Klimawandel
Waldbericht 2025: Gestresste Bäume, heisse Zeiten
Der aktuelle Waldbericht zeigt: Um den gesundheitlichen Zustand des Schweizer Waldes ist es nicht besonders gut bestellt – im Jura und teils auch im Mittelland erweist sich die Situation gar als kritisch. Wie den kränkelnden Patienten kurieren, damit er seinen vielfältigen Funktionen weiterhin gerecht wird?
Das letzte Jahrzehnt sei für den Schweizer Wald turbulent gewesen, sagte Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt (Bafu), anlässlich der Veröffentlichung des jüngsten Waldberichts, der Mitte März im Galmwald oberhalb von Düdingen (FR) präsentiert wurde. Anhaltende Trockenperioden, Dauerregen, Stürme und Waldbrände als Folge des Klimawandels haben tiefe Spuren in diesem fein austarierten Ökosystem hinterlassen, das in der Schweiz rund einen Drittel der Landesfläche bedeckt.
Solch extreme Wetterereignisse öffnen Tür und Tor für Krankheiten und Schädlinge aller Art. Klimabedingte Extremereignisse wie auch die zunehmend wärmere und trockenere Witterung im Sommer schwächen besonders die hiesigen Schutzwälder, zu denen über 40 Prozent des Schweizer Waldes gehören. Vor allem die dortigen Jungbäume leiden, weil sie wegen der Hitze vertrocknen oder sich der Borkenkäfer an ihnen zu schaffen macht. Doch ein geschwächter Schutzwald ist kein verlässlicher Schutz vor Naturgefahren wie Rutschungen, Murgängen, Lawinen und Steinschlag.
«Das letzte Jahrzehnt war für den Schweizer Wald turbulent.»
«Wir erleben derzeit keine Katastrophe», beschwichtigte Rolf Holderegger, Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die den Waldbericht zusammen mit dem Bafu erstellt hat. «Der Wald wächst, verändert sich, passt sich an – aber er hat Probleme.» Teils erhebliche Probleme, die nicht nur den Wald, sondern uns alle betreffen. Denn der Wald bietet nicht nur Schutz und speichert CO2, er ist auch ein wichtiger Lebens- und Erholungsraum und liefert mit seinem Holz einen erneuerbaren Bau- und Energierohstoff.
Neue Habitate dank Totholz
Die Folgen geschwächter Wälder sind für Umwelt, Wirtschaft und die Bevölkerung in vielerlei Hinsicht dramatisch. Heute speichert der Wald noch mehr CO₂, als er abgibt – in der Schweiz sind dies derzeit knapp 270 Tonnen Kohlenstoff pro Hektare, wobei über die Hälfte sich im Waldboden ablagert. Ein Blick über die Grenze zeigt aber: «Der Wald in Deutschland gibt inzwischen mehr Kohlenstoff ab, als er aufnehmen kann», führte Katrin Schneeberger weiter aus. Und auch für die Holzwirtschaft fordert ein kraftloser Wald seinen Tribut: Geschädigte oder umgestürzte Bäume müssen früher als geplant geerntet werden und eignen sich nicht mehr für die Herstellung von Holzprodukten, sondern nur noch zum Verbrennen bzw. zur Energiegewinnung.
Der Wald hat in den letzten zehn Jahren wegen des Klimawandels besonders in tieferen Lagen unter 1000 m ü. M. an Vitalität eingebüsst. Das Mittelland wurde im Jahr 2018 vom Sturm Burglind stark in Mitleidenschaft gezogen wie auch durch Borkenkäferpopulationen, die die Fichtenbestände grossflächig befielen. Der Jura, die Nordschweiz, das Walenseegebiet, das Unterwallis und das südliche Tessin wiederum litten vor allem unter Trockenheit, was teils zu Laubfall mitten im Sommer führte. Klimatische Extremereignisse wirken sich auch auf den Baumbestand aus: So ist der Anteil von Fichten im Mittelland um 15 und jener im Jura um 10 Prozent geschrumpft. Doch es gibt auch Positives zu berichten: Das Mehr an Totholz, das wegen Stürmen und Trockenheit entsteht und das Waldbesitzer immer häufiger im Wald lassen, eröffnet für gewisse Tier- und Pflanzenarten grosse Chancen. Besonders in dunklen Wäldern entsteht in unwetterbedingten Lücken Raum für neues Leben – sie werden zu Refugien für Käfer, Pilze, Vögel, Amphibien, Moose und Flechten. Mit erfreulichen Folgen: Laut Waldbericht hat sich die Biodiversität im Wald leicht positiv entwickelt. Insbesondere die Zahl der Waldvögel, Schnecken und Moose ist gestiegen.
Anpassungsfähige Bäume gesucht
Doch was ist zu tun, damit sich der Wald wieder stabilisieren und weiteren Extremereignissen in Zukunft standhalten kann? «Die Forschung musste im letzten Jahrzehnt einige Erkenntnisse über das Baumwachstum revidieren», erläuterte Thomas Wohlgemuth von der WSL. So galten etwa die Buche und die Weisstanne lange als trockenresistent. Zu Unrecht, wie die neusten Langzeiterhebungen jetzt zeigen: Ihnen bekommt die anhaltende Trockenheit nicht gut. Deshalb geht die Suche nach robusteren Arten weiter. Welche Baum-arten das Potenzial haben, klimatischen Extremereignissen in Zukunft zu trotzen, sollen die über 50 Testpflanzungen zeigen, die die Forschungsanstalt mit55 000 Setzlingen aus einheimischen Wäldern oder aus Wäldern in wärmeren Regionen ausserhalb der Schweiz vorgenommen hat.
Bereits jetzt ist klar: Um den Wald langfristig als gesundes und widerstandsfähiges Ökosystem und Holzlieferanten zu erhalten, braucht es Baumarten, die gegenüber dem Klimawandel und Schadorganismen resistenter sind. Auch Waldverjüngung soll helfen, die genetische Vielfalt und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Was wiederum nur möglich ist mit einer Regulation des Wildbestands, um Wildverbiss an den jungen Bäumen zu verhindern.
«Damit der Wald gesund und leistungsfähig bleibt, braucht es jetzt eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden, Waldbesitzenden, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft», so der Appell von Bafu-Direktorin Katrin Schneeberger. Die Ergebnisse aus dem Bericht sollen in die «Integrale Wald- und Holzstrategie 2050» des Bundesrates einfliessen, die noch in diesem Jahr vorgestellt wird.
Uralte Eichen in StaatswaldIm Galmwald, in dem der Waldbericht 2025 präsentiert wurde, stehen über 300-jährige Eichen. Diese Bäume hat Napoleon ursprünglich für den Schiffsbau angepflanzt. Und sie sind im Jahr 2025 von besonderem Interesse, scheinen sie doch mit dem Klimawandel relativ gut klarzukommen. Doch der zwischen Laupen und Murten situierte Wald ist nicht nur der Eichen wegen spektakulär, sondern auch, weil er der einzige Staatswald der Schweiz ist. Auch das ein Verdienst von Napoleon, der das Gebiet dem Kanton zuschlug, weil die umliegenden Gemeinden den Wald zu stark nutzten.
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