Gemütlich durch den Wald spazieren, das ist nichts für Deborah Rentsch. Auf der Karte in ihrer Hand sind Punkte markiert, die die 28-Jährige nach Möglichkeit schneller als ihre Konkurrentinnen erreichen will. Das heisst, sich im Gelände zu orientieren, möglichst schnell zum nächsten Posten zu gelangen und diesen zu stempeln – heute meist elektronisch. Viele kennen Orientierungslauf, kurz OL, noch aus der Schulzeit. Doch die Outdoorsportart hat schon längst ihren Einzug als Hobby für Jung und Alt gefunden.

OL verbindet Laufsport mit Orientierungssinn. Mithilfe von Karte und Kompass laufen die Teilnehmer von Posten zu Posten, und das in einer vorgegebenen Reihenfolge. Den Weg dazwischen bestimmen die Läuferinnen und Läufer selbst. Aus der Ferne erkennt man die Posten an der rot-weissen Flagge auf einem Pfahl. Dort angekommen, lesen die Teilnehmer den Posten mit einem persönlichen elektronischen Badge ein. Gewonnen hat, wer alle Posten am schnellsten anläuft. Die Nutzung des Smartphones oder eines anderen Geräts mit GPS ist dabei verboten.

Klassisch findet OL im Wald statt, jedoch werden auch Orientierungsläufe in der Stadt veranstaltet. Die jeweiligen Karten geben den Läufern dabei nicht nur Informationen zum Standort der Posten, sondern auch über die Geländebeschaffenheit. Lohnt sich der Umweg über die Waldstrasse, oder geht man lieber querfeldein? OL ist nicht nur eine Sportart, die den Körper fordert, sondern auch den Geist. Entsprechend sind weniger sportliche Teilnehmer, die durch cleveres Anlaufen der einzelnen Posten punkten, nicht unbedingt im Nachteil. «OL ist die perfekte Kombination aus Kopf und Beinen», bestätigt Deborah Rentsch. «Es ist von Vorteil, wenn man fit ist, aber mindestens ebenso wichtig ist, dass man konzentriert bleibt, die Karte richtig liest und sich im Wald zurechtfindet.»

[IMG 2]

Ein Erlebnis für Jung und Alt

Bereits als 10-Jährige nahm Deborah Rentsch zum ersten Mal an einem OL teil. An regionalen Wettkämpfen können bereits die Kleinsten Erfahrungen im Gelände sammeln, entweder ganz allein oder in Begleitung von Erwachsenen. Grundsätzlich können alle jederzeit mitmachen, ohne Vorkenntnisse und ohne Wettkampflizenz. Der Spass steht dabei immer im Vordergrund. «Wer Orientierungslauf betreibt, der hat in erster Linie Freude am Sport in der Natur», so Rentsch. Dies sei auch die Grundvoraussetzung. «Den Rest kann man lernen. Kartenlesen ist Übungssache und braucht keine Vorkenntnisse». Auch die körperliche Kondition ist zumindest am Anfang nebensächlich. Einen OL könne man schlussendlich auch spazierend absolvieren und dabei den Wald geniessen.

«Orientierungslauf ist die perfekte Kombination aus Kopf und Beinen.»

Deborah Rentsch

Die Veranstalter achten aber darauf, empfindliche Lebensräume und Ruhezonen fürs Wild zu meiden, um die Störungen für die Natur möglichst gering zu halten. «Laut durch den Wald schreien, wird unter den Läufern zudem nicht gern gesehen», erzählt Deborah Rentsch. Sie ärgert sich zudem über diejenigen Spaziergänger, die die Posten mutwillig zerstören oder entfernen. «Dieses unsportliche Verhalten führt zu viel Verwirrung und Frust unter den Läuferinnen», so die Sportlerin. Nach einem Orientierungslauf werden die Posten durch die Veranstalter alle wieder säuberlich eingesammelt, sodass keiner in der Natur zurückbleibt.

Auch wenn der Orientierungslauf meistens ein Einzelsport ist, so werden auch immer wieder Team-Events angeboten. Von solchen Veranstaltungen schwärmt Deborah Rentsch besonders. «Das schönste Erlebnis hatte ich an einem 12-Stunden-OL. Dabei gehen die Teammitglieder während 12 Stunden abwechselnd auf Postensuche. Das Vogelgezwitscher frühmorgens im Wald und ich mit der Karte mittendrin, das war eines meiner schönsten Erlebnisse als OL-Läuferin.» Besondere Formen des OLs sind zudem der Ski-OL, bei dem die Posten auf einem dichten Netz aus Loipen mit Langlaufskis angelaufen werden, sowie der Bike-OL, bei dem die Posten entlang eines Mountainbike-Pfads liegen. In beiden Varianten gilt die Schweiz international als Spitzennation, und auch beim klassischen OL gehen bei Weltmeisterschaften zahlreiche Medaillen auf das Konto von Schweizer Sportlerinnen und Sportlern.