Krebspest und Lebensraumverlust
Flusskrebse in Bedrängnis
Kaum jemand sieht sie. Ihr Verschwinden vollzieht sich darum unbemerkt. Die vier einheimischen Flusskrebsarten werden von eingeführten Flusskrebsen verdrängt. Die Invasiven vermehren sich auch im Lac de Joux im Jura – und krabbeln in den Reusen eines Fischers.
Was, es gibt Krebse hier! Das war die erstaunte Reaktion vieler Passanten, als Raphael Krieg an der Birsig Signalkrebse fing. «Manche hatten nachher gar Angst um ihren Hund», erzählt der Umweltingenieur und lacht. Krebse und die Schweiz werden kaum miteinander in Verbindung gebracht.
Dabei sind hier vier Arten heimisch, weitere vier Arten sind eingeführt worden. Zu Letzteren gehört auch der Signalkrebs, den Raphael Krieg damals im Auftrag des Kantons Basel-Landschaft im Flüsschen Birsig fing, das durch das schweizerisch-französische Grenzgebiet fliesst und in Basel in den Rhein mündet. Er arbeitet für die Koordinationsstelle Flusskrebse Schweiz (KFKS), die bei der Fachhoch-schule Nordwestschweiz in Muttenz BL angesiedelt ist.
Mit Krebsen ist Raphael Krieg schon seit seiner Kindheit verbunden. Er erinnert sich: «In einem Aquarienbuch habe ich einen Hinweis auf einheimische Krebsarten gefunden.» Das habe ihn fasziniert. Im Studium schrieb er eine Semesterarbeit zum Thema Stein-krebse im Kanton St. Gallen. «Damals vertiefte ich mich erstmals in diese Artengruppe.» Er stellte fest, dass einheimische Krebsarten zunehmend verschwinden. Heute arbeitet er für deren Schutz. «Die KFKS führt verschiedene nationale Forschungsprojekte durch», sagt Krieg.
Die seit 2014 bestehende Koordinationsstelle werde über das Bundesamt für Umwelt finanziert und berät die kantonalen Behörden beim Flusskrebsmanagement. Die vier Schweizer Flusskrebsarten, der Edel-, Dohlen-, Italienische Dohlen- und der Steinkrebs, sind in Bedrängnis. Die Krebspest ist unter anderem ein Problem. «Es ist nicht möglich, diese Seuche endgültig zu bekämpfen», sagt Raphael Krieg. Es gehe darum, zu verhindern, dass sie sich weiter ausbreite. Die Krebspest wurde durch nordamerikanische Flusskrebsarten nach Europa gebracht. Diese sind resistent gegen den Erreger der Krankheit, weil sie durch Koevolution entsprechende Abwehrmechanismen entwickelt haben. Europäische Arten aber verenden daran.
Krebspest und Lebensraumverlust
Bisher setzten sich hier vier ausländische Krebsarten fest und breiten sich aus. Der Galizische Sumpfkrebs ist der einzige Europäer darunter und erliegt der Krebspest darum ebenfalls. Der Signal-, Kamber- und der Rote Amerikanische Sumpfkrebs stammen aus Nordamerika. Sie brachten nicht nur die Krebspest, sondern verhalten sich auch dominanter und stellen weniger grosse Ansprüche an die Wasserqualität.Ursprünglich wurden die ausländischen Arten ein-geführt – der Kamberkrebs bereits um 1890 –, um die selten gewordenen einheimischen Flusskrebsbestände zu ersetzen. Der Edelkrebs beispielsweise, die grösste heimische Flusskrebsart, galt einst als Delikatesse und wurde in grossen Mengen gefangen.
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In Bedrängnis bringt die einheimischen Flusskrebsarten auch der Lebensraumverlust. Sedimenteintrag im Wasser und Gewässerverschmutzung sind zusätzliche Probleme. Flusskrebse gehören, wie die Insekten, zu den Wirbellosen und sind darum empfindlich auf Insektizide aus Siedlungen und der Landwirtschaft, die über Drainagen oder die Luft ins Wasser verfrachtet werden. Gerade im Sommer, wenn das Wasser knapp werde, leide die Wasserqualität, sagt Krieg.«Die Abwasserreinigungsanlagen beseitigen nur einen Teil der unerwünschten Stoffe unseres Schmutzwassers, und bei geringem Wasserstand werden die gereinigten Abwässer weniger stark verdünnt.»
