Bei den wetterbedingten Extremereignissen der vergangenen Jahre habe sich gezeigt, dass die Gesundheit und das Wohlergehen von Nutztieren vom Klima beeinflusst werden. Dies ist in der vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) 2019 beauftragten Vorstudie zu lesen, die sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf unsere Hoftiere beschäftigt.

Vor allem längere Hitzeperioden können Herausforderungen darstellen, indem sie beispielsweise zu lokaler Wasserknappheit führen.

Wenn Hitze zum Stress wird

Als weit drängendere Problematik lösen sie bei etlichen Nutztieren Hitzestress aus. Denn Rinder, Schweine oder Geflügel haben nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Körpertemperatur über Schwitzen oder Hecheln zu regulieren.

Besonders in Bezug auf Milchkühe wurden die Auswirkungen von längeren und häufigeren Hitzeperioden bereits relativ umfassend erforscht. Die optimale Umgebungstemperatur für eine laktierende Milchkuh beträgt 5 bis 25 Grad Celsius.

Folgen für Milchleistung und Gesundheit

Steigt die Temperatur über diese Wohlfühlgrenze, fressen die Kühe schlechter und geben weniger Milch. Zudem häufen sich gesundheitliche Probleme.

So kann eine verminderte Futteraufnahme während der heissen Tageszeit und dann ein erhöhtes Fressbedürfnis während der kühleren Nachttemperaturen bei Wiederkäuern eine sogenannte Azidose, eine Stoffwechselstörung, auslösen.

Mehr Krankheiten und geringere Fruchtbarkeit

Höhere Temperaturen fördern ausserdem die Ausbreitung parasitärer Krankheiten, schwächen zugleich das Immunsystem der Tiere und vermindern die Fruchtbarkeit, wie Forschende vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg (DE) in ihrem Artikel aus dem Jahr 2014 zu Auswirkungen von Hitzestress auf Weidetiere deutlich ausführen.

Forschung zu Hitzestress

Auch die landwirtschaftliche Forschungsanstalt Agroscope hat sich mit diesem Thema befasst. So erstellte sie gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) eine Wegleitung, wie Hitzestress bei weidenden Kühen erkannt und vermieden werden kann, und erarbeitete einen Index für die Berechnung des Hitzestresses.

«Momentan läuft zudem ein Projekt zum Hitzestress bei Schweinen und Geflügel», sagt die Kommunikationsbeauftragte von Agroscope Valérie Kottmann auf Anfrage.

Zusätzlich sei zu beachten, dass lokale Unwetter und Überschwemmungen für Tiere in nicht genügend witterungssicheren Stallungen eine Gefahr darstellen können, ist in der BLV-Vorstudie zu lesen.

Veränderungen im Futterangebot

Die Klimaveränderung hat auch indirekte Auswirkungen auf Nutztiere, nämlich über die Qualität und Verfügbarkeit des Futters. Dieses werde aufgrund starker Trockenheit oder intensiver Regenfälle zunehmenden Schwankungen unterworfen sein.

Einerseits sind im Futterbau positive Auswirkungen zu erwarten: Aufgrund des Temperaturanstiegs ist die Futterproduktion in höheren Lagen ertragreicher, die Weideperiode verlängert sich, womit weniger Ressourcen für die Winterfütterung bereitgestellt werden müssen, und die Trocknung von Heu wird begünstigt.

Andererseits zeichnen sich aufgrund längerer Trockenperioden auch Schwierigkeiten ab: Landwirte müssen Ertragsrückgänge im Futterbau befürchten.

Dazu, wie diese abgefedert werden können, hat Agroscope bereits mehrere Studien lanciert. In einer wird untersucht, welche Kombinationen an Wiesenpflanzen eine gute Leistung unter Trockenheitsstress erbringen.

Innovative Lösungsansätze im Test

Im Rahmen des Projekts «Agro Forage Tree» soll das Potenzial von Hecken mit Futterbäumen getestet werden, die zusätzliches Futter in Form von Laub liefern.

Das «Dry Mount Project» hat zum Ziel, neue Mischungen für den Futterbau im Berggebiet zu prüfen, die besser an die Trockenheit angepasst sind. Zudem halten die Forschenden Ausschau nach neuen Futterpflanzen mit geringem Wasserbedarf.

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Sorghumhirse als Alternative

Ein Projekt befasste sich mit der Sorghumhirse, da sich diese Kulturen durch Milchkühe beweiden lassen. Nun wurde untersucht, welche Auswirkung die Hirsefütterung auf die Milchqualität hat.

Dabei hat sich herausgestellt, dass Sorghumhirse bei Trockenperioden eine gute Futtermittelalternative darstellt. Denn es wurden im Vergleich zur Grasfütterung weder Veränderungen in der Milchleistung der Kühe festgestellt, noch hat die neue Futterpflanze Einfluss auf den Prozess der Käseherstellung, die Bestandteile der Milch oder die Käsequalität.

Weitere Forschung notwendig

Der Pflanzenbau scheint bei Agroscope momentan die grössere Priorität zu haben als die Tierzucht. Unter der Rubrik «Herausforderung Klimawandel» werden auf der Website deutlich mehr Forschungsprojekte zu landwirtschaftlichen Kulturen im Klimawandel gelistet als zum Thema Tierhaltung im Klimawandel.

Züchtung und Anpassung

Die Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung plädieren dafür, züchterische Massnahmen hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit der Tiere auf Hitze weiterzuentwickeln – im Wissen, dass zebuine Rinder (Hausrinder mit Ursprung in Südasien) besser als taurine Rinder (europäische Hausrinder) an Hitze angepasst sind und leistungsstarke Rassen wie Holstein besonders unter Hitzestress leiden.

Weder im Bereich der genetischen Anpassung noch an neuen Massnahmen zur Krankheitsprävention und -kontrolle werde bei Agroscope momentan geforscht, gibt Kommunikationsspezialistin Ariane Sotoudeh Auskunft.

Reduktion des Viehbestands als Lösung?

Die deutschen Forschenden konstatieren sogar, dass unter den zu erwartenden klimatischen Bedingungen zukünftig eine Reduzierung des Grossviehbestandes unumgänglich sei.

Dazu, ob dies aus Sicht von Agroscope auch für die Schweiz ein vertretbarer Lösungsansatz im Umgang mit dem Klimawandel darstelle, äusserte sich Agroscope nicht.