«Über meine Erlebnisse im Kongo möchte ich irgendwann ein Buch schreiben», sagt Marlene Zähner, nippt an ihrem Tee und erzählt aus ihrer Vergangenheit. Die ehemalige Tierärztin sitzt im Restaurant Oase, welches zum «Farmersplace» gehört, einem von ihr geführten Ausbildungszentrum in Kleindöttingen (AG). Verschiedene Kurse rund um Pferde und Hunde finden hier statt.

Zähner selbst unterrichtet in der Anlage Mantrailing – die Personensuche mit Hunden. Dies erlernte sie in den Neunzigern auf professionellem Niveau. Bluthunde sind dafür die prädestinierte Rasse, erklärt sie. «Sie werden seit dem Mittelalter psychisch und physisch auf Ausdauer gezüchtet.»

Das in den Staaten erworbene Wissen nahm sie mit nach Europa, wo die Methode damals noch unbekannt war. Um dies zu ändern, gründete die Tierärztin 1996 die National Bloodhound Association of Switzerland (NBAS). Drei Jahre später folgte die Gründung der Stiftung Certodog, die es sich unter anderem zum Ziel gemacht hat, Menschen, die beruflich mit Hunden zu tun haben, auszubilden. So kam es, dass Zähner ab 1999 Polizisten und deren Hunde im Mantrailing ausbildete. «Bald hatte ich international einen Namen als die Expertin im Mantrailing mit Bluthunden.»

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Zähners Ruf eilte ihr voraus und war der Grund, warum sie überhaupt mit dem Kongo in Berührung kam. Im kriegsgeplagten Land befindet sich der Nationalpark Virunga. Durch seine knapp 8000 Quadratkilometer grosse Fläche und seine Höhenunterschiede ist der Park bekannt für eine vielfältige Flora und Fauna. So ist Virunga Heimat der vom Aussterben bedrohten Berggorillas, von Löwen und Elefanten – aber auch trauriger Schauplatz von politischen Konflikten und Wilderei.

Um die Tiere des Nationalparks zu schützen, beauftragte der Nationalpark-Direktor Emmanuel de Merode 2010 einen Mitarbeiter, eine Bluthunde-Staffel aufzubauen. Dieser hörte sich um, kam bald auf den Namen Marlene Zähner und kontaktierte sie. Doch die Aargauerin empfand das Vorhaben erst als «Blödsinn»: «Ich antwortete, dies sei keine gute Idee. Es brauche Zeit, gute Leute, Unterkünfte, tierärztliche Pflege und so weiter – in der Erwartung, nie wieder etwas davon zu hören.» Doch die begeisterte Antwort folgte nur zwei Tage später. Bald darauf reiste Zähner, in Begleitung von sechs Bluthund-Welpen und einem freien Mitarbeiter des Nationalparks, in eines der ärmsten Länder der Welt.

Gefährliche Einsätze

Stundenlanges Warten am Zoll, abendliche Ankunft im Kongo und ein Auto-Konvoi mit Kalaschnikows auf den Vordersitzen, um die Ankömmlinge mitsamt Hunden in das Hauptquartier des Virunga-Nationalparks zu bringen: Ihre ersten Eindrücke des Kongos bezeichnet Marlene Zähner rückblickend als «abenteuerlich».

Anpassungsfähig wie Bluthunde sind, hätten die sechs Welpen die Reise gut überstanden. Um ihnen dennoch die Chance zu geben, sich zu akklimatisieren, zeigte Zähner den Rangern des Nationalparks, wie man die Vierbeiner versorgt. Sie selbst blieb vorerst eine Woche im Kongo, kehrte aber bereits zwei Monate später mit einem Bekannten zurück, um die Ranger im Mantrailing zu Hundeführern auszubilden.

Zahlreiche weitere Aufenthalte folgten. «In den ersten Jahren bin ich alle sechs Wochen in den Kongo gereist, um die Ausbildung fortzusetzen.» Zudem holte sie die Ranger auch in die Schweiz, um ihnen ihre Arbeit hier zu zeigen. Ein Problem, als weisse Frau von den männlichen Hundeführern ernst genommen zu werden, habe sie nie gehabt. «Im Gegenteil: Sie haben mich respektiert und geschätzt.» Auch von der Schweiz aus steht sie in täglichem Kontakt mit dem Leiter der Hundestaffel. Den Hunden gehe es gut, erzählt sie. «Sie sterben einfach aus Altersgründen.»