Krieg streicht heraus, dass die Krebspest durch Sporen im Wasser übertragen werde. Er sagt: «Darum ist es wichtig, dass Stiefel und Baumaschinen, die oft bei Renaturierungen zum Einsatz kommen, abtrocknen oder desinfiziert werden, bevor sie in einem anderen Gewässer verwendet werden.» Grundsätzlich seien Renaturierungen von Gewässern gut, aber auf die Flusskrebse sollte Rücksicht genommen werden. «Es ist besser, nur etappenweise zu renaturieren, sodass sich Flusskrebse im neu gestalteten Flussabschnitt wieder ansiedeln können.»
Mit dem Lebensraum ist es so eine Sache. Die Bezeichnung Flusskrebse ist irreführend. Sie mögen grundsätzlich beschattete Gewässer und tiefe Stellen im Bach, wo es kühler und die Strömung weniger stark ist. Edel- und Dohlenkrebse leben allerdings auch in Seen. «Edelkrebse bevorzugen Stehgewässer, wo es mehr Nährstoffe hat und etwas wärmer ist», sagt Raphael Krieg. Dohlenkrebse bewegten sich meist in Gebieten dazwischen. Der Steinkrebs sei eigentlich ein typischer Bewohner von Quellregionen, also von Bächen. Doch auch er lebte früher im Ägerisee ZG. Ein weiteres Problem für die Schweizer Flusskrebse sind heisse Sommer. Wenn das Wasser zu warm wird, verringert sich der Sauerstoffgehalt.
Immer mehr kommt es auch vor, dass Bäche ganz trocken fallen. Dem Amerikanischen Sumpfkrebs macht das nichts aus. «Er stellt an seinen Lebensraum kaum Ansprüche, kommt sogar in feuchten Wiesen und Sümpfen zurecht und vergräbt sich bei Trockenheit in tiefe Wohnröhren, wo er lange überdauern kann»,erklärt Raphael Krieg.
An Land und im Wasser
Die arg dezimierten einheimischen Flusskrebsarten hinterlassen Nischen, die durch die ausländischen Arten besetzt werden. Wieso soll das problematisch sein? Raphael Krieg erläutert: «Die invasiven Flusskrebsarten haben mehr Junge und sind aggressiver.» Das Problem sei, dass sie, je nach Lebensraum, eine viel höhere Populationsdichte erreichen und dabei stärker mit Forellen und Groppen konkurrieren würden. «Sie bringen das Ökosystem durcheinander, dadurch sinkt die Artenvielfalt und somit die Widerstandskraft des Gewässers gegenüber sich ändernden Umweltbedingungen.» Fischer würden berichten, dass dort, wo sich der Rote Amerikanische Sumpfkrebs ausbreite, der Fischbestand abnehme.
Auch Wasserpflanzen können stark durch die eingeführten Krebse beeinträchtigt werden. «Forellen, die sich verstecken, werden immer wieder durch die Amerikanischen Signalkrebse auf-gescheucht. Sie werden so eher von Fressfeinden entdeckt», erklärt der Flusskrebsforscher.
Krebse im Gartenteich
Es ist möglich, einheimische Krebse in einem Gartenteich zu halten. Vorausgesetzt, man achtet auf folgende Punkte:
• Die Wassertemperatur darf im Sommer nicht über 25 Grad Celsius steigen.
• Der Teich muss mindestens einen Meter tief sein und eine Fläche von 10 x 10 Metern aufweisen.
• Für die Beschaffung der Tiere sollte dringend mit den kantonalen Jagd- und Fischereibehörden Kontakt aufgenommen werden.
• Wichtig ist, dass keine standortfremden Krebse eingesetzt werden, sondern solche mit der Genetik der Region.
• Flusskrebse in einem kleinen Gartenweiher dezimieren auch Wasserpflanzen und andere Tiere wie Amphibien oder Libellenlarven, was nicht immer gewünscht ist.
«Es geht nun darum, Gewässerabschnitte mit ein-heimischen Flusskrebsarten zu schützen, die noch nicht von eingeführten Arten besiedelt sind», fordert der Forscher. Das ist gar nicht so einfach. Raphael Krieg berichtet von seinen Erkenntnissen: «Flusskrebseklettern sehr gut. Darum braucht es im Wasser einen senkrechten Absturz mit oberseitiger Überkragung. Damit kann verhindert werden, dass sich invasive Flusskrebsarten weiter ausbreiten und in Gebiete eindringen, die noch von einheimischen Arten besiedelt sind.» Wenn die Fläche nicht glatt sei, könnten die Flusskrebse auch gegen den Wasserstrom aufsteigen, auch über Wasserfälle hinweg. Und sie schwimmen sogar. «Sie schlagen den Schwanz mehrfach unter den Bauch und können sich so blitzschnell in Sicherheit bringen oder Hindernisse im Wasser überwinden.»
