Erdbebenvorhersage
Tierische Seismografen?
Naht eine Katastrophe, wenn sich Tiere scharenweise unruhig verhalten? Eine Studie des Max-Planck-Institutes für Verhaltensbiologie konnte Aufschluss geben. Nun steht die Ausweitung der Messungen an, dank einer Kooperation mit einem GPS-Tracker-Hersteller.
Hunde heulen. Katzen laufen wie gejagt umher. Vögel, die eigentlich in den Baumkronen ruhen und schlafen sollten, fliegen hektisch von Baum zu Baum. Irgendetwas scheint die Tiere nervös zu machen. Aufgescheucht verlassen alle Vögel die Bäume, Hecken und Sträucher. Plötzlich ertönt von überall her ein Hupkonzert der geparkten Autos und Gebäude schwanken von der einen zur anderen Seite. Ein Erdbeben setzt ein. Nur wenige Minuten vergehen und ein ganzer Strassenzug liegt in Schutt und Asche. Es ist nicht das erste Mal, dass nach Naturkatastrophen Augenzeugen berichten, dass Tiere sich vor solchen Ereignissen unruhig und ängstlich verhalten. Doch können Tiere tatsächlich grosse Naturkatastrophen vorhersagen und eventuell gar davor warnen?
Fehlende Messdaten
Die Wissenschaft besitzt diesbezüglich noch keine gefestigten Erkenntnisse. Es existieren so gut wie keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema. Bis jetzt war es schlichtweg unmöglich, grossumfassende Messdaten zu generieren, die eine Korrelation zwischen tierischem Verhalten und Naturkatastrophen herstellen können. Prof. Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz/Radolfzell (D) hat sich jedoch dieser Aufklärung verschrieben. In einem ersten Feldversuch im Jahre 2020 wurden auf Bauernhöfen in einer Erdbebenregion in Norditalien Kühe, Schafe und Hunde mithilfe von Halsbändern mit integrierten Bewegungssensoren mehrere Monate beobachtet. Und tatsächlich war es möglich, anhand verstärkter Aktivität der Tiere sieben von acht grösseren Erdbeben vorherzusagen.
Wie die Tiere imstande waren, die Erdbeben vorauszuahnen oder, besser gesagt, vor Menschen und seismologischen Geräten zu verspüren, ist noch völlig unklar. Mutmassungen gehen davon aus, dass Tiere mit ihrem Fell die Ionisierungen der Luft wahrnehmen, die durch den grossen Gesteinsdruck in Erdbebenzonen auftreten. Zudem könnte es sein, dass Tiere Gase riechen, die vor einem Beben aus Quarzkristallen freigesetzt werden.
Aktivitätsdaten von Haustieren
Durch eine Zusammenarbeit mit dem GPS- und Aktivitätstracker-Hersteller Tractive will der Verhaltensbiologe Martin Wikelski nun herausfinden, ob bestimmte Verhaltensmuster von Haustieren als Frühwarnsystem für Naturkatastrophen dienen könnten. Die Kooperation mit Tractive ermöglicht die Erfassung der Aktivitätsdaten von fast einer Million Hunden und Katzen weltweit. «Haustiere leben dort, wo Menschen leben, und das globale Netzwerk von Tractive wird essenziell zur Beantwortung der Frage beitragen, ob Tiere nützliche Informationen für Katastrophenfrühwarnsysteme liefern können», so Wikelski.
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