Interview
Krankheiten mit KI aufdecken
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) kann so einiges im alltäglichen Leben erleichtern. Tieren könnte sie gar das Leben retten. Ein Start-up-Unternehmen rund um die FHNW-Absolventin Angelica De Riggi widmet sich dem Tierwohl und versucht, mithilfe von KI Krankheiten frühzeitig zu erkennen.
Frau De Riggi, wie kam es zu Ihrer Idee, künstliche Intelligenz, kurz KI, im Zusammenhang mit Haus- und Nutztieren zu nutzen?
Angelica De Riggi: Sie entstand im Schlussspurt meines Studiums in International Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Jahre 2021. Meine Katze Spooky erkrankte und starb kurze Zeit später. Hätte man die Krankheit früher feststellen können, wäre Spooky heute vielleicht noch am Leben. Wir hatten in jenem Semester das Thema Business Intelligence, wobei von Artificial Intelligence (AI), also künstlicher Intelligenz (KI), die Rede war und wie sie gewisse Bereiche des alltäglichen Lebens vereinfachen und verbessern kann. Mir kam daraufhin der Gedanke, diese zu nutzen, um das Tierwohl zu fördern und zu schützen. So habe ich das Start-up AI-Tails gegründet, um anderen Tierbesitzern ähnliche negative Erfahrungen zu ersparen.
Welche Herausforderungen bestanden bei der Entwicklung eines KI-gestützten Gerätes?
Die grösste Herausforderung lag darin, relevante und korrekte Daten zu erhalten. Eine reine Datensammlung bringt nicht viel, wenn es die falschen Daten sind. Gemeinsam mit meinen beiden Mitgründern, die ihr Wissen aus ihrer Ausbildung in Chemie und Informatik einbrachten, konnten wir dem Problem auf den Grund gehen. So konnten wir eine intelligente Futterstation erstmals für Katzen entwickeln, die die Gesundheit der Tiere bei der Aufnahme von Nahrung analysiert.
Wie kann man sich das vorstellen?
Die Futterstation besitzt verschiedene Sensoren. Sie gibt also nicht nur Futter und Wasser aus, sondern misst dabei auch immer, wie viel die Katze zu sich genommen hat. Ausserdem wird jeweils mit einem Sensor eine Gesichtsanalyse durchgeführt, wobei bestimmte Indikatoren erfasst werden, die einer Krankheit entspringen können. Für Katzen existiert beispielsweise die Feline Grimace Scale, zu Deutsch Katzen-Grimassen-Skala, die den Schmerzgrad zum Beispiel anhand der Ohren, der Augen und des Schnauzbereiches der Katze misst. Werden dann alle erfassten Daten zusammengefügt, ergibt sich ein klares Bild, woran gewisse Anomalien feststellbar wären.
Was passiert, wenn eine Anomalie festgestellt wird?
Sollte eine Anomalie festgestellt werden, dann erhält der Tierhalter umgehend eine Push-Nachricht auf das Smartphone. In unserer App sieht dieser dann, um welche Krankheit es sich handeln könnte. Diese Erkenntnis, weitere Informationen und die gesammelten Daten zum Tier kann der Tierhalter auf Wunsch daraufhin direkt mit seinem Tierarzt teilen, wodurch dieser bereits eine Datengrundlage besitzen würde. Hierdurch wäre der Tierarzt in der Lage, noch schneller eine Diagnose zu fällen und das Tier entsprechend zu behandeln.
Und wie sieht es bei Nutztieren aus?
Gerade im Nutztierbereich bestehen viele Möglichkeiten. Wir haben uns zwar anfänglich auf Katzen fokussiert, doch können wir uns sehr gut vorstellen, auch etwas im Nutztierbereich anzubieten. Wir wissen nämlich, wenn wir es bereits bei Katzen schaffen, relevante und korrekte Daten zu erheben, bei denen es wirklich schwierig ist, Indikatoren für Krankheiten festzustellen, dann wird es bei vielen anderen Tierarten auch funktionieren. Wir konzentrieren uns daher zurzeit darauf, herauszufinden, wie wir mithilfe von KI das Leben von Nutztieren und somit auch von ihren Haltern am sinnvollsten verbessern und vereinfachen können – gerade in puncto Effizienz und Effektivität.
