Die Direktvermarktung ist in aller Munde, ihr Anteil am Gesamtmarkt aber noch gering. Sie bietet Landwirtschaftsbetrieben gute Absatzmöglichkeiten, denn der Zwischenhändler fällt weg und für Grösse, Aussehen und Gewicht der Produkte gibt es mehr Spielraum. So können im Hofladen auch Rüebli mit zwei Beinen oder krumme Gurken verkauft werden. Für die Konsumenten ist ein Einkauf im Hofladen wegen des direkten Bezuges attraktiv – Herkunft und Produktionsart der Waren sind bekannt. Der Kontakt zum Produzenten, die kurzen Wege und die damit verbundene Frische sind weitere Vorteile.

Zur Direktvermarktung erhobene Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während 2010 schweizweit erst 7084 Landwirtschaftsbetriebe angaben, ihre Produkte in Eigenregie zu verkaufen, waren es zehn Jahre später rund doppelt so viele. Überschätzt werden darf dieser Marktbereich jedoch nicht. «Der Absatz via Direktvermarktung ist übers Ganze gesehen marginal. Er macht weniger als fünf Prozent des Gesamtmarktes aus», sagt die Projektleiterin Direktvermarktung des Dachverbandes Bio Suisse, Michèle Hürner. Im Vergleich dazu wurden 2022 bei Coop 41,1 und bei der Migros 32,5 Prozent des Bio-Marktanteils erwirtschaftet. Die Direktvermarktung ist bei biozertifizierten Betrieben verbreitet, es darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass alles, was im Hofladen präsentiert wird, Bio ist, sagt Hürner.

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Neue Möglichkeiten – neue Herausforderungen

Der Hofladen im Spycher neben dem Bauernhaus ist zwar pittoresk, er wird aber zunehmend von moderneren Ladenkonzepten ersetzt. Die Digitalisierung und der Schritt hinein in urbanere Gebiete schaffen neue Möglichkeiten. Der Hofladen mitten in der Stadt sei bisher noch eine Nische, relativiert Michèle Hürner, er biete aber den entscheidenden Pluspunkt, viel mehr (Lauf-)Kundschaft zu erreichen. Der Schritt vom Land in die Stadt bringt aber auch Herausforderungen mit sich. So fehlt die persönliche Kontrolle, was mit Überwachungssystemen aufgefangen werden muss. Dazu fallen hohe Kosten für eine flexible Ladenlösung und ein digitales Kassensystem an. Für einen voll ausgebauten Holzcontainer nach dem System Rüedu, auf das etliche Betriebe für eine Ladenoption setzen, die nicht direkt beim Hof liegt, müssen 120 000 Franken investiert werden. «Es ist wichtig, dass sich der Verkaufsladen jederzeit optimal präsentiert», sagt Michèle Hürner. Für die Warenbewirtschaftung müsse also jeden Tag jemand beim Laden vorbei. Während die Bezahlung via Twint mittlerweile bei fast jedem Hofladen möglich ist, setzen erst wenige auf digitalisierte Systeme bei der Warenbewirtschaftung, so die Fachfrau. Um die Vorteile der Digitalisierung nutzen zu können, müsse eine gewisse Affinität vorhanden sein, dann könne ein gutes Stück Arbeit eingespart werden, so Hürner. «Der persönliche Kontakt mit den Kunden sollte durch digitale Lösungen aber nicht vollkommen ersetzt werden», warnt sie.

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An der Schiffanlegestation

Mit ihren Kundinnen pflegen Markus Reinhard und Petra Grätzer einen regen Austausch. Auch wenn ihr Hofladen nicht direkt beim Seeburghof steht, der an erhöhter Lage am rechten Ufer des Luzerner Seebeckens mit Hochlandrindern und Rebbergen eine attraktive Kulisse bieten würde. «Der Hof steht weit im Grünen draussen und ist kaum frequentiert», sagt Grätzer als Erklärung, weshalb sie einen Laden weiter unten direkt am Seeufer eingerichtet haben. «Als die historische Schifflände an der Salzfassstrasse vor einigen Jahren in den See zu kippen drohte und geschlossen wurde, war es uns ein Anliegen, die Station zu sanieren und der Bevölkerung wieder zugänglich zu machen. Der Standort brachte erst die Idee zur Erweiterung unseres Hofes», so die Betriebsleiterin. Damit das Team des Seeburghofes und ihre Kunden regelmässig persönlich an ihrer Aussenstation zusammentreffen, organisieren sie einen Saisonstart-Apéro, einen Herbstanlass und für die Kleinen kommt der Samichlaus beim Hofladen an der Schiffanlegestation vorbei.

