Survival-Training
Der Kampf ums Überleben
Wer in der Wildnis verloren geht, ist auf sich selbst gestellt. Helfen können dabei Wissen und Erfahrungen. Diese bietet Gion Saluz in verschiedenen Survival-Trainings, bei welchen er realistische und nützliche Überlebenstechniken lehrt.
Jüngst im Kanton Zürich in der Nähe der Loipe Guldenen-Pfannenstiel: «Ihr habt ein herrliches Wetter gebucht! Nicht, dass das Training bei Regen schlechter wäre, es wäre aber intensiver», begrüsst Gion Saluz die Teilnehmer zu einem seiner Survival-Trainings. An diesem Tag will er die Überlebensprioritäten Unterschlupf, Wärme und Nahrung aufzeigen. Es gäbe noch weitere Survival-Themen, doch diese drei seien die wichtigsten für den Anfang, so Saluz.
Menschen, die in der Stadt leben, sind vielzähligen Reizen ausgesetzt. Wollen sie diesen entfliehen, zieht es sie nicht selten in die Natur, um zu entspannen. Ist der Drang vorhanden, möglichst weit weg von jeglicher Zivilisation zu reisen und Abenteuer zuerleben, können Selbstständigkeit und Selbstversorgung zu überlebenswichtigen Attributen werden. Gelangt man ungewollt in eine Survival-Situation, könnte man mit gesammelten Erfahrungen und umfangreicher Vorbereitung dem Überlebenskampf eventuell trotzen. Eine solche Vorbereitung bietet Gion Saluz in verschiedenen ein- und mehrtägigen Survival-Trainings an.
In der schönen Landschaft von Hinter Guldenen betont Gion Saluz: «Ein Umstand sollte uns immer bewusst sein: Sobald wir draussen in der Natur sind, sind wir im Überlebensmodus.» Gion Saluz schultert seinen Rucksack und geht voran, die Gruppe folgt. Er führt über einen Schotterweg inmitten einer grossen Wiese ohne Bäume. Leicht bergauf wird der Marsch bereits anstrengend. Nach 15 Minuten hält Gion Saluz das erste Mal an und fragt in die Runde: «Ist euch aufgefallen, wie ihr zu schwitzen beginnt?» Dies sei das erste Anzeichen für Flüssigkeitsverlust. Doch Flüssigkeit sei für den Körper essenziell, vor allem, wenn es ums Überleben geht. Bei Kälte wäre es noch schlimmer. «Je mehr ihr durch die Nase atmet, desto mehr könnt ihr an Flüssigkeit sparen. Auch wenn dies nur Milliliter sind, auf die kommt es in einer Überlebenssituation letztlich an», beteuert der Survival-Trainer. Doch nicht nur Flüssigkeit, sondern auch Wärme ist für den Körper überlebenswichtig: «Sollte der Körper auskühlen, wäre dies fatal.» Man müsse also Schutz vor dem Klima suchen.
Wenn es darauf ankommt
An einer Weggabelung stellt sich Gion Saluz hin und verdeutlicht: «In einer Survival-Situation wird man stets an einen Punkt gelangen, wo man sich entscheiden muss.» Nun sollen sich alle vorstellen, dass weit und breit keine Zivilisation sei. Wird man sich für den Weg bergab oder bergauf entscheiden? Eine ausgeglichene Anzahl an Teilnehmenden wählt jeweils einen der beiden Wege. Auf die Frage, welche Beweggründe dahinterstecken, sich für den Weg bergauf zu entscheiden: Man erhofft sich mehr Überblick. Die anderen Teilnehmer, die sich für den Weg ins Tal entschieden haben, gehen davon aus, dass dort eher Zivilisation zu finden ist sowie ein Bach, Fluss oder See. Der Survival-Trainer löst auf: «Ich empfehle euch, niemals bergaufwärts zu gehen. Einerseits verbraucht ihr mehr kostbare Energie, andererseits wird es immer kälter.» Pro hundert Höhenmeter seien es rund 0,7 Grad. Gleichzeitig nehme auch die Zivilisation ab, je höher die Lage sei. Die Menschheit habe sich grundsätzlich am Wasser angesiedelt.
