Einen Stein und einige Pflanzen in ein Aquarium zu setzen ist keine Kunst. «Eine Landschaft mit Tiefenwirkung zu kreieren ist hingegen etwas Besonderes», sagt der Zoohändler Daniel Grimm. Er hat deshalb den deutschen Aquascaper Sascha Hoyer in seine Zoohandlung Zoo Thun eingeladen, der beim Einrichten eines 70-Liter-Beckens Aquarianerinnen und Aquarianern zeigt, worauf es ankommt.

Zierfische hinter Glas zu pflegen hat eine langeTradition. Seit 1851 an der Weltausstellung in London erstmals Aquarien einer breiten Öffentlichkeit gezeigt wurden, entwickelte sich die Liebhaberei stetig weiter. Ab 1960 entstand die aus den Niederlanden geprägte Strömung der Pflanzenaquarien. Seit gut zehn Jahren ist nun das Aquascaping im deutschsprachigen Raum bekannt. Es handelt sich um die modernste Form der Pflanzenaquaristik, die durch den japanischen Fotografen und Aquariendesigner Takashi Amano lanciert wurde. Während die Wasserpflanzen im holländischen Pflanzenaquarium streng gruppiert sind, wie in einem Schlossgarten, werden beim Aquascaping natürliche Szenen nachgestellt. Die Verwendung von Wurzeln und Steinen hat bei dieser Bauweise eine grosse Bedeutung. Beim Aquascaping ist die Natur Vorbild. Übrigens ist der Name dem englischen Begriff des Landschaftsgestalters angelehnt, dem Landscaper.

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Vorbild für den Aquascaper sind natürliche Landschaften, die er in Miniatur nachbaut. Perspektiven sind somit entscheidend. Diese sind denn auch das Erste, was Sascha Hoyer vor dem rechteckigen und leeren 70-Liter-Aquarium erklärt: «Grundsätzlich sollte die Gestaltung des Beckens nicht auf die Mitte ausgerichtet sein.» Um eine gute Tiefenwirkung zu erzielen, sei es wesentlich, vorne Pflanzen mit grösseren Blättern und dickere Dekorations-Wurzeln zu verwenden. Und gegen den hinteren Bereich sollten sie dünnblättriger und filigraner werden. «Das bringt eine Tiefenwirkung ins Aquarium», betont der Spezialist. Hoyer nennt sich Aqua-Artist. Der 38-Jährige betreibt sein Geschäft in Bruchköbel in der Nähe Frankfurts. Früher im Zoofachhandel tätig, richtet er heute professionell bei den Kunden Aquarien ein. Durch seine zahlreichen und viel beachteten Youtube-Filme ist er bestens bekannt.

Bodensubstrat, Steine und Wurzeln

Der Vorteil des Beckens, das Sascha Hoyer bearbeitet, ist seine quadratische Form. Eine Aquarienlandschaft wirkt eindrucksvoller, wenn das Aquarium tief ist. Der Zoohandel führt deshalb extra Aquarien, die für kleine Landschaften geeignet sind, so genannte Nanocubes, also Kleinbecken in kubischer Form.

Sascha Hoyer hat im Vordergrund des Aquariums eine schmale Schicht feinkörnigen Sandes angebracht und platziert nun Talawa-Wurzeln aus dem Zoohandel, die von beiden Seiten des Beckens ins Innere ragen. Dabei achtet er gut darauf, dass sie nicht in der Mitte zusammentreffen, sondern erst im linken Bereich des Beckengrunds. Dickere Wurzeln verwendet er vorne, für hinten wählt er schmalere, die oben aus dem Becken ragen. Um die Wurzeln am Boden bringt der Gestalter Steine an. «Wenn sie aus dem Zoohandel bezogen werden, hat man kein Risiko, Algen einzuschleppen», sagt Hoyer. Zudem sei der Kalkgehalt auch geringer. Damit es natürlich aussieht, bringt er vor den grösseren Steinen kleinere an – so wirkt es wie ein auslaufender Schuttkegel auf dem Sand. Schliesslich verleimt er das Talawa-Holz mit den Steinen. «Man kann die Hölzer vorgängig während drei Wochen wässern, damit sie nicht schwimmen, oder eben mit einem speziellen Leim aus dem Zoohandel an Steinen befestigen», hält Hoyer fest. So entsteht ein zusammenhängendes System von Wurzeln und Steinen – als ein Stück.

In der Mitte der Wurzeln schichtet er Aquarium Soil auf. Es handelt sich dabei um einen aktiven, zwei bis drei Millimeter körnigen Bodengrund, der auf natürliche Weise den pH-Wert des Wassers und die Härte senkt. Die meisten Tropenfische stammen aus humusreichen Gewässern mit weicher Wasserqualität. An vielen Orten in der Schweiz fliesst kalkhaltiges Wasser aus den Hähnen. Es ist zu hart für tropische Süsswasserfische. Dank Wasseraufbereitungsmitteln und des huminen Bodengrunds fühlen sie sich aber auch bei uns wohl. Im hinteren Bereich des Beckens gestaltet Sascha Hoyer den Boden mit einem Lavagranulat. Denn Lava enthält keinen Kalk.

