Südamerika im Wohnzimmer
Pfeilgiftfrösche halten und züchten
René Waldner ist umgeben von südamerikanischer Tropenwelt. In seinen zahlreichen Terrarien hat er perfekte Lebensräume für seine Pfeilgiftfrösche geschaffen, die er auch züchtet. Ein Besuch im Aarburger Tropenwald.
Tropfen blitzen auf wucherndem Moos. Aus einem roten Blatttrichter einer Neoregelia-Bromelie steigt zaghaft ein erdbeerfarbenes Fröschchen. Erwachen im Regenwald nach einem heftigen Tropengewitter.
Die Szenerie spielt nicht im tropischen Südamerika, sondern in einem Haus mit Garten in Aarburg (AG). Der Tropenwald wurde von René Waldner geschaffen. «Lebensecht nachgeahmte Biotope sind mir sehr wichtig», sagt der 73-Jährige, der seit 53 Jahren von tropischen Fröschen fasziniert ist. Um ihn herum leuchtet seine Tropenwelt hinter Glas. Die Szenerien unter Kunstlicht wirken wie von südamerikanischer Sonne beschienene Abbruchkanten von Bachläufen. Oder sie gewähren einen Blick in die von Epiphyten behangene Kronenschicht des Regenwaldes. Epiphyten wie Orchideen, Farne und Bromelien sind Aufsitzerpflanzen, die sich mit ihren Wurzeln an einem Stamm festhalten, ihm aber keine Nahrung entziehen, sondern nur den Platz in luftiger Höhe nutzen, um vom Sonnenlicht zu profitieren. René Waldners Liebhaberei zu den Pfeilgiftfröschen schliesst die tropische Pflanzenwelt mit ein. Er kultiviert hauptsächlich Wildformen, die er aus Spezialgärtnereien bezieht oder unter Kollegen austauscht.
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Pflanzenkenntnisse, das Auge für den Goldenen Schnitt, Geduld und Beobachtungsgabe sind in René Waldner seit jeher angelegt. Der Baselländer erlernte den Beruf des Landschaftsgärtners und erfasste bereits in seiner Lehrzeit, was es braucht, um die Natur zu gestalten. Es kam seinen vielseitigen Interessen und Neigungen entgegen, dass er immer auch im Topfpflanzenbereich seines Lernbetriebes tätig sein konnte.
Die Natur an sich ist perfekt. Sie wirkt wie ein Kunstwerk. Wer es schafft, eine solche natürliche Idylle künstlich nachzubilden, ist ein Künstler, so wie René Waldner. In die Tropen Südamerikas ist er nie gereist. Warum auch, er hat sie ja bei sich zu Hause. Sein Wissen eignet er sich aus Büchern, Zeitschriften, Gesprächen mit Kollegen und heute auch aus dem Internet an.
«Ich kann stundenlang Bilder von Ästen mit epiphytischen Pflanzen betrachten», sagt der Pflanzen- und Tierliebhaber. Sein Wissen ist gefragt, ob inbotanischen Gärten oder in Zoos. So hat er etwa bei der Neugestaltung des Vivariums des Tierparks Bern mitgewirkt.
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Brutpflege bei Fröschchen
Seine ersten Pfeilgiftfrösche sah er als Jugendlicher in einer Basler Zoohandlung. Bald schon hielt er sie in einem Terrarium in seinem Zimmer in der elterlichen Mietwohnung. Damals war kaum etwas über diese Amphibien bekannt. Später heiratete René Waldner seine Frau Maja, die seither seine Leidenschaft unterstützt. Das Paar hat drei Kinder, baute das 100-jährige Haus in Aarburg um. René Waldner leitete den Gartenbaubetrieb eines Wohnheims im Ort. «Mit den Fröschchen gab es eine Pause. Enten, Schafe, Tauben und Hühner waren damals unsere Tiere», erzählt er. Als die Kinder grösser wurden, kamen aber die Fröschchen wieder ins Spiel. «Es wurden dann relativ schnell mehr», fügt René Waldner mit einem Schmunzeln an.