Wie unterscheiden sich die Herausforderungen im Nutztierbereich von denen des Haustierbereiches?
Ein Nutztierbetrieb unterscheidet sich stark von einem normalen Haushalt mit Haustieren. Dort besteht die Herausforderung darin, dass mehrere Standorte mit verschiedenen Viehbeständen existieren. Dahingehend ist es etwas schwieriger zu wissen, wo mögliche Risiken bestehen. Des Weiteren kommt es darauf an, um was für einen Viehbestand es sich handelt. Doch auch hier ist der Einsatz unseres Systems möglich. Momentan konzentrieren wir uns auf die Bearbeitung von Lösungen für Schweine und Kühe. Bei Schweinen hat man beispielsweise herausgefunden, dass man mithilfe der Messung der Feuchtigkeit, der Temperatur und der Geräusche der Schweine bestimmte Krankheitsbilder erkennen kann. Auch Schweine kommunizieren über ihre Körpersprache. Ein gewisses Unwohlsein kann bereits an der Haltung und Position ihrer Ohren abgelesen werden. So könnte eine Lösung unsererseits sein, dass diese die relevanten Daten erfassen würde.
Gibt es denn schon Ähnliches, bei dem mithilfe von KI die Gesundheit von Tieren analysiert wird?
In Kanada und den USA laufen derzeit Testphasen bei Kühen, wo die Sensorik zum Beispiel direkt an den Ohren der Tiere platziert wird. Wir sind jedoch davon nicht überzeugt, die Sensorik direkt am Tier anzubringen. Wir streben daher eine Lösung an, die primär auf der Gesichtsanalyse der Tiere basiert. In Kombination mit weiteren Daten können genauso Abweichungen des Normalverhaltens festgestellt werden, die auf eine Krankheit hindeuten würden. Wir arbeiten besonders eng bei der Entwicklung mit Tierkliniken und -ärzten zusammen. Durch diese Zusammenarbeit erhalten wir für uns relevante Daten, wodurch eine sehr hohe Gewissheit erreicht wird, gewisse Anomalien mit bestimmten Krankheiten zu verbinden. Darauf basierend wird eine Empfehlung ausgesprochen und weitere Informationen werden in der App bereitgestellt.
Ist die KI denn bereits so weit fortgeschritten, dass sie Krankheiten korrekt erkennen kann?
Ja, zum grössten Teil ist die Technologie bereits so weit fortgeschritten, dass Krankheiten korrekt erkannt werden können. Jedoch muss auch die korrekte Datenbasis eingelesen werden. Letzteres stellt sicherlich das grösste Hindernis dar, was bei uns gerade am Anfang der Fall war. Danach hatten wir jedoch sehr erfolgreiche Testphasen und können mit grosser Sicherheit und Zuverlässigkeit davon ausgehen, dass die Ergebnisse auch stimmen. Es ist also der perfekte Zeitpunkt, eine solche Technologie zu implementieren. Vieles, das bis anhin mit blossem Auge nicht zu erkennen war, kann nun frühzeitig erkannt und schnellstmöglich darauf reagiert werden.
Einsatzbereiche von KI
in der LandwirtschaftZur Reinigung:
Putzroboter, die selbstständig den Stall reinigen
Zum Füttern:
Futtermaschinen, die Futter mischen und in bestimmten Mengen ausgeben
Zum Melken:
Melkroboter, die die Zitzen erfassen und die Kühe melken
Zur Weidepflege:
Spritzroboter, die auf dem Feld Unkraut erkennen
Zum Managen:
KI-gestützte Computerprogramme wie Planungstools
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