Tierisches Sexleben
So tun es Tiere
Ei- und Samenzellen treffen aufeinander – das ist Sex. Doch so trocken geht es auch bei Tieren nicht zu und her. Biologin Monika Niehaus, die zusammen mit Prof. Michael Wink ein Buch zur Fortpflanzung im Tierreich publiziert hat, über skurrile und faszinierende Praktiken unterhalb der Gürtellinie.
Welches ist die skurrilste Sexpraktik im Tierreich?
Monika Niehaus und Michael Wink: Dass man tatsächlich vom Küssen schwanger werden kann – zumindest, wenn man eine Meeresschnecke ist. Bizarrerweise auch durch das Schlürfen eines Spermien-Cocktails. Auch auf die Idee, einen Penisarm allein auf Reisen zu schicken, wie das bei gewissen Kopffüssern der Fall ist, muss man erst einmal kommen.
«Warum kopflose Männchen die besseren Liebhaber sind»: Wie kam es zum Titel Ihres Buches?
Gottesanbeterinnen beissen den Männchen, die sie begatten, gerne den Kopf ab – was diese enthemmt und zu noch eifrigerem Tun bewegt – also letztlich wirklich zu besseren Liebhabern macht.
Es gibt 1,6 Millionen Tierarten, die sich fortpflanzen. Wie haben Sie entschieden, welche Tiere Sie im Buch ins Rampenlicht stellen?
Wir haben versucht, Tierarten auszuwählen, deren Fortpflanzungsverhalten besonders illustrativ ist für das, was wir zeigen wollen. So sind Tüpfelhyänen ein ideales Beispiel für ein Matriarchat und Korallenfische für den Geschlechtswechsel.
Bei welchen Tierarten haben beide Geschlechter Lust zum Sex?
Schwierig zu beantworten, fragen kann man sie ja nicht. Bei Bonobos sieht es aber so aus, und auch bei Schlangenweibchen hat man inzwischen ausgeprägte Kitzler entdeckt. Vielleicht mehr als wir denken? Sonst würde es mit der Fortpflanzung wohl doch nicht so gut klappen.
Weshalb sind denn die meisten Tierarten polygam?
Weil Polygamie für eine bessere Durchmischung des Genpools sorgt und so die Chancen des Nachwuchses erhöht, sich an verändernde Umweltverhältnisseanpassen zu können.
Welche Arten haben homosexuellen Geschlechtsverkehr?
Alle Menschenaffen, Giraffen, Schafe, Pinguine, Maikäfer – wahrscheinlich viel mehr Arten, als wir bisher wissen. Sex dient aber nicht nur zur Fortpflanzung, sondern auch zur Paarbindung und macht ausserdem ganz einfach Spass.
Gibt es Weibchen, die einen Penis haben?
Ja, in der Natur gibt es nichts, was es nicht gibt: Staublausweibchen haben einen Penis und reiten auf den Männchen. Dieser Fakt ist auch in unserem Buch unter «Sex bizzarre» zu finden.
Bei welchen Tieren spielt ein beeindruckendes Gemächt eine Rolle?
Bei vielen Affenarten. Ein sehr schönes Beispiel mit Bild finden Sie in unserem Buch. Ein Männchen der Grünen Meerkatze: leuchtend roter Penis, himmelblaue Hoden.
Vögel haben eine Kloake, welche Geschlechts- und Ausscheidungsorgan zugleich ist. Gibt es da Vor- oder Nachteile?
Bei der Evolution führten viele Wege nach Rom. Eierlegende Tiergruppen wie Amphibien, Reptilien und Vögel haben in der Regel eine Kloake, bei höheren Säugern, die lebendgebärend sind, hat sich ein eigener «Ausfuhrgang» für die Jungen gebildet.
Gibt es in der biologischen Forschung auch eine Tabuisierung von gewissen Themen?
Sex, vor allem weiblicher, und die weibliche Libido waren sicherlich lange tabuisiert. Es ist schon auffällig, dass die Klitoris bei Schlangenweibchen so lange «übersehen» wurde. Und dass auch schwules Verhalten von Tieren so lange unter den Teppich gekehrt wurde.
Weshalb sorgen bei 90 Prozent der Arten nur die Weibchen für das Wohlergehen des Nachwuchses?
Weil sie es allein schaffen. Das ist ein Fakt. Bei einigen Tierarten, beispielsweise bei sozial monogamen Vogelarten wie Singvögeln, schaffen es die Weibchen nicht ganz alleine. Dort helfen die Männchen mit, den Nachwuchs zu füttern und zu schützen.
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Auch Orcas und Gorillas gehen in die Menopause. Welchen Zweck hat diese?
Ältere Weibchen können sich um ihre Enkelkinder kümmern, das erhöht auch ihren eigenen Fortpflanzungserfolg.
Gibt es Tiere, die ein ähnliches Sexualverhalten haben wie wir Menschen?
Unsere nächsten Verwandten, Schimpansen und vor allem Bonobos, gelten wie wir als hypersexualisiert.
Diese leben in zwei völlig unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Nämlich im Matriarchat und im Patriarchat. Welchem entsprechen wir Ihrer Meinung nach mehr?
Der gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schim-panse stand dem Gorilla nahe, der ein patriarchalisches Haremssystem besitzt. Auch heute leben die meisten Menschen in patriarchalisch geprägten Gesellschaften. Bei unseren Jäger-und-Sammler-Vorfahren waren die Verhältnisse vermutlich egalitärer. Wie es in Zukunft sein wird – wer weiss? [IMG 3]
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