Im Februar sind die riesigen wandernden Gnu-herden in den grünen Savannen Nordtansanias angekommen. Ihre Rufe breiten einen Klang-teppich über das topfebene Land, einzelne Zebrasstechen mit ihren gestreiften Fellen zwischen den braunen, kuhähnlichen Körpern heraus. «Nur noch wenige Tage und sie werden alle Junge absetzen», sagt Hussein Iddi. Gnuweibchen würden ihre Jungen gleichzeitig gebären. Das nehme den Feinddruck von den Kälbern.

Iddi kennt die Naturschutzgebiete Nordtansanias bestens. Der Touristenführer fährt seit vielen Jahren zur Wanderzeit der riesigen Tierherden staunende Europäer durch die ostafrikanischen Nationalparks und Schutzgebiete. Vereinzelt breiten Schirmakazien ihre markanten Kronen aus. Dazwischen ragen tote Holzstämme wie Skelette in den blauen Himmel, manche sind umgestürzt. «Elefanten haben dies verursacht», ist der lapidare Kommentar Iddis.

«Oh, Lovebirds!», ruft der schmächtige Mittfünfziger plötzlich, schaut an einem dürren, hellbraunen Stamm empor und zeigt mit dem Finger in die Höhe. Tatsächlich tummeln sich da kleine Farbkleckse am Stamm, zetern, flattern, verschwinden in Baumhöhlen und fliegen in eine Akazienkrone, um dort an den weissen Blüten zu nesteln. Frühling im Februar in Ostafrika.

Lovebirds heisst auf Englisch so viel wie Liebesvögel. Wenn man den kleinen, etwa 14 Zentimeter langen Pfirsichköpfchen zuschaut, ist klar, warum. Immer wieder tauschen diese Kleinpapageien Zärtlichkeiten miteinander aus, turteln, schäkern, übergeben einander Futter und fliegen gemeinsam davon. Vogelzüchterinnen und -züchter nennen sie auch Unzertrennliche oder meist einfach Agaporniden, nach der wissenschaftlichen Gattungsbezeichnung «Agapornis».

Savannen als Lebensräume

Pfirsichköpfchen gehören zu einer von neun Arten der Agaporniden. Die Angehörigen dieser Gattung sind alle ähnlich gross, leben in Savannen und entlang von Flussläufen und kommen bis auf eine Ausnahme auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara vor. Nur das Grauköpfchen lebt ausschliesslich auf Madagaskar. Es profitiert von der Zerstörung des tropischen Regenwaldes auf der Insel: Durch die Abholzung der Wälder hat sich die Savanne in Madagaskar ausgebreitet und somit auch der Bestand des Grauköpfchens. Pulkartig schiessen dort Schwärme aus dem dürren, gelben Gras auf und landen auf einzelnen Bäumen, die als kleine Vegetationsinseln überlebt haben.

Agaporniden finden einen Grossteil ihrer Nahrung auf dem Boden. Sie knabbern an Grassamen, mögen aber auch Früchte, Knospen, Blüten und Beeren. So wie die Taranta-Bergpapageien aus einem Vorort der äthio-pischen Hauptstadt Addis Abeba, die an den weinroten, beerenähnlichen Fruchtständen Peruanischer Pfefferbäume naschen, die zwischen Wohnblocks gepflanzt wurden. Die kleinen Grünen haben sich ein neues Nahrungsspektrum erschlossen.

Taranta-Bergpapageien sind mit einer Körperlänge von bis zu 17 Zentimetern die grössten Agaporniden. Zusammen mit den madagassischen Grauköpfchen und den Orangeköpfchen teilen sie die für Züchterinnen und Züchter ideale Eigenschaft, dass sich die Geschlechter äusserlich eindeutig unterscheiden lassen. Bei den Grauköpfchen haben die Männchen grau befiederte Köpfe und Hälse, bei den Orangeköpfchen ist die orange Gesichtsmaske beim Weibchen viel blasser, bei den männlichen Tarantinern leuchten die Stirnen rot.