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Eigentlich hätte sie 2020 erneut Welpen in den Kongo bringen wollen, doch dieses Vorhaben wurde durch die Pandemie vereitelt. Aktuell verunmöglichen bewaffnete Konflikte eine Einreise. «Eigentlich herrscht dort seit fast 40 Jahren ununterbrochen Krieg», erklärt die Tierärztin. Involviert sind verschiedene Milizgruppen, wie die berüchtigte M23, meistens aus dem Ausland gesteuert. Der Osten Kongos lockt mit zahlreichen Bodenschätzen wie Öl, Diamanten oder Coltan. Die Gewaltbereitschaft ist hoch, die Korruption extrem und die Armut weit verbreitet. «Gesetze existieren nur pro forma», erzählt Zähner. «Je ärmer die Bevölkerung, desto mehr sind sie nur damit beschäftigt, den Tag zu überleben.»

Kriminalität sei dabei oft die einzige Wahl, die den Menschen bleibt. «Es gibt zwei verschiedene Arten von Wilderei: Einerseits der Familienvater, welcher versucht, seine Familie zu ernähren. Andererseits das organisierte, meistens aus dem Ausland gesteuerte Verbrechen.» Die Bluthunde seien eine neue Erkenntnis für die Menschen gewesen. «Plötzlich war es möglich, Wilderer zu verfolgen und auch zu finden.» Was aber auch Gefahren birgt: Immer wieder verlieren Ranger des Nationalparks Virunga ihr Leben – einige davon hat Zähner gekannt. Selbst geriet sie mit einer Gruppe einmal zwei Tage lang zwischen die Fronten und behandelte Kriegsverletzte. Heute sagt sie: «Ich habe Krieg erlebt – in jeder Form.»

Preisgekröntes Engagement

Die kriegsbedingte Standby-Phase des Congohound-Projekts tut dem Engagement von Marlene Zähner im Kongo keinen Abbruch. Im Gegenteil: Mit ihrer 2014 gegründeten Stiftung DodoBahati unterstützt sie weitere Arten- und Naturschutzprojekte, setzt aber auch auf soziales Engagement. «Wenn wir etwas verändern wollen, dann müssen wir den Kindern eine Chance geben.» Ausbildung sei in diesem Land ein absolutes Privileg.

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Durch die Stiftung entstand bereits ein Kindergarten; ein Waisenhaus ist in Planung. Gemeinsam mit kongolesischen Frauen setzt sich Zähner auch dafür ein, Kinder in die Schule zu schicken und ihnen anschliessend eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Ihr Engagement im Kongo ist auch in der Schweiz auf grosses Interesse gestossen. 2013 wurde die Aargauerin von der Fondation Yves Rocher mit dem Umweltpreis «Trophée de femmes» geehrt, 2019 im Dokumentarfilm «Die Frau mit den Bluthunden» porträtiert.

Wie Zähner die Balance zwischen ihren unterschiedlichen Projekten findet, sei ihr oft selbst nicht klar. Was sie mit Mantrailing-Kursen verdient, fliesst zurück in die Stiftung DodoBahati. Ferien sind eine Seltenheit, Ausgleich findet sie auf dem Rücken ihrer Pferde oder beim Spazieren mit ihren Hunden. Langweilig wird es der Aargauerin nicht, irgendwann möchte sie aber altersbedingt etwas abbauen.

«Es wäre schön, Leute zu finden, die bei meinen Projekten mitmachen.» Einen Kulturschock habe ihr der Kongo nie verschafft, sagt Zähner. «Das war eher, als ich das erste Mal aus dem Kongo wieder zurück nach Europa geflogen bin. Wegen der ganzen Dekadenz, die uns hier umgibt. Verglichen mit dem Kongo leben wir in einer heilen Welt.»