Der Survival-Kurs ist aber nicht nur dafür da, um in der Schweiz für eine Notsituation vorbereitet zu sein, sondern vor allem auch für Auslandreisen wie beispielsweise in den Tropen oder im Dschungel. «Geht ihr dort irgendwo verloren, dann sucht euch einen Fluss, geht diesen Fluss abwärts und ihr werdet irgendwann auf Zivilisation stossen.» Gion Saluz ergänzt: «Wasser ist Leben. Es bietet neben Trinkwasser auch Nahrung in Form von Fischen.» Oben sei die Todeszone. Je weiter man sich hinaufbegebe, umso weniger Bäume und Wälder finde man vor. Der Mensch habe sich nie, bis auf ein paar Bergvölker, oberhalb der Baumgrenze niedergelassen. Weder Baumaterial noch Brennbares sei vorhanden. Die Höhe erschwert daher das Leben deutlich. «Weit oben den guten Überblick zu haben, ist auch trügerisch.»
Unterschlupf im Wald
Am Waldrand bleibt Gion Saluz im Schatten stehen, der von den hohen Bäumen gespendet wird. Bei direkter Sonneneinstrahlung und Hitze wird geschwitzt und zu viel Energie verbraucht. «Beide Faktoren sind zum Überleben kontraproduktiv», betont der Survival-Trainer. Der Wald ist aber nicht nur Schutz vor Hitze und Sonneneinstrahlung, er schützt das ganze Jahr hindurch vor Wind, Kälte und Witterung. «Wind kann den Menschen sehr schnell auskühlen. Je stärker der Wind bläst, desto schneller empfinden wir es als kalt.» Saluz warnt, dass es schnell einem Todesurteil gleichkommen könne, wenn man nicht in der Lage sei, sich dem Wind und der Kälte zu entziehen.
«Der Wald ist unser bester Freund.»
Ein Wald biete dahingehend nicht nur Schutz, sondern zusätzlich andere notwendige Ressourcen wie Holz für den Bau eines Unterschlupfs, Laub zum Bedecken, Brennholz sowie Fleisch und Pflanzen zur Nahrungsaufnahme. «Der Wald ist unser bester Freund.»
Nun geht die Gruppe in den Wald Richtung Survival-Trainingscamp von Coach Saluz. Es geht ans Eingemachte. In einer Survival-Situation müsse man sich nämlich nach einem Unterschlupf umsehen. Ist weit und breit keine schützende Höhle in Sicht, müsse man sich einen sogenannten Shelter selbst erbauen. Gion Saluz zeigt, wie dies ganz ohne Schnur oder andere Befestigungsmaterialien wie Schrauben und Nägel gelingt. Drei Äste reichen für ein stabiles Grundgerüst: Zwei dickere Äste, einer davon mit einer Astgabel, aneinander gelehnt in etwa auf Höhe des Bauchnabels, die den Eingang bilden, und ein langer, robuster Ast, der von diesen schräg nach hinten den Deckenpfosten bildet.
Das Gerüst sollte dabei so gross wie nötig und so klein wie möglich sein. Denn: Je grösser gebaut, desto mehr Material und Energie wird auch benötigt. Doch nicht nur die Grösse des Shelters ist ein relevanter Faktor, sondern auch dessen Positionierung. Verschiedene Kriterien müsse man nämlich dabei beachten: «Sucht euch eine möglichst flache Stelle, damit ihr nicht schräg drinnen liegt.» Liege man nämlich schräg entlang eines Hanges, ist der so wichtige und regenerative Schlaf nicht möglich. «Ihr müsst die Umgebung genau betrachten», gibt der geübte Shelter-Bauer Gion Saluz zu bedenken. Unter einem morschen Baum, bei dem ringsum bereits abgebrochene Äste lägen, sei eine riskante Stelle. Auch in dessen möglicher Fallrichtung sollte der Shelter keinesfalls aufgestellt werden.
Hat man eine geeignete Stelle gefunden, so kann das Grundgerüst gestellt und bedeckt werden. Dem Deckenpfosten entlang stellt man gesammelte Äste angewinkelt aneinander, bis beide Seiten möglichst dicht bedeckt sind. Eine dicke Schicht von Rinden und trockenem Laub können übriggebliebene, kleinere Öffnungen verschliessen. «Möchtet ihr ihn möglichst wind- und wasserundurchlässig gestalten, benötigt ihr eine Schicht eines halben Meters und müsst etwa sechs Stunden Arbeit einrechnen.» Völlig isolieren kann man so einen Shelter laut Gion Saluz nicht. Blickt man in den Shelter und sieht kaum Licht eindringen, hat man jedoch gute Arbeit geleistet.