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Eine mysteriöse Art

Alle Agaporniden sind Höhlenbrüter. Manche sind dabei nicht wählerisch. Das Rosenköpfchen brütet in Namibia sogar in Nischen unter Hausdächern oder in grossen Storchen- oder Hammerkopfnestern. Ausserhalb Nairobis in Kenia auf dem Gelände der Laita-Farm brüten ausgewilderte Pfirsichköpfchen sogar in den Hohlräumen eines rostigen Gerüsts, auf dem ein Wassertank steht. Das zierliche Orangeköpfchen aus weiten Teilen West- und Zentralafrikas ist da wählerischer. Es zieht seinen Nachwuchs in Höhlen von Termitenbauten auf.

Fast alle Agapornidenarten werden seit vielen Jahren unter Menschenobhut gehalten. Es gibt eine mysteriöse Art, die nur ganz selten gesichtet wird und in menschlicher Obhut nie überlebte: das Grünköpfchen. Es ist nur von wenigen Bilddokumenten bekannt. Alle Versuche, Grünköpfchen zu halten, scheiterten innerhalb kurzer Zeit. Warum, ist nicht bekannt. Die Art hat zwar ein grosses Verbreitungsgebiet in West- und Zentralafrika, wird aber kaum je gesichtet. Der Grund ist klar: Wie erspäht man einen kleinen grünen Vogel im Kronendach von Bäumen? Es scheint, dass das Grünköpfchen als einzige Agapornidenart auch in Regenwäldern vorkommt. Nur den deutschen Papageienspezialisten Eckhart Lietzow und Karl-Heinz Lambert gelang es, im Kakum-Nationalpark in Ghana von einem Wipfel-Baumpfad aus die Art im Blattwerk zu fotografieren.

Brutröhre in Kork genagt

Für Züchtende ist das Orangeköpfchen die Knacknuss unter den Agaporniden. Die Art habe ihn vor vielen Jahren inspiriert, als er eine Abbildung in einem antiquarisch erworbenen Buch gesehen habe, erzählt Renzo Kunz im Obergeschoss seines Vogelhauses im luzernischen Kriens. Er hat bereits in den 1980er-Jahren Orangeköpfchen erworben, doch erst kürzlich gelang ihm die Zucht. Er freut sich: «Drei Paare hatten befruchtete Eier, bei einem klappte es, aus vier Eiern sind vier Junge ausgeflogen.»

Kunz öffnet sachte eine Türe zu einem grossen Flugraum. Ein ganzer Schwarm Orangeköpfchen fliegt in den hinteren Bereich: zierliche Vögelchen mit leuchtend grünem Gefieder, orangem Schnabel und ebensolcher Gesichtsmaske. Vielleicht gehört zum Erfolgsrezept des Krienser Züchters, dass er zuerst acht Orangeköpfchen in einem Schwarm hielt, sodass sich die Paare selber finden konnten. Bestimmt half, dass er den Nistkasten mit einem Stück borkiger Korkeichenrinde füllte. «Die Vögel haben sich einen Gang und eine Brutkammer in das Material genagt», erzählt Kunz, der seine Agaporniden in Boxen züchtet. So seien diePaare ungestört.

«Agaporniden sollten nicht gemisch gehalten werden, denn sie hybridisieren»

Seit vielen Jahren ist er auch versiert in der Zucht der Erdbeerköpfchen. Diese Vertreter aus dem südlichen Afrika kommen in der Natur nur noch in kleinen Beständen entlang von Flussläufen und im Mopanewald vor, einer von Hülsenfrüchtlern dominierten Vegetation. Hier werden Bäume zu Holzkohleverarbeitet und wegen der Holzgewinnung oder wegen landwirtschaftlichen Projekten Geschlagen.

Verschiedene Agapornidenarten sind bedroht, wie auch das Russköpfchen, das an Wassermangel leidet, da die Niederschläge im südlichen Afrika in den letzten Jahren spärlich wurden. Auch die Schwarz- und Pfirsichköpfchen Ostafrikas sind in ihren Beständen gefährdet. Während vieler Jahre wurden Agaporniden für den Vogelhandel gefangen und exportiert. Kombiniert mit den veränderten Umweltbedingungen und dem Lebensraumverlust wirkt sich dieser Aderlass negativ auf die Bestände aus. Seit 2005 ist der Import von Wildfängen in die EU und in die Schweiz verboten. Und der verantwortungsvollen Zucht unter Menschenobhut kommt eine grosse Bedeutung zu.