So kennt Petra Grätzer ihre Kundschaft genau: «Unter der Woche dürfen wir Anwohner aus dem Quartier begrüssen, die Frischwaren einkaufen, und am Wochenende Ausflügler, die eine Zwischenverpflegung suchen.» Der Holzcontainer, ein modifiziertes Lizenzprodukt der Rüedu-Kette, ist jeweils von 6 bis 22 Uhr geöffnet und frei zugänglich. Es werden verschiedene betriebseigene Produkt im Hofladen angeboten, ausser dem Wein. Die Alterskontrolle gestaltet sich schwierig in einem Selbstbedienungsladen. Das Konzept mit den verschiedenen externen Produzenten, die ihre saisonale Ware meist selbst anliefern, habe sich bewährt, und das Rüedu-Konzept passe gut, da es einfach in der Handhabung ist und die Ladenbewirtschaftung so gut in den Arbeitsalltag integrierbar sei, so Grätzer. Das Team sieht den externen Hofladen einerseits als Visitenkarte ihres Hofes und andererseits als Ergänzung zum restlichen Erlebnisangebot, das ein Agriturismo und eine Schüür mit Degustationsräumen beinhaltet.

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Im Businessquartier

Ganz ähnlich sieht Jürg Emmenegger die Funktion der momentan vier Aussenstandorte des Erlebnishofes Agrovision Burgrain. Der Biohof Burgrain, mit eigener Käserei, Fleischmanufaktur, Holzofenbäckerei und Restaurant, betreibt im Luzerner Hinterland einen grossflächigen, bedienten Hofladen. «Durch die zusätzlichen Läden in Rotkreuz, Freienbach, Meggen und Zofingen möchten wir eine grössere Plattform für unsere Hofprodukte und die Produkte der gut 100 Partnerfirmen aus der Region schaffen», so Geschäftsleiter Emmenegger. Zudem sind in den externen Hofläden Werbe-Screens integriert, auf denen Einblicke in die Agrovision Burgrain gezeigt werden, um Besucher auf den Erlebnishof zu locken.

«Durch die Läden schaffen wir eine breite Plattform für unsere Produkte.»

Jürg Emmenegger, Geschäftsleiter Agrovision Burgrain

Bei den im Spätsommer 2023 eröffneten Aussenstandorten gebe es sowohl beim Warenmanagement als auch bei der Produktpalette noch kleine Anpassungen zu machen. «Grundsätzlich sind wir mit dem Start der vier externen Hofläden sehr zufrieden, das Selbstbedienungskonzept und die Öffnung rund um die Uhr haben sich bewährt», sagt Emmenegger. Bei der Wahl der Standorte haben verschiedene Faktoren mitgespielt, so der Geschäftsleiter. Bedingung war die Lage im Einzugsgebiet des Erlebnisbauernhofs, der Zentralschweiz. In die Kantonshauptstadt ist man noch nicht vorgedrungen. Es habe schon eine Rolle gespielt, dass eine genügend grosse Bevölkerung erreicht werden kann. Neben der bestehenden Konkurrenzsituation wurde auch die Kaufkraft evaluiert, da die Agrovision Burgrain auf Bioprodukte setzt. Mittlerweile habe sich gezeigt, dass die Bedürfnisse je Standort unterschiedlich sind und das Angebot teils besser abgestimmt werden muss. So befinde sich der Hofladen in Rotkreuz in einem Quartier mit vielen Büros, was bedingt, dass das Snackangebot ausgebaut werden soll. Die externen Standorte der Agrovision Burgrain sind nicht ganz einfach in den Hofalltag zu integrieren, da die Anfahrtswege teils lang sind.

Trotzdem will der Geschäftsleiter nicht nur das Sortiment, sondern auch das Konzept der externen Hofläden, die tagsüber frei zugänglich sind und nachts über eine App, ausbauen. Sechs neue Filial-Eröffnungen sind 2024 geplant. Während die ersten vier Läden teils in bestehende Ladeninfrastrukturen integriert wurden, sollen die neuen Filialen in Rüedu-Containern untergebracht werden, da diese laut Emmenegger einen Eyecatcher bilden und ein gutes Einkaufserlebnis gewährleisten.

Im Pendlergewusel

Ein Hingucker ist auch die Markthalle im Untergeschoss des Bahnhofs Luzern. Auf 300 Quadratmetern werden hier seit über einem Jahr frisches und saisonales Gemüse und Obst, Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Brot und Wein auf ansprechende Weise präsentiert. «Unsere Hauptkriterien sind Frische, Regionalität, Saisonalität, Genuss, Qualität und Fairness», sagt Co-Geschäftsführer Tim Holleman. Bei jedem Produkt ist der Kilometerabstand zum Produzenten aufgezeigt und das Sortiment wird entlang der Kundenbedürfnisse gestaltet. So finden Pendler und Arbeitnehmende der umliegenden Geschäfte und Büros in der Markthalle an 365 Tagen zwischen 6 Uhr und 21 Uhr auch frisch zubereitete Cappuccinos und Take-Away-Menüs aus der hauseigenen Küche.

Die Erfahrungen von Holleman und Co-Geschäftsführer Thomas Märki ergänzen sich optimal. Während Holleman einen Onlineshop für regionale Schaumweine und einen Pop-up-Store für regionale Spezialitäten betrieben hat, konnte Märki, der Data Science studierte, die Systemlandschaft aufbauen. Unterstützt werden die beiden von Fachpersonen wie Metzgern, Köchinnen, Gemüsegärtnern und einer Sommelière. «Wir sehen die Markthalle als eine Mischung aus Hofladen, Markt und Take Away», beschreibt Holleman ihr Konzept.

