Auf den Spuren des roten Goldes
Safrananbau in Mund im Wallis
In Mund blüht im Oktober und November eine besondere Krokusart. Auf den kleinen Äckern hoch über dem Rhonetal wird seit dem 14. Jahrhundert Safran geerntet. Heute kümmert sich die Safranzunft um das rote Gold des Wallis.
Nichts deutet darauf hin, dass sich die Äcker des Walliser Dorfes Mund schon bald in blühende Felder verwandeln werden. Ein kalter Wind vermischt mit Regen peitscht Anfang September an der Talflanke entlang. Weit unten liegt Brig.
«Das hier sind die alten Anbauflächen für Safran», erklärt German Jossen und zeigt auf kleine Äcker unter ihm. Er könne sich gut daran erinnern, wie seine Grosseltern hier bereits Safran angebaut hätten. «Mein Grossvater trug die mit Safranblüten gefüllte Tschiffra nach Hause.» Dort habe man dann am selben Abend in mühsamer Kleinarbeit die Narben aus den Blüten gezogen und sie zum Trocknen ausgelegt. Als Zwölfjähriger habe er seinem Vater bei der Ernte geholfen. «Als Kind schätzte ich allerdings Safran kaum.» Das ist heute ganz anders. German Jossen kümmert sich ehrenamtlich während seiner Freizeit um Safran. «Er ist mein Haupthobby», sagt er und schmunzelt. Jossen ist nicht nur nebenamtlicher Safranbauer, sondern auch Meister der Safranzunft. «Wir wollen den Safrananbau in Mund erhalten und bekannt machen», sagt der 67-Jährige. Als sein Grossvater mit der Tschiffra, dem Rückentragkorb, vom Feld ins Dorf Mund mit den kleinen, dunklen Holzhäusern zurückging, führte noch keine Strasse vom Tal ins Dorf hinauf. Erst 1977 wurde sie gebaut. «Dem Strassenbau fielen viele Safranäcker zum Opfer», erzählt der in Mund aufgewachsene German Jossen.
«Man kann nie im Voraus sagen, wann der Safran blüht.»
German Jossen Safranzunftmeister, Mund (VS)
Der Safrananbau sei damals in Vergessenheit geraten. Das habe die Munder aufgerüttelt. Sie wollten, dass er bestehen bleibe. Das war die Geburtsstunde der Munder Safranzunft. Safran sei immer nur nebenbei angebaut worden. «Meine Grosseltern hatten als Kleinbauern Äcker mit Kartoffeln, Winterroggen und Safran», erinnert sich German Jossen. Heute sei der Safrananbau reines Hobby einiger Liebhaber. «Wenn ich auf meinen 250 Quadratmetern 200 bis 500 Blüten an einem Tag ernte, bin ich glücklich», sagt German Jossen. Zwei bis zweieinhalb Kilo würden jährlich gesamthaft in Mund geerntet. Um ein Gramm des Safrangewürzes zu gewinnen, brauche es zwischen 130 und 160 Blüten. Der meiste Safran weltweit stamme aus Iran, das sei das Hauptanbaugebiet, sagt der Safranliebhaber Jossen.
Safran als Handelsgut
Es sei ein Mysterium, wie der Safran nach Mund gekommen sei, sagt der Safranzunftmeister. Die Verwendung von Safran als Gewürz ist seit der Antike belegt. Auf Fresken der minoischen Kultur wurden bereits Safransammlerinnen auf Santorin in der Ägäis dargestellt. Die Fresken werden auf das16. Jahrhundert vor Christus datiert. Safran sei eine Kulturpflanze, sagt German Jossen. Die Stammform Crocus cartwrightianus wird im Ägäisraum verortet. Das Wallis wird seit vorchristlicher Zeit besiedelt, alte Handelswege führten über die Pässe und entlang den Flanken des versumpften Rhonetals. Vermutlich gelangten Safranknollen über diesen Weg ins Gebiet, durch Pilger, Söldner oder Handelsreisende. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, stand doch die Ausfuhr der exklusiven Safranpflanze Crocus sativus damals in vielen Ländern unter Todesstrafe.
«Safran wurde einst an verschiedenen Orten im Wallis angepflanzt, doch er hat nur in Mund überlebt», sagt German Jossen. Er weist darauf hin, dass er heute wieder im Unterwallis und in anderen Kantonen angebaut werde. «Ich vermute, dass in Mund die Voraussetzungen für Safran besonders gut sind. Darum haben die Pflanzen hier überlebt.» Er habe ein Dokument eines Pragers gelesen, der schrieb: Je höher der Safran wachse, desto inhaltsreicher sei er. «In Iran wird Safran auf ähnlicher Höhe angebaut, wie unser Dorf liegt», sagt German Jossen. Also auf ungefähr 1188 Metern über dem Meeresspiegel.