Krebssperren bergen aber auch Konfliktpotential. «Der Bund will Hindernisse aus Gewässern beseitigen, damit Fische wandern können.» Während Lachse und Forellen Krebssperren springend überwinden könnten, gelinge das Schmerlen und Groppen nicht. Krieg plädiert trotzdem für eine Interessenabwägung, je nach Situation: «Wenn invasive Krebse in ein Gewässer gelangen, gefährden sie ein ganzes Ökosystem.»
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Die Krebse seien nachtaktiv. Darum würde sie kaum jemand sehen. Tagsüber verbergen sie sich unter Steinen, Wurzeln oder in selbst gegrabenen Höhlen am Ufer. Meist suchen Flusskrebse im Wasser nach Nahrung. «Wenn sie dort aber zu wenig Futter finden, können sie das Wasser verlassen.» Krebse seien Allesfresser. «Sie sind so etwas wie die Gesundheitspolizei im Wasser.» So machen sie sich über tote Fische her, nehmen Larven, Schnecken, Würmer genauso wie Laub und Wasserpflanzen.
Auch wenn der Bestand in einem Gewässer zu gross werde, können Flusskrebse über Land wandern, um ein neues Gewässer zu suchen. Er habe beispielsweise auf einer nächtlichen Exkursion plötzlich einen Krebs auf einem Stein ausserhalb des Wassers gefunden, sagt Krieg. Rote Amerikanische Sumpfkrebse scheinen besonders versierte Landwanderer zu sein. «Passanten meldeten uns, dass sie bei den Zürcher Katzenseen solche Krebse bis zu 20 Meter weg vom Gewässer auf dem Gehweg gesehen haben.» Die Roten Amerikanischen Sumpfkrebse unterscheiden sich wegen ihrer roten Farbe gut von allen anderen Arten.
Flusskrebse absorbieren durch ihre Kiemen Sauerstoff aus dem Wasser, sind aber auch in der Lage, atmosphärische Luft zu atmen, solange ihre Kiemen ausreichend feucht sind. Wenn es nass ist, können sie lange Zeit ausserhalb des Wassers überleben, kommen also in beiden Elementen zurecht. Das ist ihr Vorteil gegenüber den Fischen.
Junge werden behütet, dann gefressen
Einheimische Flusskrebse werden in der Schweiz von einzelnen kantonalen Fischereifachstellen oder Naturschutzvereinen für Wiederansiedlungsmassnahmen vermehrt. Raphael Krieg sagt: «Eiertragende Weibchen einheimischer Arten werden dazu im Frühling aus Gewässern entnommen, die geschlüpften Jungtiere werden dann unter geschützten Bedingungen bis in den Herbst aufgezogen.» So gäbe es weniger Ausfälle, ansonsten würden viele Junge im ersten Lebensjahr durch Forellen, Wasserinsektenlarven oder durch ältere Flusskrebse gefressen.
«Die einheimischen Flusskrebsarten kommen heute mehrheitlich in isolierten Gewässern vor», sagt Krieg. Darum sei es wichtig, in einem Einzugsgebiet in verschiedenen Gewässern Flusskrebsvorkommen zu etablieren. «Wird eine Population behelligt, hat es noch andere, die überleben.» Zudem sei es aufgrund von Hindernissen in Gewässern oder wegen Vorkommen des Amerikanischen Flusskrebses für die weniger mobilen Flusskrebsarten unmöglich, Gewässer ohne menschliche Unterstützung wieder zu besiedeln.
Die Brutbiologie von Flusskrebsen ist komplex. Sie paaren sich im Oktober und November bei kühlen Wassertemperaturen, bevor sie im Winter dann ruhiger werden. «Gerade die Männchen sind während der Paarungszeit sehr aktiv, sodass man sie manchmal auch tagsüber sieht», sagt Raphael Krieg. Bei der Paarung platziere das Männchen ein Spermapaket an der Körperunterseite des Weibchens. Die Eier werden dann bei der Ablage befruchtet und an den sogenannten Schwimmfüsschen unterhalb des Schwanzes befestigt. Das gesamte Eierpaket führe das Weibchen unter dem schützenden, nach innen gebogenem Schwanz mit. «Das Weibchen betreut das Gelege, fächelt frisches, sauerstoffreiches Wasser zu und entfernt verpilzte Eier», erklärt der Fachmann.
