Summende Wildbienen, zwitschernde Brut-vögel, sich in der Sonne räkelnde Eidechsen – rund 30 000 verschiedene Tierarten sind laut Pro Natura in der Schweiz erfasst. Die Daten zeigen auch, dass rund 155 Arten bereits als ausgestorben oder verschollen gelten, weitere 1750 Arten gelten laut Bundesamt für Statistik als gefährdet. «Aber mit einer Vielfalt an einheimischen Pflanzen, Strukturen und Lebensräumen und einer extensiven Pflege kann man richtig viel Leben in den heimischen Garten bringen», macht Agneta Heuman, Biologin und Mitarbeiterin im Ratgeber-Ressort bei Pro Natura Schweiz, Mut. Wie Hobbygärtner mit der richtigen Pflanzenwahl zur Förderung der Artenvielfalt beitragen können, hat die TierWelt pünktlich zur Pflanzsaison im Frühjahr mit Experten besprochen.

Fünf Grundregeln bei der Pflanzenwahl

1. Einheimisch: Der 2018 gegründete Verein Floretia hat ein Online-Werkzeug entwickelt, das allen Menschen ermöglicht, naturnahe Flächen zu schaffen und die Biodiversität zu fördern. Und dessen Geschäftsführer Daniel Ballmer, Umweltwissenschaftler, weiss: «Gut 2700 Pflanzenarten sind in der Schweiz heimisch, und praktisch alle dienen irgendeinem Tier als Nahrungsquelle, Lebensraum oder Unterschlupf.» Auch Agneta Heuman von Pro Natura betont: «Der öko-logische Wert heimischer Pflanzen ist höher als der nicht einheimischer Arten, denn ob Schwebfliege, Heuschrecke, Wildbiene, Käfer oder Schmetterlinge – die einheimischen Tiere haben sich angepasst an diese Pflanzen, um sie als Nahrung, Versteck, Ort für die Fortpflanzung und zum Überwintern zu nutzen.» Auch, weil einige invasive Pflanzenarten die Nahrungsgrundlage heimischer Tiere zerstören können, wurde die Neupflanzung gewisser invasiver Pflanzen im vergangenen Jahr schweizweit verboten. Der Sommerflieder sei laut Ballmer solch eine Art: «Seine Blüten locken Schmetterlinge an», sagt er. Aber aus den Blüten würden zehntausende Samen, die mit dem Wind anmagere, sonnige Orte wie Bahndämme gelangen. «Ausgerechnet dort wachsen die Raupenpflanzen der meisten Schmetterlinge und der Sommerflieder über-wuchert sie in kürzester Zeit.»

2. Kontinuität: Ein Angebot an Nektar und Pollen über einen langen Zeitraum bietet laut Agneta Heuman Nahrungsgrundlage für ein breites Spektrum an Arten im heimischen Garten. «Idealerweise blüht im Garten kontinuierlich etwas, und zwar ab März, wenn die ersten Wildbienen unterwegs sind, bis in den Oktober, wenn späte Insekten wie der Grosse Kohlweissling noch Nahrung suchen», rät die Biologin.

3. Satte Blütenpracht: Was man laut Heuman gleichzeitig bedenken sollte: «Wildbienen benötigen enorme Mengen an Pollen zur Aufzucht von Nachkommen!» Um eine einzige Larve ausreichend zu versorgen, müsse beispielsweise die Natternkopfmauerbiene 140 Natternkopfblüten anfliegen. Und für eine lebensfähige Population brauche es rund 100 000 Blüten. Spezialisierte Insekten sollten ihre Lieblingspflanzen also in grosser Zahl und gegebenenfalls auch in nahen Gärten im Quartier finden.

4. Vielfalt: Um Lebensgrundlagen für eine Vielzahl von Insektenarten zu bieten, sollte das Angebot im Garten vielfältig sein. «Ein Blumenbeet mit fünf Pflanzenarten ist eine verpasste Chance», sagt Daniel Ballmer, «wenn ich ein Schmetterlingsbeet plane, pflanze ich auf ein paar wenigen Quadratmetern 15 bis 20 verschiedene Stauden und Gräser. Für eine Blumenwiese nehme ich sogar Mischungen mit 30 bis 50 verschiedenen Pflanzenarten.»

5. Standortgerecht: «Der grösste Fehler von Hobbygärtnern bei der Auswahl von Gartenpflanzen ist, dass man zu etwas Schönem greift, ohne nachzusehen, ob es an den Standort passt», weiss Daniel Ballmer, «aber keine Pflanze wächst überall. Das Wichtigste ist immer, Pflanzen zu nehmen, die sich mit den lokalen Licht- und Bodenbedingungen wohlfühlen.»

