Es gibt nicht nur Madagaskar
Die Inseln rund um Afrika
Nur Madagaskar fällt auf der Weltkarte ins Auge, alle anderen Inseln liegen verstreut rund um Afrika und sind stecknadelgross. Eine Exkursion im wellenden Meer auf Spurensuche zu tropischen Kleinoden im Ozean.
Afrika und Inseln? Die Rieseninsel Madagaskar im Südosten des Kontinents ist bei dieser Frage sofort im Gedächtnis. Aber andere? Es gibt sie! Vereinzelt im weiten Atlantik und im Indischen Ozean liegen wie versteckte Perlen kleine Inseln oder Archipele. Manche sind auch Touristenparadiese, wie die Seychellen, andere sind praktisch unbekannt wie Príncipe. Sicher ist: Auf den meisten gibt es Endemiten, Tier- und Pflanzenarten, die nur dort vorkommen. Also, ab auf grosse Entdeckungsreise in kaum bekannte Gebiete.
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Die imaginäre Schiffsreise beginnt im spanischen Cádiz. Das Boot schneidet durch das dunkle Wasser des Atlantischen Ozeans. Makaronesien mit Madeira und den Kanarischen Inseln taucht bald auf. Auch die weiter nördlich liegenden Azoren gehören dazu. Obwohl weit auseinander liegend, gibt es Gemeinsamkeiten unter der Tier- und Pflanzenwelt dieser Inselgruppen.
Auf den Inseln mit vulkanischem Ursprung leben zahlreiche Endemiten. So beispielsweise der attraktive Teidefink auf Teneriffa, der viel von einem Buchfink hat, aber etwas grösser ist. An den Hängen des Vulkans Teide fliegt ein ultramarinfarbenes Männchen rasch herbei, als Touristen Halt machen und damit beginnen, ihre Pausenbrote zu essen. Flink pickt der Vogel die Krümel auf.
Das Boot schneidet durch das dunkle Wasser des Atlantischen Ozeans.
Während die makaronesischen Inseln politisch zu europäischen Ländern gehören, sind die Kapverden, die weiter südlich liegen, eigenständig. Auch hier ist die Vegetation in den Bergen und an den steilen Hängen grün, während Küstenregionen eher karg sind.Ursprünglich kommt das Graue Grossohr, eine Fledermausart, als einzige Säugetierart auf den Vulkaninseln vor, andere sind später eingeführt worden. Auch Reptilien sind spärlich vertreten, doch unter den Vögeln gibt es wiederum Raritäten wie etwa die Raso-Lerche, die nur auf den Lavafeldern der gleichnamigen Insel lebt.
Geheimnisvolle Schwemmland-Inseln
Schäumende Wellenkrönchen bilden sich auf dem tiefblauen Atlantischen Ozean, während das Schiff Richtung Südosten der afrikanischen Küste entgegensegelt. Es ankert vor dem kleinen westafrikanischen Land Guinea-Bissau, das einst wie die Kapverden portugiesische Kolonie war. Dort liegen die Bijagos-Inseln, rund 88 Schwemmland-Inseln, die vom Volk der Bidjogo bewohnt werden. Um zu den vielen Inseln zu gelangen, sind kleine Boote notwendig. Abba Balde springt aus der Piroge in das knietiefe, warme Wasser. Die Sonne brennt, sanfte Wellchen umspülen seine Beine, während der Jugendliche das Holzboot knarzend auf den weissen Sand zieht.
Ein Silberreiher flattert in der dichten Mangrovenvegetation. Sie umgibt die Insel wie ein Schutzgürtel. Zwei filigrane grünliche Bienenfresser, Zwergspinte, landen auf einem Mangrovenast. Abba Balde zwängt sich zwischen Stelzwurzeln hindurch, wischt sich den Schweiss von der Stirn und stapft durch den Waldgürtel am Ufer. Bald reisst er eine rötliche Frucht von einem Ast eines Baums, die er gierig aussaugt. «Erfrischend und am Ende leicht scharf», kommentiert er mit ernstem Gesicht. Er hat eben eine Frucht des Cashew-Baums genossen. «Hier unten wächst der Kern», erklärt er und reicht seinem Begleiter ein weiteres Exemplar.
