Der Wolf ist ein Reizthema, welches häufig emotional diskutiert wird. Laut der Stiftung KORA streifen derzeit 35 Wolfsrudel durch die Schweiz – rund 300 Tiere, was manchen zu viel ist. Besonders Nutztierhalter fordern eine Regulierung der Wolfspopulation, um den Verlust von Schafen und Ziegen zu reduzieren. Zuletzt erhitzten Wölfe, welche im August 2024 in Graubünden zwei Rinder rissen, die Gemüter. Das Rudel, das seit 2023 durch den Schweizer Nationalpark streift, steht im Verdacht, dafür verantwortlich zu sein. In der Folge beschloss der Kanton, das ganze Rudel zum Abschuss freizugeben. Eine alternative Lösung steht nicht zur Diskussion.

Die Massnahme stösst bei Naturschutzorganisationen auf Widerstand – zu Recht. Nicht nur rechtlich, sondern auch fachlich, ist der Abschuss eines ganzen Rudels äusserst fragwürdig. Dass Wölfe in ein Gebiet einwandern und dort ein Rudel bilden, hat seine Gründe. Wird ein Rudel ausgelöscht, so werden unweigerlich andere Wölfe in die nun frei gewordenen Reviere einwandern, und der Konflikt beginnt von vorne. Zudem ist unklar, ob die für die Risse verantwortlichen Tiere tatsächlich zum Nationalparkrudel gehören. Ein solcher Abschuss ist weder verhältnismässig noch eine nachhaltige Lösung des Problems.

Besonders absurd wurde die Debatte durch einen Vorschlag der Finanzkommission des Kantons Bern Anfang Februar: Sie schlug vor, Schaden stiftende Wölfe zu sterilisieren. Das würde bedeuten, dass ein Wolf entsprechend identifiziert, eingefangen, betäubt, operiert und wieder freigelassen wird. Abgesehen von der ethischen Fragwürdigkeit und den hohen Kosten erklärt die Finanzkommission nicht, wie diese Massnahme zukünftige Risse verhindern soll. Die Spitze der Absurdität: Im Kanton Bern existiert noch nicht einmal ein Wolfsrudel. Kein Wunder also, dass Naturschutzorganisationen wie Pro Natura, der WWF und BirdLife dagegen protestieren.

Eigentlich sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Um die Konflikte zwischen Mensch und Wolf zu entschärfen, braucht es weiterhin ein effektives Herdenschutzprogramm. Trotz einer steigenden Wolfspopulation sinken die Risse von Nutztieren nämlich. Laut Pro Natura gingen die Risse bereits 2022 dank effizienterer Herdenschutzmassnahmen deutlich zurück, obwohl eine proaktive Wolfsregulierung erst seit 2023 statt-findet. «Lösungsansätze» wie die Auslöschung eines ganzen Rudels oder die Kastration eines Wildtieres sind somit lediglich polemisch, helfen jedoch weder den Nutztieren noch dem Wolf.