Impfstoff für Zoovögel
Wie Zoovögel gegen die Vogelgrippe geschützt werden
Die Vogelgrippe bedroht auch Zoobestände. Eine durch den Tierpark Bern, den Basler Zoo und das Institut für Virologie entwickelte Impfung verspricht Schutz vor den Viren. Die Hoffnung liegt auf einem Hersteller, der den Impfstoff kommerziell produziert.
Die Rosa Flamingos schnattern im seichten Wasser. Es scheint, als seien sich die majestätischen Vögel vor dem Vivarium des Tierparks Bern bewusst, dass es auch um sie geht. Am11. Februar orientierten Verantwortliche des Tierparks Bern, des Zoos Basel und des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) aus Mittelhäusern (BE) vor dem Flamingoteich über einen hoffnungsvollen Impfstoff, der Zoovögel vor der Vogelgrippe schützt. «Zoosforschen nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Institutionen wie dem IVI», sagte die Tierparkdirektorin Dr. Friederike von Houwald.
Vor zwei Jahren erlagen im Tierpark Bern zwei wilde Graureiher und ein Krauskopfpelikan der Vogelgrippe. Der Zootierarzt Dr. Stefan Hoby blickte zurück und sage: «Es handelt sich um eine anzeigepflichtige Krankheit. Wir mussten alle Gehegevögel auf behördliche Anordnung hin einstallen.» Während sechs Monaten seien sie in Innengehegen eingepfercht gewesen. Das sei der Tiergesundheit sehr abträglich. «Wir halten artengeschützte Vögel. Es lag also einerseits aus Tierschutz-, andererseits auch aus Artenschutzgründen auf der Hand, dass wir nach Lösungen suchten.»
2023 wurde darum ein wissenschaftliches Impfprojekt als Versuch gestartet. Im IVI wurde bereits vor mehr als zehn Jahren ein Impfstoff gegen Vogelgrippe entwickelt, der an Hühnern getestet wurde. Würde er auch andere Arten schützen? Er wurde in Zusammenarbeit mit dem Tierpark Bern und dem Basler Zoo adaptiert. Bisher seien 24 Vogelarten geimpft worden, vom Uhu über das Auerhuhn bis zum Brillenpinguin. Mit Erfolg informierten die Tierärzte beider Zoos.
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Um den Impfstoff herzustellen, wurde die genetische Information für ein wichtiges Oberflächenantigen des H5N1-Vogelgrippevirus in ein harmloses Trägervirus eingebaut und gleichzeitig ein essenzielles Gen des Vektors entfernt. «Das garantiert eine hohe Sicherheit, denn das Virus kann sich so nicht vermehren und sich auch nicht verändern», sagte Dr. Gert Zimmer, Biologe und Virologe am IVI. Ein Vektor ist ein Organismus, der einen Erreger transportiert. Die geimpften Vögel seien nicht nur nicht erkrankt, sie hätten das Virus auch nicht ausgeschieden. «Geimpfte konnten also problemlos mit ungeimpften zusammengehalten werden», erklärt der Virologe weiter.
Hoffnung auf Zulassung und Herstellung
Der Tierarzt des Basler Zoos, Dr. Christian Wenker, erklärte, dass die Impfung mit einer Spritze in den Muskel eines Vogels erfolgt sei. «Wir haben Flamingos, die mehr als 70 Jahre alt sind. Wir hängen an diesen Tieren und wollen sie schützen», doppelte er nach. Wie lange die Impfung wirke, sei noch nicht bekannt. Die bisherigen Resultate zeigten, dass die Impfung bei allen24 Vogelarten zur Produktion schützender, neutralisierender Antikörper geführt habe. Auch nach einem Jahr, hätten die Vögel noch Antikörper im Blut. «Wir denken aber, dass ein Booster nötig wird», meinte Christian Wenker. Die Flamingos beispielsweise müssten so oder so einmal jährlich eingefangen werden, um die Schwingen zu beschneiden, da könnten sie auch gleich noch geimpft werden.
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Der Virologe Gert Zimmer erklärte, dass sich die Vogelgrippeviren stetig veränderten, anscheinend aber nicht ganz so schnell wie humane Influenzaviren. «Wir haben unseren Impfstoff auch gegen H5N1-Vogelgrippeviren getestet, die vor 20 Jahren in Europa zirkulierten, und konnten zeigen, dass die durch den Impfstoff induzierten Antikörper auch gegen diese Viren wirksam waren, wenn auch nicht so gut wie gegen die jetzt zirkulierenden.» Gert Zimmer denkt, dass eine Anpassung nicht jedes Jahr nötig wäre, nicht so wie bei humanen Influenzaviren. Er spricht von einer Anpassungszeit von eher alle zehn Jahre. «Das ist sicher auch ein Vorteil von Vektorimpfstoffen gegenüber inaktivierten Influenzaimpfstoffen. Sie wirken nicht nur besser, sondern decken auch ein breiteres Spektrum an Virusvarianten ab.» Nach seiner Kenntnis gebe es derzeit kein anderes Projekt in Europa, bei dem Zoovögel mit einem derartigen Impfstoff geimpft wurden.
Auch wenn einige Vögel im Tierpark Bern und im Zoo Basel geimpft wurden, ist der durch das Institut für Virologie und Immunologie hergestellte Impfstoff nicht für eine generelle Anwendung vorhanden. «Nun bedarf es eines Unternehmens, das den Impfstoff in grösseren Mengen kommerziell produziert», sagte Gert Zimmer. Bis er offiziell zugelassen und erhältlich sei, sodass er auch von Zoos im europäischen Raum verwendet werden könne, dauere es mindestens zwei Jahre. Für Zoos stellt die Impfung einerseits eine Hoffnung dar, dass geimpfte Vogelbestände in Aussenhaltung bei Ausbruch der Vogelgrippe nicht mehr eingestallt werden müssen, andererseits würde die Impfung einen Schutz von artengeschützten Tieren bedeuten.
FaktenDie Tierseuche hat ihren Ursprung nicht bei Wildvögeln, sondern in der Massenhaltung von Geflügel, wo Tausende von Tieren auf engstem Raum gehalten werden. Das Virus sprang auf Wildvögel über, die teilweise migrieren und es so verbreiten. In der Schweiz wurde das Virus bisher bei zwölf Vogelarten festgestellt. Stark betroffen waren Lachmöwen. In diesem Jahr ist die Vogelgrippe in der Schweiz gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) erstmals am 9. Januar im Kanton Bern am Bielersee bei einem toten Schwan nachgewiesen worden.
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