ihnen die Akazie zuckerfreien Nektar zur Verfügung. Wie sich aber bei Ameisen herausstellte, die im Terrarium heranwuchsen, wären sie sehr wohl dazu in der Lage, Zucker zu verdauen. Sobald sie aber erstmals den Nektar der Akazie aufnehmen, klappt das nicht mehr. Er hemmt bei den Ameisen ein spezielles Enzym, das den Zucker Saccharose in Fruchtzucker und Traubenzucker aufspaltet. Die Ameisen können nach dem ersten Schluck Nektar Zucker nicht mehr verdauen. Nur ihre Akazie stellt dann die für sie noch verträgliche zuckerfreie Nahrung her. Um nicht zu verhungern, sind sie auf ihre Wirtspflanzeangewiesen – und verteidigen sie darum wohl umso vehementer. Die Akazie manipuliert die Verdauung der Ameisen, um sie dauerhaft an sich zu binden.
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