Wasserpflanzen wuchern auf Wurzeln

Schliesslich wählt der Unterwassergestalter Wasserpflanzen aus. Das Breitblättrige Speerblatt (Anubias barteri) mit seinen grossen, herzförmigen Blättern setzt er auf Wurzeln im vorderen unteren Bereich. Ebenfalls auf Wurzeln befestigt er noch das Javafarn (Microsorum pteropus). Er steckt die Rhizome in Ritzen oder klebt sie mit Pflanzenleim aus dem Zoohandel direkt auf das Holz. Beim Kauf der Wasserpflanzen ist der Wurzelbereich in Steinwolle eingepackt. Einige Tropfen Leim auf Reste der Steinwolle genügen, um die Wasserpflanze an der Wurzel zu fixieren. Schliesslich beginnt die Pflanze bald zu wachsen und klammert sich mit den Wurzeln am Holz fest. Auch der Kongo-Wasserfarn (Bolbitis heudelotii) wird am Holz befestigt. Mit seinen kriechenden Rhizomen wird er sich wie der Javafarn weiter den Hölzern entlang verbreiten. Und im oberen vorderen Bereich klebt Hoyer kleine Büschel Javamoos (Taxiphyllum barbieri) auf das Holz.

Es wird sicherlich nicht lange dauern, bis sich das Moos ganz ums Holz gewuchert hat. Das Kleine Fettblatt (Bacopa monnieri) ist eine Stängelpflanze, die der Aquariengestalter ganz zuhinterst setzt. Während er den Busch auseinandernimmt, sagt er: «Diese Pflanze wächst am besten in kleinen Grüppchen.» Manche Stängel schneidet er in der Mitte durch. So könne man die Pflanze verdoppeln. «Die abgeschnittenen Stängel schlagen neu aus, und die Triebe wurzeln bald einmal an.» Im Zentrum setzt Hoyer eine Seerosenart (Nymphaea lotus) ein. Mit ihren grossen runden Blättern, die an dünnen Stängeln nach oben wachsen, wird sie für einen Zauber sorgen, der einem Märchenwald eigen ist. «Damit die Blätter an der Wasseroberfläche nicht zu viel Licht absorbieren, sollten sie zurückgeschnitten werden, bevor sie oben angelangt sind.» Nun befeuchtet Hoyer alles mit einer Pflanzenspritze und füllt langsam Wasser ein.

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Jahrelange Freude

Ein aussen am Becken befestigter Hängefilter sorgt für sauberes und klares Wasser. Für ein solches Becken wäre eine Bio-Kohlenstoffdioxid-Anlage (CO2) ideal, so Hoyer. «Sie wird neu im Zoohandel angeboten und funktioniert mit einer Zuckerlösung und einem Aktivator auf Hefebasis.» Diese Mischung produziert CO2, das ins Becken geleitet werde. «Mit CO2 wachsen Wasserpflanzen einfach besser», betont Hoyer, obwohl die Pflanzen, die er ausgewählt habe, auch ohne CO2 gedeihen. Fische sondern CO2 ab, die Wasserpflanzen wandeln es in Sauerstoff um. Weiter ist zudem eine Unterwasserheizung notwendig, so dass das Aquarienwasser um 25 °C warm bleibt. Ein LED-Lichtbalken mit der Lichtfarbe Weiss wird dann unkompliziert auf den Aquarienrand aufgesetzt.

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In der Einlaufphase sei alle zwei bis drei Tage ein Wasserwechsel von etwa 20 bis 25 Prozent notwendig. Später reiche es, alle zwei Wochen rund 20 Prozent des Wassers auszuwechseln. Das ist auch der Moment, dem Wasser regelmässig einen Pflanzendünger beizufügen, damit die Wasserpflanzen beispielsweise mit Kalium, Nitrat und Phosphat versorgt werden.

Obwohl alles neu eingerichtet ist, wirkt das Becken bereits wie ein bestehender Flussabschnitt in denTropen. Oder die Szenerie gleicht einem inselartig aus Steinen wachsenden mystischen Wald. Wenn das Aquarium nach einigen Wochen eingelaufen ist, kann es gar mit kleinen Bärblingen wie dem Perlhuhnbärbling (Danio margaritatus), Salmlern wie dem Roten von Rio (Hyphessobrycon flammeus), Guppys, Garnelen oder Zwergfadenfischen (Trichogaster lalius) belebt werden. Dieses kleine Ökosystem funktioniere jahrelang, so Hoyer. «Die meisten Becken werden neu gestaltet, weil sich der Pfleger am Bild sattgesehen hat.» Ideen für neue Landschaften hat Sascha Hoyer immer.

www.zoothun.ch