Pflanzen für die Vielfalt

Zahlreiche einheimische Pflanzenarten sind laut den beiden Experten wichtige Nektar- und Pollenlieferanten oder Raupenfutter. Dazu gehören laut der Pro-Natura-Beraterin die Grosse Brennnessel, der Wiesensalbei, Kleearten wie Gewöhnlicher Hornklee, Wundklee und Hufeisenklee, die Wilde Malve, die Wiesenschafgarbe, die Kornblume, das Gewöhnliche Leimkraut, der Natternkopf, die Feld-Witwenblume, die Wiesen-Flockenblume, viele Distelarten, das Wilde Rüebli, Fenchel, Dill, der Wasserdost, das Nickende Leimkraut, die Wegwarte sowie der Feld-Thymian. «Auch viele Sträucher und Bäume locken zahlreiche Insekten an und bieten sich für einen artenreichen, lebendigen Garten an», rät Heuman und nennt etwa die Kornelkirsche, Vogelkirsche, Vogelbeere, den Schwarzen Holunder, die Salweide sowie hochstämmige Obstbäume. Biologe Daniel Ballmer betont, dass man einheimische, alte Baumbestände in jedem Fall stehen lassen sollte: «Laubbäume wie Eichen, Weiden, Linden oder Zitterpappel dienen Hunderten von Insekten- und Vogelarten als Nahrungsgrundlage und Lebensraum – je grösser und älter, desto besser.» Wer für einen Baum keinen Platz habe, könne mit Kopf-weiden oder Dornensträuchern wie Weinrose, Schwarz- und Weissdorn eine ähnliche Vielfalt fördern. «Dornenbüsche sind im Siedlungsraum besonders wichtig, weil Vögel und Kleintiere in ihnen vor Katzen sicher sind», so der Experte.

Pflanzen für tierische Spezialisten

«Einige Tierarten sind aber auch derart spezialisiert, dass sie nur einige wenige Pflanzenarten oder sogar nur eine einzige nutzen», betont Agneta Heuman von Pro Natura. Bei Floretia sind etwas mehr als 600 heimische Pflanzenarten verzeichnet, auf welche mindestens eine Tierart stark angewiesen ist. Ballmer nennt als Beispiele das Tagpfauenauge, das als Raupe ausschliesslich Brennnesseln frisst, die Glockenblumen-Scherenbiene, die ihren Pollen nur an Glockenblumen sammelt, und den seltenen Lindenprachtkäfer, der es noch spezieller mag: «Er lebt nur auf alten, geschwächten, an der Sonne stehenden Linden», weiss der Biologe. Agneta Heuman nennt zudem die Malven-Langhornbiene, die Pollen ausschliesslich an Malvengewächsen sammelt, das Landkärtchen, das seine Eier nur an der Grossen Brennnessel ablegt und die Raupe des Esparsetten-Bläulings, die ausschliesslich Esparsetten frisst.

Neben der gezielten Pflanzenwahl sollten bewusste Hobbygärtner auch vielfältige Lebensräume schaffen, mit Wiesen, Beeten, Hecken, offenen, sandigen Bodenstellen sowie Stein- und Asthaufen mit Hohlräumen – so finden Insekten, Amphibien, Vögel, Säugetiere und Co. Nahrung, Nist- und Rückzugsorte. «Alle Lebensräume sollten schrittweise gemäht, zurückgeschnitten und umgegraben werden, um nicht auf einen Schlag Lebensgrundlagen zu zerstören», rät Ballmer. Und zu hohe Perfektionsansprüche sollte man nicht haben: «Wenn Sie etwas pflanzen, von dem sich Tiere ernähren, dann hinterlässt das Spuren: Löcher, braune Flecken oder dicht mit nahrhaften Blattläusen besetzte Stellen», sagt Daniel Ballmer, «freuen Sie sich darüber, denn sauber ist im Gartenkontext meist ein anderes Wort für tot.»

Weitere Artenschutz-Infos für HobbygärtnerEinen Online-Pflanzenfinder, der für jeden Schweizer Standort kostenlos die passenden einheimischen Wildpflanzen und Samenmischungen findet, hat Floretia entwickelt. Aktuell unter floretia.ch, ab Frühling unter regioflora.ch.

Informative Faltblätter gratis zum Download bietet Pro Natura Schweiz zu Themen wie «Mein Garten mit Wildbienen», «Schmetterlinge im Garten» oder «Amphibien rund ums Haus» auf der Internetsite: shop.pronatura.ch

Eine Liste der invasiven Pflanzenarten, die bewusste Gärtner meiden sollten, gibt es im Internet unter infoflora.ch.

Hilfestellungen zu naturnaher Gartenpflege bietet das Praxishandbuch «Mehr als Grün», das die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) auf ihrer Website gratis zum Download anbietet.