Auf Youtube buddeln, schnippeln, zeuseln und stochern sie um die Wette. Toten Boden zum Leben erwecken, wie schwarzes Gold entsteht, das Geheimnis der Wundererde, heissen die reisserischen Videos zu Terra Preta. Und es geht effektiv rasch ans Eingemachte: Enthusiastische Hobbygärtner wie auch Vollprofis legen sich mit ihren Garten-utensilien mächtig ins Zeug, um die Dos und Don’ts im Herstellungsprozess zu demonstrieren. Sie richten ihre Kameras auf das spezielle Gemisch von Pflanzenkohle, Tiermist, Pflanzenjauche, Kompost und Gesteinsmehl, auf selbst gebastelte Öfen oder auf Tomatensetzlinge, die sich auf der dunklen Erde lebensgierig der Sonne entgegenstrecken.

Uralte Anbaumethode

Terra Preta heisst auf Portugiesisch schlicht und einfach schwarze Erde. Forscher entdeckten diesen Bodentypus aus Kohle, Kompost, Dung, Tonscherben und Exkrementen Ende des 19. Jahrhunderts im Amazonasbecken um präkoloniale Siedlungen herum. In einem jahrhundertelangen Prozess verwandelte sich der saure, nährstoffarme Boden, der in weiten Teilen des Amazonasgebiets vorherrscht, in fruchtbare Flächen und sicherte so der indigenen Bevölkerung das Überleben.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Böden, die aus bodenkundlicher Sicht keine eigentlichen Schwarzerden sind, ist die Pflanzenkohle. Sie verleiht der Erde ihre unverkennbare Farbe und verfügt über ein grosses Potenzial: Wenn pflanzliche Abfälle pyrolysiert, also unter Luftabschluss bei mindestens 400 °C thermisch behandelt werden, wird der Kohlenstoff, den die Pflanzen der Atmosphäre in Form von CO2 entziehen, dauerhaft stabilisiert. Ein weiteres Plus: Pflanzenkohle kann dank ihrer grossen Oberfläche Nährstoffe und Wasser speichern und diese Eigenschaften in humusarmen Böden verbessern.

Terra-Preta-Produkte lassen sich als fertige Mixtur erwerben oder von A bis Z auf dem eigenen Balkon oder im Garten herstellen. Nach einer dreiwöchigen Fermentation in verschlossenen Eimern liegt eine dunkle, nährstoffreiche Erde vor, auf der – so das Versprechen der Produzenten – Salate, Tomaten, Zucchini, Bohnen und Mais angeblich bestens gedeihen. Terra Preta hat einen neutralen bis leicht basischen pH-Wert und eignet sich nicht für säureliebende Pflanzen wie Heidelbeeren, Kiwis, Rhododendron oder Quitten.

Zaubererde oder PR-Rhetorik?

Doch hat das, was heute unter dem Namen Terra Preta vertrieben wird, effektiv das Potenzial, die Welt, das Klima und die Böden zu retten, wie das auf zahlreichen Blogs und Social-Media-Kanälen propagiert wird? «Das ist eine arge Übertreibung», sagt Dr. Markus Steffens, Bodenexperte beim FiBL Schweiz, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Bei Terra Preta handle es sich um einen Bodentyp. Was bei uns unter diesem Begriff vermarktet und produziert werde, habe mit der ursprünglichen Version auf tropischen Böden nichts zu tun, stellt er klar. Hinzu kommt: «In unseren Breitengraden sind die Böden ungleich besser und leistungsfähiger als im Amazonas und erfordern deshalb nicht die gleiche Bewirtschaftung.»

Bezüglich Nachhaltigkeit spielten hierzulande andere Themen eine wichtigere Rolle, wie beispielsweise effiziente Nährstoffkreisläufe, der Einsatz von organischem Dünger oder sinnvollen Fruchtfolgen. Pflanzenkohle und Kompost hätten dabei durchaus auch ihre Berechtigung. «Wichtig bei der Verwendung von Pflanzenkohlen sind vor allem ihre Qualität und die korrekte Verwendung», betont der Bodenexperte. Wenn die Produktion nicht unter kontrollierten Bedingungen abläuft, kann die Pflanzenkohle organische Schadstoffe oder Schwermetalle enthalten. Das wiederum verleiht selbst der rötesten und saftigsten Tomate einen schalen Beigeschmack.