Im Frühjahr schlüpften die Larven, die noch mit dem Muttertier verbunden seien. Nach einer ersten Häutung würden sie zu kleinen Krebschen. Raphael Krieg sagt: «Während den ersten Tagen halten sich die Jungen noch bei der Mutter auf, dann aber gehen sie rasch weg.» Das sei auch besser so, denn der Mutter werde es schnell egal, dass es die eigenen Jungen seien. «Sie frisst sie dann auf.» Es dauere zwei bis drei Jahre, bis die Jungen erwachsen seien. Sie häuten sich während dieser Zeit mehrmals, das heisst, im ersten Lebensjahr zehnmal. Wenn sie sich bei der Häutung nicht verstecken können, werden sie rasch von Feinden verzehrt. Das können Raubfische wie Hechte, Welse oder Aale sein, Artgenossen oder Wasservögel wie Reiher. Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs hingegen ist weitaus rascher in seiner Entwicklung. Er kann sich unter günstigen Bedingungen bereits im ersten Lebensjahr fortpflanzen.
Krabbeln in den Reusen
Einer, der es auf eine invasive Krebsart abgesehen hat, ist der Fischer Jean-Daniel Meylan am Lac de Joux. Er fängt Signalkrebse mit Reusen – für Speisezwecke. Der Motor tuckert, das kleine, rot angemalte Holzboot mit dem Namen «Le Redoutable» schaukelt an Ort in der Nähe des Südufers des Lac de Joux. Strauchartig wachsende Weiden säumen das gelblich schimmernde, kalte Wasser am Ufer. Jean-Daniel Meylan, in gelben Ölhosen und -jacke, lehnt aus dem sich neigenden Boot, greift einen aus dem Wasser ragenden Holzstecken mit schwimmendem Brett, zieht daran, packt eine Leine, die an dieser Vorrichtung befestigt ist, und holt sie ein. Plötzlich taucht eine daran befestigte Plastikreuse aus dem Wasser auf. Darin krabbeln Signalkrebse. «Oh, es hat viele», murmelt der Fischer lächelnd. Meylan schüttelt die Krustentiere in einen grossen Plastikkübel. Er zieht aus dem Gewusel abgefressene Felchenstücke heraus, schüttelt die sich noch daran klemmenden Krebse ab und wirft sie schliesslich in den See. Mittelmeermöwen, die dem Boot schon lange folgen, stürzen sich darauf.
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Die Krebse strecken warnend ihre grossen, teils rötlichen Scheren in die Luft. «Man muss aufpassen. Es ist sehr scherzhaft, wenn sie einen erwischen»,kommentiert Meylan und hantiert mit konzentriertem Blick im Kübel mit den Wassertieren. Geschickt fasst er eines am Panzer, nimmt es heraus, um es näher zu betrachten.
Jean-Daniel Meylan erklärt: «Ich lege Abfälle von Felchen, die ich filetiert habe, in die Reusen. Das riechen die Krebse unter Wasser.» Wie Geier in den Bergen machen sich Flusskrebse unter Wasser über Kadaver her. Meylan legt neue Fischstücke in die Reuse und wirft sie an etwas anderer Stelle wieder zurück in den See. Er würde die Krebsreusen alle drei Tage leeren, sagt er, während er eine weitere an Bord hisst. Die Ausbeute darin ist bescheidener. Der Fischer zieht seine rund zehn Reusen aus dem einen bis drei Meter tiefen Wasser. «Die Signalkrebse tummeln sich aber im ganzen See», merkt Meylan an. Er fange rund 20 Kilo pro Woche.
Wolken ziehen an diesem Mainachmittag über die Hügel mit dunklen Tannenwäldern, zwischen die der Lac de Joux im Waadtland eingebettet ist. Der See im Grenzgebiet zu Frankreich mit einer Fläche von acht Quadratkilometern ist bis zu 35 Meter tief. Zwei Pêcheurs professionnels, Berufsfischer, halten Lizenzen, um zu fischen. Während es für die verschiedenen Fischarten Schonzeiten gibt, können die invasiven Signalkrebse ganzjährig gefangen werden.