Wo können Agaporniden in der Schweiz gesehen werden?
• Basel, Zoo: Russköpfchen
• Bern, Tierpark: Russköpfchen
• Gossau SG, Walter Zoo: Pfirsichköpfchen
• Kallnach BE, Johns kleine Farm: Russköpfchen
• Lausanne VD, Voliere Parc Mon-Repos: Pfirsich-köpfchen, Schwarzköpfchen
• Magliaso TI, Zoo: Pfirsichköpfchen
• Stansstaad NW, Voliere: Pfirsichköpfchen
• Vicques JU, L’Arche de Noé, Naturhistorisches Museum: Präparat Grünköpfchen
• Zürich, Zoo: Grauköpfchen
• Zeihen AG, Vogelpark Ambigua:Russköpfchen, Pfirsichköpfchen,Schwarzköpfchen, Taranta-Bergpapagei
• Zug, Voliere: Pfirsichköpfchen
 

Freude an Zimmervolieren

Papageien haben den Ruf, laut zu sein, doch Erdbeer- und Russköpfchen haben plaudernde, dezente Stimmen. «Ich hielt und züchtete jahrelang Erdbeerköpfchen in einem Zimmer meiner Wohnung, doch die Nachbarn bekamen gar nichts davon mit», sagt Renzo Kunz. Die beiden Arten haben noch einen weiteren Vorteil. Sie können auch im Schwarm gehalten werden, denn sie sind sehr friedlich untereinander.

Vögel im Käfig machen keine Freude, doch eine Zimmervoliere im Wohnbereich wird zu einem Schmuckstück. Volierenbauer fertigen sie nach Mass. So kann beispielsweise eine Voliere von drei auf einen Meter und mit Zimmerhöhe als kleine afrikanische Savanne mit Sand, Steinen und Wurzeln am Boden und zahlreichen natürlichen Ästen in der Wohnung gestaltet und mit einem Paar Erdbeer- oder Russköpfchen besetzt werden. Wenn sich das Paar fortpflanzt, können auch drei bis vier Junge mit dabeibleiben.

Die Arten findet man durch Kontakte zu Vogelzüchtern, die sich beispielsweise in der Exotis oder bei Ziervögel Schweiz treffen. Im Handel erhältliche Wellensittich-Nistkästen werden von den Winzlingen akzeptiert. Viele Agaporniden tragen Nistmaterial wie Weidenzweige und-rinde in die Nisthöhle ein. Etwa vier bis sechs Eier werden gelegt und zirka 22 Tage bebrütet. Nach etwa fünf Wochen oder mehr fliegen die Jungen aus, werden aber noch einige Zeit weiter von den Eltern gefüttert.

Keinesfalls sollten verschiedene Agapronidenarten gemischt gehalten werden, denn sie hybridisieren. Mischlinge sollten aus Gründen des Artenschutzes nicht gezüchtet werden. Agaporniden sollten auch nicht mit anderen Vogelarten vergesellschaftet werden.Pfirsich- und Schwarzköpfchen sind wundervolle Pfleglinge, doch sie haben lautere Stimmen. Die schrillsten Schreie produzieren Rosenköpfchen. Grauköpfchen sind schwieriger zu züchten und darum unter Menschenobhut selten.

Wenn auch die meisten Agapornidensozial untereinander sind, so gibt es auch da eine Ausnahme, und zwar den Taranta-Bergpapagei. Bei dieser Art sind vor allem die Weibchen unverträglich untereinander. Sie sollte am besten paarweise gehalten werden. Unzertrennlich aber sind alle Agaporniden. So wie die Pfirschköpfchen in der Serengeti, wo Hussein Iddi in der Weite Nordtansanias steht und mit dem Feldstecher späht. Erbeobachtet gerade ein Paar, das in einem dürren Baum sitzt und dann plötzlich im Astloch verschwindet.

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