Üben fürs Leben
Warum junge Tiere spielen
Nicht nur Menschenkinder, auch Tiere spielen. Spielen verfolgt nebst dem Einüben von Verhaltensweisen auch einen weniger lebenswichtigen Zweck: Es macht Spass!
Es ist Winter, Schnee liegt auf den Dächern, auf denen auch Krähen sitzen. Einer der Vögel schleppt gerade ein flaches Stück Eis von der Kante hinauf zum First. Dort setzt sich die Krähe auf die Eisscholle und rutscht die Dachschräge hinunter bis zur Rinne – nur um den improvisierten Schlitten wieder nach oben zu schleifen, um erneut hinunterzusausen. Ein Spiel, das dem Tier offensichtlich Spass macht und keinen Zweck erfüllt, der von unmittelbarer Bedeutung für das Überleben ist. Denn das ist die Definition von Spielen: eine freiwillige Tätigkeit, die lediglich intrinsisch belohnt ist, also um ihrer selbst willen ausgeführt wird. So wie jemand Gitarre spielt, ein Bild malt oder ein Kind einen Ball durch die Gegend kickt.
Gerade für Kinder und junge Tiere hat das Spielen eine wichtige Bedeutung. Es unterstützt die Entwicklung, indem Erfahrungen in einem geschützten Rahmen gesammelt werden. Forschende gehen davon aus, dass durch Spielen Verhaltensweisen «optimiert» werden, bevor diese im Ernst des Lebens erprobt werden müssen. Dazu gehören das Jagen und die Nahrungsbeschaffung im Allgemeinen, Revierkämpfe und Bewegungsabläufe, die ein gewisses Mass an Leistungsfähigkeit und Geschicklichkeit erfordern.
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Training für später
Wer schon einmal Hundewelpen oder Kätzchen beobachtet hat, wird eine Vielzahl entsprechender Verhaltensweisen gesehen haben. Da wird gerauft, gejagt, gesprungen und an allem Möglichen herumgezerrt. Auch Löwenjunge schleichen sich spielerisch an «Beute» an, und junge Wölfe schneiden sich während Verfolgungsjagden gegenseitig den Weg ab. Durch solches Training lernen die Jungtiere nicht nur den eigenen Körper und dessen Bewegungsmöglichkeiten kennen, sondern auch die sozialen Normen ihrer Art. Bei Haustieren wie Hunden ist das Spielverhalten nicht auf das Welpenalter beschränkt, sondern zeigt sich auch bei erwachsenen Tieren. Man geht davon aus, dass dies nicht nur das Ergebnis einer Züchtung ist, sondern dass gerade auch die Neigung zum Spielen der Grund dafür war, dass der Mensch Gefallen an genau jenen Tier-arten fand, die wir heute als Haustiere halten. So zeigen ausgewachsene Hunde oft die sogenannte Vorderkörpertiefstellung, mit der sie ihrem Spielpartnervermitteln, dass es sich bei ihrem Verhalten um ein Spiel handelt und nicht um Ernst. Auch andere Tiere zeigen eine arttypische Spielgestik oder -mimik, mit der sie zum Spielen auffordern und das damit verbundene Verhalten vom Ernst abgrenzen.
Oft sind es Tierarten mit ausgeprägtem Sozialverhalten, bei denen man Spielen beobachten kann. So gelang es Forschenden 2019, nachzuweisen, dass Ratten gerne Verstecken spielen und gekitzelt werden. Dabei quiekten die Tiere beim Suchen voller Freude und waren hingegen ausgesprochen still, wenn sie sich selbst versteckten. Die meisten wird es zudem nicht überraschen, dass Wissenschaftler Schimpansen in der freien Wildbahn beim Spielen beobachten konnten. Im Kibale-Nationalpark in Uganda spielen Jungtiere gelegentlich mit Stöcken. Zum Teil erinnerte die Art und Weise des Spiels an das Verhalten erwachsener Weibchen im Umgang mit Neugeborenen. Möglicherweise dienen die Stöcke als eine Art Puppe, denn junge Schimpansinnen legen dieses Verhalten ab, sobald sie selbst ihren ersten Nachwuchs haben.
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Neue Erkenntnisse
Geschlechtsspezifisches Spielverhalten lässt sich auch bei anderen Tieren beobachten, wie etwa der Grünen Meerkatze, einer in Westafrika heimischen Affenart. In einem Experiment wurde den Tieren verschiedenes Spielzeug angeboten, das nach der Präferenz menschlicher Kinder in «Jungenspielzeug» (Ball, Polizeiauto) und «Mädchenspielzeug» (Puppe, Kochtopf) eingeteilt wurde. Erstaunlicherweise zeigten männliche Grünmeerkatzen grösseres Interesse am «Jungenspielzeug», während ihre weiblichen Artgenossen das «Mädchenspielzeug» bevorzugten. Die Forschenden schlossen daraus, dass eine geschlechtsspezifische Objektpräferenz evolutiv tief verankert ist und daher nicht nur die gesellschaftliche Prägung zur Spielzeugpräferenz von Mädchen und Jungen beiträgt.
Während Spielverhalten oft mit uns ähnlichen, sozialen Tieren in Verbindung gebracht wird, ist die Wissenschaft offener geworden und konnte Spielen bereits in einer Vielzahl von Tiergruppen nachweisen – darunter auch bei Reptilien und sogar bei Insekten. So wurden Fruchtfliegen dabei beobachtet, wie sie sich freiwillig und wiederholt auf ein kleines, sich drehendes Karussell setzten – ohne höheren Zweck. In einer anderen Versuchsanordnung rollten Erdhummeln kleine Holzkugeln umher, und das in einer Weise, die an spielerisches Verhalten erinnert. Wozu diese Verhaltensweisen dienen sollen, ist unklar. Und damit entsprechen sie wiederum einer der wichtigsten Kategorien des Spielens: kein direkter Zweck – nur Spass.
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