Jean-Daniel Meylan hat seine Fischerhütte in Le Pont. Er habe immer mit Fischen arbeiten wollen, sagt der in Le Brassus am Lac de Joux aufgewachsene 68-Jährige. Er wurde Lehrer, arbeitete ein Jahr in diesem Beruf, bevor er sich zum Fischzüchter weiterbildete. Als dann ein alter Fischer am See verstarb, erlernte er auch dieses Metier und übernahm dessen Platz. «Das war 1976», sagt Meylan, wendet das Gesicht gegen den auffrischenden Wind, rückt die Behälter mit den zappelnden Krebsen zurecht, schöpft Wasser aus dem Rumpf und dreht den Motor auf. Die «Redoutable» schneidet durch das schieferfarbene Wasser, Möwen fliegen mit. Der Fischer lächelt zufrieden. Er sagt: «Der See, er bedeutet mir alles.»
Egli entdecken Signalkrebse als Nahrung
Bevor Jean-Daniel Meylan die Krebsreusen eingeholt hat, setzte er Netze zum Fang von Felchen aus. «Ich werde sie morgen um 6 Uhr einholen», sagt er. Meylan tuckert jetzt entlang des Nordufers, wo steile Felsen in den See fallen. Während das Boot in Richtung Le Pont schaukelt, schaut er Gämsen zu, die ihre Jungen zu kleinen Grasflächen führen.
Wieder zurück bei seiner Hütte, zieht er sein Boot an Land, hisst den Kübel mit den Krebsen über Bord, um ihn in sein Auto zu laden. Sein Domizil hat er einige Dörfer weiter in Le Séchey. Dort filetiert er die Fische und verkauft die meisten an Endkunden. Die Signalkrebse hält er vorerst in einem oben gut verschlossenen Brunnen. Wie er sie töte? «Ein schwieriges Thema heute», murmelt der Naturverbundene, fügt dann aber unumwunden an, dass er sie in siedendes Wasser werfe. Er führt einen Vergleich an: «Wenn ein Kormoran einen Fisch verschlingt, so lebt der Fisch noch immer, auch wenn er schon zu drei Viertel im Schnabel steckt.»
Er verkaufe die gekochten Krebse an Restaurants und erhalte um die 25 Franken pro Kilo. Gegessenwerde das Fleisch in den Scheren und unter der Schwanzkruste. «Mit zerstossenen Schwanzteilen wird eine Suppe gekocht», fügt er an. Jean-Daniel Meylan fängt nebst den Flusskrebsen und Felchen auch Egli. «Wenn ich Glück habe, geht mir ein Hecht ins Netz.» Rotaugen und Forellen seien sehr seltene Fänge. Die Signalkrebse seien seit etwa 20 Jahren im See, schätzt Meylan. Zuerst lebten sie nur bei Le Pont, doch siehätten sich zwischenzeitlich im ganzen Gewässer verbreitet. Er fange sie seit ungefähr zehn Jahren. «Alte Kollegen haben früher nie Krebse gefangen.»
Jean-Daniel Meylan vermutet, dass die einheimischen Arten um 1960 wegen der damaligen Gewässerverschmutzung ausstarben. Der Signalkrebs sei wohl irgendwo entwichen und habe sich dann etabliert. Doch der Fischer hat beim Filettieren der Egli eine interessante Beobachtung gemacht. «Ich finde immer mehr Überreste der Krebse in deren Mägen vor.»
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Die Fische hätten zehn Jahre gebraucht, um zu lernen, dass sie sich auch von den Signalkrebsen ernähren könnten. Gibt es darum wieder mehr Egli? Meylan lacht und sagt: «Sie nehmen zwar im Bestand zu, doch, ich glaube kaum, dass es wegen der zusätzlichen Krebsnahrung ist.» Jean-Daniel Meylan ist seit 47 Jahren Fischer am Lac de Joux. Er streift sein gelbes Ölzeug ab, schlüpft aus den Stiefeln und erwähnt dabei, dass auch imGenfersee Signalkrebse leben. Dort würden sie von den ebenfalls invasiven Quaggamuscheln behelligt. «Die Muscheln setzen sich auf dem Panzer der Krebse fest und dezimierten sie dadurch.»
Der Wind hat abgeflaut, der Lac de Joux liegt still und glitzernd da, Blässhühnchen rufen, ein Mann mit Hund schlendert am Wasser. Das Leben am und auf dem See ist offensichtlich, doch was sich in den Tiefen verbirgt, bleibt ein Rätsel. Nicht aber für Jean-Daniel Meylan. Er weiss, dass durch das trübe Wasser über veralgte Steine zahlreiche Signalkrebse krabbeln, vielleicht auf dem Weg in seine Reusen. Spätestens in drei Tagen wird er wieder einige davon herausfischen.
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