Welche Eulenarten pflegen Sie gesund?

Der Waldkauz ist die häufigste Art, mit der wir zu tun haben. Manchmal erhalten wir junge Uhus aus der Stadt Schaffhausen. Einmal erhielten wir einen Sperlingskauz, der in Uster in eine Scheibe flog. Wir konnten ihn nach eineinhalb Wochen wieder freilassen. Zwei Sumpfohreulen konnten wir gesund pflegen, die auf dem Durchzug verunfallt waren.

Wie viele Eulen konnten Sie retten und freilassen?

Im Durchschnitt pro Jahr immer zwischen 50 und 60. 2019 lag die Zahl mit 80 über dem Schnitt, in diesem Jahr hatten wir weniger als 40 Pflegefälle. Das hängt auch immer vom Mäusevorkommen ab.

Wie meinen Sie das?

Das Männchen muss dem Weibchen während der Frühjahrsbalz Mäuse offerieren. An der Anzahl an Mäusen, die das Männchen beschafft, wertet das Weibchen, ob es ein guter Jäger ist oder nicht. Das Weibchen kommt erst durch die zusätzlichen Mäuse, die es durch das Männchen erhält, in Brutstimmung. Bringt ein Männchen also in einem schlechten Mäusejahr kaum Mäuse, kann es sein, dass das Weibchen gar keine Eier legt.

Zur Person
Andi Lischkes Herz schlägt seit seiner Kindheit für Vögel. Er stammt aus dem Saarland in Deutschland. Dort unterhielt der 60-Jährige aussergewöhnlich grosse Volieren zur Haltung und Zucht von einheimischen Vögeln. Seit 2010 leitet er die Greifvogelstation in Berg am Irchel. Dank seiner riesigen Erfahrung in der Vogelpflege werden zahlreiche Eulen- und Greifvogelarten wieder gesund gepflegt.

Wie verunfallen Eulen?

Am häufigsten verunfallen Waldkäuze. Sie leben in der Nähe des Menschen. Oft erhalten wir Vögel, die mit Autos kollidiert oder in Zäunen und Rebnetzen hängen geblieben sind. Anfangs Winter setzen sie sich gerne auf Kamine, weil es da wärmer ist. Wegen der austretenden Kohlenmonoxide fallen manche betäubt in die Kamine. Meistens überleben sie das und sitzen dann im Unterrohr fest. Sobald sie erwachen, machen sie Rabatz. Die Leute bringen sie dann komplett verrusst zu uns. Junge Waldkäuze verlassen natürlicherweise sehr früh das Nest, weil ihre Bruthöhlen viel zu klein sind. Sie haben scharfe Krallen und klettern darum innen am Stamm empor. Die Jungen sitzen dann in den Bäumen und Sträuchern, manche auch am Boden. Das ist ein natürliches Verhalten. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass sie Spaziergänger mitnehmen und zu uns bringen, anstatt sie am Ort zu belassen. Waldohreulen leben in offenen Landschaften. Meist erhalten wir Vögel, die mit Fahrzeugen zusammengeprallt sind oder sich in Zäunen verfangen haben.

Was machen Sie mit einer verletzten Eule?

Verrusste Eulen werden gewaschen und aufgefuttert, da sie im Kamin meist lange gehungert haben, bis sie dann entdeckt werden. Sobald sie sich putzen und auch wieder fliegen können, werden sie freigelassen. Bei Traumaunfällen muss die Schwellung abklingen. Wir verabreichen zuerst ein entzündungshemmendes Schmerzmittel. Wenn nichts gebrochen ist, braucht die Eule Ruhe und Erholung.

Wo bringen Sie die Eulen unter?

Wir haben Volieren mit geschlossenen Wänden. Die Tiere sehen uns nur kurz beim Füttern. Sobald bei Jungen die Augen offen sind, können sie selbst Futter aufnehmen. Wir legen das Futter lediglich vor sie hin, denn sie sollen nicht zutraulich werden.

Und wenn etwas gebrochen ist?

Wir bringen Tieren mit Frakturen ins Tierspital Zürich. Ein Bruch wird dort geschient oder operiert. Wenn die Tierärztin sagt, dass die Eule eine Chance hat, dann bringen wir sie meist durch, sodass sie ausgewildert werden kann. Oft entscheidet sich das am ersten Tag.

Was, wenn eine Eule nie wieder fliegen kann?

Dann wird sie eingeschläfert. Es wäre falsch verstandene Tierliebe, sie zeitlebens in der Voliere zu halten. Dies ist auch gesetzlich geregelt. Man darf ein Wildtier nicht der Natur entnehmen und halten. Wir haben eine Genehmigung der Jagdverwaltung und des kantonalen Veterinäramts, verletzte Eulen gesund zu pflegen und wieder in die Natur zurückzuführen, nicht aber, sie permanent zu halten.

Wie wildern sie genesene Tiere aus?

Die kleineren Arten lassen wir in unserer Umgebung wieder in die Natur, wenn wir beobachten, dass sie wieder perfekt fliegen. Wir setzen die Tiere mittags in einen Kasten, der verschlossen bleibt. Vor der Dämmerung aber öffnen wir ihn. Die Eulen können dann, wie in der Natur, bei Dunkelheit den Kasten verlassen.

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Warum lassen Sie sie nicht einfach fliegen?

Sie würden dann schnell aus Angst vor uns davon-fliegen. Menschen bedeuten Stress für diese Wildtiere. Sie merken bis zum Ende nicht, dass wir ihnen helfen wollen. Singvögel, die tagsüber eine Eule erblicken, zetern und warnen. Dadurch werden Krähen auf die Eulen aufmerksam und attackieren sie. Unsere Aus-wilderungsmethode aber entspricht dem natürlichen Ablauf der Eule. Sie verlässt den Kasten dann, wenn sie will, also wenn es dunkel ist.

Wie geht es dem Uhu in der Schweiz?

Die Art geht stark zurück, nun sogar im Kanton Graubünden, wo eigentlich noch genügend Lebensraum vorhanden ist. Eigenartigerweise findet derzeit im Jura eine Neubesiedlung statt. Eine Theorie besagt, dass die Uhus dort aus Deutschland einwandern. Der Uhu hat einen flachen Jagdflug. Das führt zu Kollisionen mit Zäunen, Zügen und Fahrzeugen. Die meisten Uhus prallen mit Fahrzeugen auf der Strasse zusammen. Wenn ein Paar ein gutes Revier hat, wie beispielsweise ein alter Steinbruch, dann bleibt es dem Standort treu. Die Jungen ziehen weg.

Ist die Zucht und Auswilderung von Eulen sinnvoll?

Wenn ein Projekt seriös betrieben und wissenschaftlich begleitet wird, durchaus. Grundbedingung ist, dass der Lebensraum vorhanden ist. Jede Art hat ein spezielles Ansiedlungsverhalten. Richtig ist, Jungtiere an den entsprechenden Ort zu bringen. Wir züchten beispielsweise Habichtskäuze für das Projekt im Wienerwald in Österreich und haben bisher bereits 17 Tiere ausgewildert. Wenn die jungen Käuze 80 Tage alt sind, transportieren wir sie nach Österreich. Dort werden sie in eine Waldvoliere gesetzt, ohne dass sie den Menschen sehen. Als erwachsene Eulen werden sie schliesslich freigelassen. Ideal ist eine Zucht dort, wo man die Tiere auch freilässt. Ich bin überzeugt, dass beispielsweise auch der Steinkauz in der Schweiz durch Zucht wieder angesiedelt werden könnte. In Deutschland funktioniert das.

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