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Der Safranzunftmeister gibt zu, dass sich um Safran viele Mysterien und Geschichten ranken würden. Auch beim Anbau schwöre jeder auf andere Methoden. Er selbst trage im Januar und Februar Kuhmist auf den Acker aus. Zudem jäte er im Winter Unkraut von Hand. «Mitte Mai habe ich alle Knollen herausgenommen», sagt der Safranbauer, wendet aber ein, dass viele die Knollen im Erdreich liessen. Er habe die Zwiebeln kühl und dunkel aufbewahrt und im August wieder gesetzt. Es sei richtig, junge von alten Knollen abzutrennen.
Früher sei Safran auf Roggenfeldern gediehen. Das Getreide sei im Juli gedrescht worden, die Safranknollen schlummerten weiter unten in der Erde. Heute würde auf den meisten Safranfeldern kein Roggen mehr angebaut, darum sei es nicht notwendig, dass die Knollen so tief lägen. «Im August wird der Acker umgehauen», führt German Jossen weiter aus. Bei der Haue handelt es sich um ein Werkzeug, das eine ähnliche Funktion wie eine Stechschaufel erfüllt. «Man muss die richtige Technik haben, einen Schwung, dann geht es recht einfach», sagt Jossen. Manche würden nach dem Umhauen des Ackers jäten und rechen, andere liessen die Schollen so liegen.
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Explosion der Blüten
Dann kommt der grosse Moment: «Ende September und im Oktober stosst der Safran. Man kann nie im Voraus sagen, wann genau», sagt German Jossen. Zuerst würden grüne Blätter, ähnlich wie Schnittlauch, spriessen. «Dann geht es rasch, plötzlich ist die Blume da.» Aus einer Knolle würden mehrere Blumen spriessen. «Werden sie gepflückt, sind anderntags schon wieder neue da. Es ist wie eine Explosion in Wellenbewegungen.» German Jossen sorgt sich: «Der nasse und kühle Frühling war sehr schlecht für den Safran. Ich hoffe, dass es trotzdem eine gute Ernte gibt.» Safran braucht die meiste Zeit über trockene Bedingungen. Im Sommer, wenn die Knolle ruht, sollte der Boden nicht nass sein. «Oh, eine Knolle, ich muss sie schnell in den Boden stecken, sagt German Jossen am Rand eines kleinen Ackers. Er bückt sich, drückt die Knolle ins Erdreich und blickt über die verschiedenen Äcker. Er erklärt: «Manche schneiden das Gras kurz, Safran gedeiht durch das Grün hindurch, andere wiederum unterhalten Äcker nur für den Safran.» Safran ist aus botanischer Sicht ein Knollen- und kein Zwiebelgewächs.
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Jetzt im Oktober dreht sich in Mund alles um Safran. German Jossen hat das einzige verbliebene Restaurant im Dorf geöffnet. «Wenn Besucher kommen, sollen sie hier die Möglichkeit haben, einzukehren», sagt er. Er hat für diese Zeit einen Koch engagiert, der spezielle Gerichte mit Safran kredenzt.
Dem Safrangewürz werden Wirkkräfte zugeschrieben. Das Wichtigste streicht der Safranpapst German Jossen gleich heraus: «Safran macht lustig und locker.» Safran sei auch gut für die Verdauung. «Ein Fondue mit Safran liegt weniger auf», bestätigt er. Überliefert ist auch, dass Safran als Antidepressivum wirkt. «Wenn die etwa 180 Mitglieder der Safranzunft an der Generalversammlung am zweiten Sonntag im November zusammenkommen, wird es jedenfalls immer lustig», sagt der Safranzunftmeister von Mund.
Safran in MundNach Mund (VS) führt von Brig aus die Postautolinie 623. Vis-à-vis der Postautoendstation «Mund, Dorf» befindet sich eine Tafel zum Safran. Hier ist der Ausgangspunkt des Safranwegs. Der zwei bis drei Kilometer lange Weg führt mit Steigungen und Gefälle entlang der Felder während einer Stunde gemütlicher Wanderung zu verschiedenen Stationen mit Tafeln. Es ist auch möglich, Führungen zu buchen. Während der Erntezeit des Safrans im Oktober ist das Safranmuseum bei der Kirche geöffnet. Im Dorf gibt es weiter ein Museum zur Alpwirtschaft, zum alten Wohnen und zu einer historischen Obstpresse. Das Restaurant Safran ist nur während der Erntezeit geöffnet. Im kleinen Geschäft unterhalb werden Safranspezialitäten verkauft. Safranbrot ist nur auf Bestellung erhältlich. Führungen und Auskünfte über:
safranzunft-mund.ch
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