Während Balde in der brennenden Sonne über eine von Gras bewachsene, sandige Fläche marschiert, flitzen zwei Mohrenkopfpapageien kreischend aus einem Busch. Balde aber zieht es zum Hain mit Afrikanischen Ölpalmen. Im Schatten der hochstämmigen Bäume mit Blattschopf und traubenartig angeordneten rötlichen Früchten in der Krone horcht und späht er in die Höhe. «Nichts», raunt er nach längerem Warten enttäuscht. Er hat gehofft, hier die seltenen Timneh-Graupapageien zu finden. Die Bijagos-Inseln gelten als fast letzter Rückzugsort dieses grauen Papageis mit hornfarbenem Oberschnabel. Wegen Lebensraumverlust und Vogelfang ist die Art auf weiten Teilen des afrikanischen Festlands Westafrikas fast gänzlich verschwunden.
Zu den Grauen von Príncipe
Das Schiff setzt die Afrikaumrundung fort und schaukelt durch den Golf von Guinea, als sich plötzlich vor dem Bugspriet ein grüner Farbklecks zeigt. Bald schält sich im Inselinnern eine von Wolkenfetzen umwaberte nadelartige Bergspitze heraus. Sie ist auf der Karte als Pico de Papagajo eingezeichnet. Und tatsächlich: Schon am goldgelben Strand der Insel Príncipe ist aus den Baumkronen das melodiöse Flöten und Pfeifen von Graupapageien zu hören.
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Príncipe gehört zum kleinen, eigenständigen Staat von São Tomé, die Entfernung zum zentralafrikanischen Gabun beträgt um die 500 Kilometer. Beide Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Das Wappen des Staates zieren ein Falke und ein Graupapagei. Auf der kleinen Insel lebt José Ramos Mario Vital Peres. Er erklärt: «Die Graupapageien kommen nur auf dem schwach bevölkerten, komplett bewaldeten und bergigen Príncipe vor.» Es handle sich um eine Unterart.
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Der Sohn eines Portugiesen und einer Einheimischen besitzt an den Hängen des Pico de Papagajo ein Stück Land. Mit einer Machete schlägt er eine grosse, melonenähnliche Jack-Frucht von einem Stamm, hackt sie in Stücke, um sie in einen Topf mit leicht siedendem Wasser über einem Feuer zu werfen. Dann schweift sein Blick über das Walddach bis weit hinunter zum blauen Meer. Etwas unterhalb fliegen auf einen Ast mit roten, flammenden Blüten zwei Graupapageien. Sie kraulen sich gegenseitig im Nackengefieder. Die Äste vieler Bäume sind von Geweih-, Nestfarnen und Orchideen bewachsen, ein Zeichen von regelmässigen Regengüssen und hoher Luftfeuchtigkeit.
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Auf Príncipe kommen acht Vogelarten vor, die es sonst nirgendwo gibt. Erst im letzten Jahr wurden die Merkmale der Príncipe-Zwergohreule erstmals detailliert in einer wissenschaftlichen zoologischen Publikation beschrieben. Die Art war von einer Beobachtung aus dem Jahr 1928 bekannt, wurde seither aber nicht mehr gesehen. Dank dem ehemaligen Papageienfänger der Insel Príncipe, Ceciliano do Bom Jesus aka Bikegila, wurde sie wieder entdeckt und heisst nun zu seinen Ehren Otus bikegila.
Die Tierwelt der Insel Bioko hat Verbindungen zum Festland, bildet aber auch eigene Arten aus.
Im Golf von Guinea locken weitere Inseln: Annobon und Bioko. Beide gehören zum Staat Äquatorial-Guinea. Während Annobon weit draussen im Golf von Guinea liegt, befindet sich Bioko mit der Staatshauptstadt Malabo vor der Küste Afrikas. Die Insel bildete sich erst vor etwa 10'000 Jahren, als der Wasserspiegel anstieg und sie von der Küste Kameruns abtrennte. Während São Tomé und Príncipe erst seit der Entdeckung durch die Portugiesen besiedelt wurden, scheint Bioko oder Fernando Po, wie die Insel früher genannt wurde, schon früh durch Festlandbewohner erreicht worden zu sein. Auch die Tierwelt hat Verbindungen zum nahen Festland, bildet aber teilweise eigene Arten aus. Wie bei den Drills die Unterat Mandrillus leucophaeus poensis. Die Affenart kommt nur auf Bioko vor.
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Insel der Exklusivitäten
Die britischen Überseegebiete von Ascension und St. Helena lässt das Schiff steuerbord weit draussen im Atlantik liegen und dümpelt der afrikanischen Küste entlang, bis es ins stürmische Wasser am Kap der Guten Hoffnung gerät. Vor der Küste Südafrikas, beispielsweise vor dem Dorf Hout Bay, liegen kleine Felseninseln, die von Südafrikanischen Seebären und Kap-Pelzrobben bevölkert werden. Die Besatzung ist froh, die aufgepeitschte See am Kap zu verlassen, und steuert das Schiff direkt auf Madagaskar zu, den flächenmässig zweitgrössten Inselstaat weltweit.