Auch für sie ist ein Standort mit viel Frequenz im städtischen Umfeld wichtig. Sonst wäre es schwierig, ein so umfangreiches Frischeangebot zu bieten, sagt Holleman. Die Markthalle unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von einem klassischen Hofladen. Es steht kein Landwirtschaftsbetrieb dahinter, dessen Produkte vorwiegend vermarktet werden. Doch auch die anderen bisher beschriebenen Hofläden haben viele, teils überwiegend Waren von externen Produzenten im Angebot. Dies scheint ein Muss zu sein, um der städtischen Bevölkerung ein attraktives Sortiment bieten zu können.

Bleibt die Frage, was als Hofladen bezeichnet werden darf und wo die Grenze zum Detailhändler liegt. Dazu hat das Agrotourismusunternehmen Jucker Farm einen Onlinebeitrag verfasst. Darin listen die Verfasser die rechtlichen Bedingungen auf, die ein Hofladen erfüllen muss: Die Produkte müssen in der Region und zu mehr als der Hälfte auf dem Standortbetrieb oder in einer Produktionsgemeinschaft produziert werden; die Aufbereitung, Lagerung oder der Verkauf dürfen nicht industriell-gewerblicher Art sein; der landwirtschaftliche oder gartenbauliche Charakter des Standortbetriebs muss gewahrt bleiben. Dazu hat sich die Jucker Farm eigene Richtlinien auferlegt. Etwa, dass 70 Prozent der im Hofladen verkauften Waren aus Eigenproduktion stammen sollen und mindestens 20 Prozent aus der Region, also aus einem Umkreis von 30 Kilometern kommen müssen. Wichtig ist den Unternehmern zudem, dass die Waren weder vom Grossverteiler noch aus dem Ausland eingekauft werden und auf Saisonalität geachtet wird.

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Voll digitalisiert

Mariann Krausz und Lukas Fischer haben den Radius für die Herkunft ihrer Produkte auf 50 Kilometer festgelegt. Dem 2019 eröffneten Pop-up-Store Urban Foods war es ein Anliegen, Bioprodukte von Bauernhöfen der Region in die Stadt Luzern zu bringen. «Viele Stadtbewohner möchten ihre Ware in Hofläden beziehen, haben aber nicht die Möglichkeit dazu», so Mitinitiant Fischer. In einem zwischengenutzten Lokal in der Luzerner Neustadt konnten Früchte, Gemüse, Essig oder Risotto gekauft werden. Rund um die Uhr und im Selfservice. Der Laden war videoüberwacht, über eine App erlangten die Kunden Zutritt und konnten bezahlen. Die Produzenten durften ihre Preise bestimmen und der Austausch mit den Kunden passierte über die sozialen Medien. Das Konzept des digitalen Hofladens für die urbane Bevölkerung scheint den Nerv der Zeit zu treffen. Mehrere fixe Urban-Foods-Ladenlokale sollten entstehen. So jedenfalls die ambitionierten Visionen der Initianten. Auf die Frage, wie es nach dem Pop-up-Store in Luzern weiterging, kam von Fischer die Antwort: «Wir haben das Projekt nicht weiterverfolgt.» Zu den Gründen wollte er sich nicht äussern.

Als Fazit kann festgehalten werden: Die Nähe zu den Produzenten scheint den Hofladenbesuchern wichtig, gerade wenn sich dieser in der Stadt befindet. Eine zu umfassende Technisierung kann als Barriere wirken. Mit ausgedehnten Öffnungszeiten bieten urbane Hofladenkonzepte eine Alternative oder Ergänzung zu den Grossverteilern. Die Produzenten ihrerseits erreichen in der Stadt mehr potenzielle Kunden und erhalten eine Werbeplattform für weitere Angebote ihres Betriebes. Damit sich der finanzielle und arbeitstechnische Mehraufwand lohnt, scheint es wichtig, Kooperationen mit weiteren Produzenten einzugehen und das Sortiment gut auf die Bedürfnisse der Laufkundschaft anzupassen.

In der Stadt direkt von Produzenten einkaufen
Seeburghof
Der Hofladen am Luzerner Seeufer für Einheimische und Touristen:
SEEBURGHOF.CH

Agrovision Burgrain
Die diversen Aussenstandorte des Erlebnishofes:
BURGRAIN.CH

Hofladen Hinter Musegg
Der Selbstbedienungshofladen des Kulturhofes hinter den Museggtürmen:
HINTER-MUSEGG.CH

Holabox
In Zürich und Winterthur gibt es die Hofladenboxen mit dem Charme eines Quartierladens:
HOLABOX.CH

Bioflix
Basel Zwei Läden in Basel, die einen Mix aus Bioshop und Hofladen darstellen:
BIOFLIX.CH

Biomodo
Vollkommen in der digitalen Welt befindet sich der Online-Marktplatz Biomondo. Speziell ist, dass nicht mit Zwischenhändlern gearbeitet wird, es gilt das Credo: von den Bauern für die Kundinnen:
BIOMONDO.CH