Wie brennt Feuer?
Ist ein geeigneter Unterschlupf gefunden oder erbaut, geht es schnellstmöglich an Priorität Nummer zwei: ans Feuer. «In einer Survival-Situation benötigen wir Feuer, um in erster Linie Wärme zu erhalten, doch auch für unsere Psyche ist Feuer eine Wohltat.» So beruhige Feuer als Lichtquelle, gerade wenn unbekannte Geräusche einen stets aufhorchen lassen. Bei völliger Dunkelheit wäre dies deutlich unangenehmer. «Das könnte schnell mal zu einer Panikattacke führen», so Gion Saluz. Es wird zudem Schutz vor Wildtieren, die Feuer meiden, geboten. Doch es dient auch der Signalisation, will man gefunden werden.
Um ein Feuer zu entfachen, benötige es drei essenzielle Komponenten: Material, Hitze und Sauerstoff. Schwindet eine dieser Komponenten, erlischt das Feuer. «Wesentlich ist das Verhältnis zwischen diesen drei Komponenten. Hat man für die jeweilige Menge ein gutes Gespür, dann gelingt auch ein Feuer bei schlechteren Bedingungen», erklärt der Survival-Trainer, während er ein Stück Holz anzündet. Das Feuer mache man am besten vor dem Eingang des Shelters, doch nicht zu nahe, da es ja nicht direkt abgefackelt werden sollte. Als besonders gut flammbare Materialien nimmt man am besten Äste von Bäumen, die trocken sind. Am Boden liegende Äste sind oft zu feucht. Harzhaltiges Holz wie von Nadelbäumen eignet sich besonders gut. Im Idealfall ist man ausgerüstet mit einem Messer und einem Funkenstab oder Feuerzeug in die Wildnis gestartet. Ein Geheimtipp von Gion Saluz sind Tampons: «Aufgerollt und auseinandergezupft sind sie besonders flauschig, wodurch sie lange brennen.» Da sie klein und handlich sind, könne man sie bestens vorsorgehalber jeweils mitnehmen. Hat man alles für ein Feuer vorbereitet, kann man sich auf Nahrungssuche begeben.
Keine Experimente
Feuer benötigt man nicht nur als Wärmespender und Lichtquelle, sondern auch zum Aufkochen von Wasser sowie für die Zubereitung von Nahrung – die dritte Priorität im Kampf ums Überleben. «Aufgrund von Parasiten sollte man Fleisch nämlich immer erhitzen und nicht roh verzehren.» Neben tierischen Produkten könne man sich aber auch von einer Vielzahl von Wildpflanzen ernähren, die nicht erhitzt werden müssen und in grossen Mengen in einem Wald oder in Lichtungen vorkommen. «Sie rennen einem auch nicht davon», scherzt Gion Saluz und ergänzt in einem ernsteren Ton: «In einer Survival-Situation könnt ihr nicht früh genug damit anfangen, euch nach Nahrung und Wasser umzusehen.» Man solle also stets alle drei Prioritäten im Fokus behalten.
Bei Wildpflanzen müsse man jedoch auch vorsichtig sein, denn giftige und ungesunde Pflanzen gibt es überall. Pflanzen, die man nicht kenne, solle man auch nicht essen. Von einem Geniessbarkeitstest hält der erfahrene Coach nichts. «Geht lieber keine Experimente ein, sonst habt ihr unter Umständen ein Problem.» Je nach Giftpflanze würde der Verzehr zu einer Vergiftung führen, die nicht unbedingt zum Tode führe, jedoch zu Brechdurchfall. «In einer solchen Situation ist das ganz bestimmt nicht förderlich, da ihr Wasser verliert.» Kennt man möglichst viele essbare Pflanzen, wäre dies die beste Vorbereitung.
So zeigt Gion Saluz beim Rückweg zum Treffpunkt allerlei Wildpflanzen, die man in der Schweiz getrost essen kann, doch auch jene, um die man einen grossen Bogen machen sollte. Zum Abschluss des Survival-Trainings gibt Gion Saluz allen Teilnehmern folgenden Ratschlag mit auf den Heimweg: «Der Gag ist, erst gar nicht in eine Survival-Situation zu kommen!» Allen, die sich freiwillig einer Survival-Situation aussetzen wollen, rät er dringend davon ab: «Niemals sollte man sich absichtlich einer solchen Situation aussetzen, das wäre schlichtweg dumm und nur unnötig gefährlich.»
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