Wanderer machen gerne einmal Bekanntschaft mit Kuhfladen, wenn sie über eine Alpweide laufen und dabei umherhüpfend versuchen, den grossen und stinkenden «Alpentorten» auszuweichen. Sind sie dazu im Frühling oder Herbst unterwegs, müssen sie sich zu allem Übel auch noch über unzählige gelbliche Fliegen ärgern, die beim Zunahekommen wie wild vom Fladen davonfliegen. Dabei ist die Gelbe Dungfliege nur eine von etwa 150 Insektenarten, die auf und im Dung einen Lebensraum, eine Kinderstube oder Jagdgründe finden.

Ökosystem eines Kuhfladens

Die Besiedelung eines frischen Kuhfladens beginnt innerhalb von Sekunden. Dungfliegen, Schmeiss- und Stubenfliegen legen ihre Eier in dem noch weichen Kot ab. Ist die Oberfläche des Fladens angetrocknet, finden vor allem Käfer den Haufen höchst interessant und fangen an, ihre Gänge darin zu graben. Asseln, Tausendfüsser, Springschwänze, Milben und Regenwürmer helfen von unten dabei, den Fladen zu zersetzen. Nach wenigen Wochen ist nicht mehr viel übrig von der Kuhausscheidung, der Kreislauf hat sich geschlossen. Sogenannte koprophage Insekten, also Tiere, die sich von Kot ernähren, sorgen dafür, dass Weiden aufgeräumt bleiben. Zu ihnen gehören beispielsweise die Mist- und Dungkäfer, die sich evolutionär an diese spezielle Nische angepasst haben.

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So ein Kuhfladen ist eine feine Sache, denn er ernährt direkt und indirekt viele Tierarten. Eine Kuh kann bei guter Ernährung bis zu zehn Tonnen Dung im Jahr produzieren. Etwa 100 Kilogramm Insekten können davon leben. Sie wiederum bilden die Nahrungsgrundlage für zehn Kilogramm Wirbeltiere wie Vögel, Eidechsen, Igel oder Fledermäuse. Doch das Mikro-Ökosystem ist gefährdet. Neben der Stallhaltung von Nutztieren stellen Entwurmungsmittel eine potenzielle Gefahr für die kleinen Lebewesen dar.

Im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Zürich untersuchte der Biologe Ralf Jochmann 2011 den Einfluss des Antiparasitikums Ivermectin, das in der Schweiz häufig zur Bekämpfung von Parasiten bei Nutztieren eingesetzt wird, auf die Dungfauna. Sein Resultat: Mit Ivermectin behandelte Kuhfladen wiesen weniger Insektenarten und eine weniger diverse Fauna auf. Es lohnt sich also, dieses vielfältige Ökosystem zu schützen und sich beim Wandern, statt zu ärgern, an den vielen kleinen Nützlingen zu erfreuen.

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