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Das Schiff legt im Süden der Insel an, wo das Volk der Anthandroy buchstäblich am Rand der Zivilisation lebt. Eine Strahlenschildkröte kriecht über den heissen Sand entlang einer Mauer mit aufgesetzten Zebuhörnern. Ein einsames, im Dornenbusch stehendes Grabmahl, das an den Reichtum des Verstorbenen erinnert. Um die ehemalige französische Sisalplantage von Berenty streifen Kattas mit ihren markanten schwarz-weiss geringelten Schwänzen. Weitere Lemuren oder Halbaffen sind die Sifakas, die am Boden seitlich und vorwärts springen und dabei aussehen, als würden sie tanzen. Vor der Westküste der Insel bei Ifaty muss das Schiff weit draussen vor dem Riff in der Strasse von Mozambik ankern. Ein Ruderbot bringt die Matrosen an Land.
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Wenig hinter dem Strand tut sich ein märchenhafter Wald auf. Nicht nur die Tierwelt Madagaskars ist einmalig, auch die meisten Pflanzen gibt es nur dort. So wie die Pachypodien und Alluaudia. Während Erstere als Madagaskarpalmen aus dem Pflanzenhandel bekannt sind, gedeihen die Alluaudia höchstens in Botanischen Gärten. Beide Arten sind darauf ausgerichtet, der Sonne zu trotzen, und haben dornige Stämme.
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Bei den Alluaudia gedeihen zwischen den Dornen kleine, senkrecht gerichtete Blättchen. So bieten sie der Sonne die geringste Angriffsfläche. Durch den Sand wuselt ein Tanrek. Er sieht einem Igel ähnlich, hat aber nichts mit Igeln zu tun. Ganz im Gegensatz zu diesem wundersamen Trockenwald wuchern auf der Ostseite der Insel in den Regenwäldern von Ranomafana und Andasibe Palmen und der Baum der Reisenden, der viel Wasser speichert und darum so heisst.
Schwarze Papageien auf hellgrünen Palmen
Rund um Madagaskar liegen die französischen Inseln Mayotte und La Réunion. Mayotte ist geographisch Teil des Komoren-Archipels vor der ostafrikanischen Küste, La Réunion liegt weit im Indischen Ozean östlich von Madagaskar. In den Tiefen des Indischen Ozeans um die Komoren lauert der Quastenflosser, ein urtümlicher Fisch. Das Schiff hält allerdings Kurs auf Mauritius, einen eigenen Inselstaat nordöstlich von La Réunion, zu dem auch kleinere Inseln gehören.
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Da Mauritius bereits ab 1505 durch Europäer besiedelt wurde, ist die ursprüngliche Natur weitgehend zerstört. Das hat zum Aussterben nicht nur des Dodo, sondern auch von Riesenschildkröten geführt. Für den Echosittich, den Mauritius-Falken und die Mauritius-Taube war es fünf vor zwölf. Die Arten konnten dank Zuchtprogrammen kurz vor dem Aussterben bewahrt werden. Im Black-River-Nationalpark im Inselinnern stehen die Chancen gut, sie zu beobachten.
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Der selbstständige Staat der Seychellen weiter nördlich wird in 42 Granit- und 73 Koralleninseln aufgeteilt. Das Schiff taucht in azurblaues Wasser, von der Reling sind im sanften Wind wogende Palmen zu sehen. Granitfelsbrocken liegen wie hingeworfene Murmeln auf goldgelbem Strand. Das Ziel: Praslin. Im Inselinnern wuchern die Coco de Mer, die typischen Seychellenpalmen, die nur noch auf dieser kleinen Insel sowie auf der vorgelagerten Insel Curieuse wachsen.
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Im Vallée de Mai bilden sie mit ihren grossen, hellgrünen, schirmartigen Blättern einen Märchenwald. Darin pfeifen und singen die ebenfalls nur auf diesem kleinen Punkt im Meer heimischen Seychellen-Vasapapageien. Sie sind nicht etwa bunt, sondern schwarz wie Krähen. Auf den Inseln rund um Afrika lebt eine besondere Tier- und Pflanzenwelt. Das Boot tuckert nun durch das Rote Meer und den Suez-Kanal zurück ins Mittelmeer.
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