Die Zucht von Pfeilgiftfröschen ist anspruchsvoll. Ohne stete Präsenz und Hingabe gelingt sie nicht. In René Waldners Froschzimmer im ersten Stock seines Hauses schwimmen in verschiedenen weissen Bechern Eichenblätter. Darauf wabert Laich, doch nicht massenweise, wie man es von einheimischen Froschlurchen kennt, sondern lediglich drei bis fünf Eier.
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René Waldner erzählt: «Erdbeerfröschchen betreiben Brutpflege.» Sie legen vier bis sechs Eier in nasses Laub. Das Männchen bewacht sie und hält sie feucht. Nach dem Schlupf bringt das Weibchen die einzelnen Kaulquappen in verschiedene Bromelientrichter in der Baumkronenschicht. Es geht dann dort regelmässig vorbei und legt zu der Kaulquappe im Minitümpel je ein unbefruchtetes Ei.» Davon ernährt sich die Kaulquappe. «Ich finde es erstaunlich, dass das Weibchen während drei Monaten jede einzelne Bromelie mit Kaulquappen wieder findet», sagt Rene Waldner. Weil die Fröschchen bis in die Kronenschicht der Regenwaldbäume klettern, wo die Bromelien gedeihen, werden sie auch Baumsteiger genannt.
Jede Kaulquappe müsse einzeln gehalten werden. René Waldner greift nach einem Becher, der unter einer Terrarienreihe in einem Gestell steht. Darin schwimmt ein gelb-schwarzer, grosser Rossnagel. Sobald die Metamorphose, also die Umwandlung vom Kiemen- zum Lungenatmer, beginnt, setzt er ihn in ein Kleinterrarium. Seine Nachzuchten krabbeln zum Beispiel in einem Grossterrarium des Tierparks Bern und stapfen sogar frei durch das Vivarium. Ebenso rufen sie im Tropenhaus des Botanischen Gartens Basel und in der Juwelenhalle des Basler Zoos. Schnell wird klar: Die Zucht von Pfeilgiftfröschen ist komplex. «Wir gehen kaum in die Ferien.» Er sei zufrieden, habe keine Wünsche. «Die Fröschchen sind mein Leben, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen beschäftige ich mich mit ihnen», sagt der Naturverbundene, der mit ruhigen, gefühlvollen Griffen in seinem Terrariumzimmer hantiert, derweil es aus einer Ecke glockenhell ruft, gegenüber setzt ein weiteres Fröschchen ein.
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Nachzuchten von zwölf Arten
Er habe keine besonderen Lieblinge. «Ich hänge an allen», konstatiert er. Er sei den Tieren verpflichtet. Das führt dazu, dass er stundenlang Wasser wechselt und täglich zweimal von Hand alle Terrarien mit Wasser besprüht. Die Bromelientrichter, Moose und Farne überleben nur dank hoher Luftfeuchtigkeit.
René Waldner verwendet kein gewöhnliches Leitungswasser, sondern Osmosewasser. Über eine entsprechende Anlage entzieht er dem Leitungswasser den Kalk.
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Doch das wirklich Aufwendige bei der Haltung und Zucht von Pfeilgiftfröschen sei die Fütterung. Das Resultat lässt sich sehen: René Waldner zieht zwölf Arten regelmässig nach. Sie haben keine deutschen Namen, sondern exotisch klingende Bezeichnungen wie Ameerega bassleri «Chrome», Oophaga pumilio «Bastimentos», Ranitomeya amazonica «FrenchGuyana» oder Ameerega trivittata. Gemeinsam ist allen ein auffälliges Aussehen, entweder blau-schwarz, rot mit schwarzen Punkten, gelb mit schwarzen Längspunkten oder schwarz mit gelben Streifen.
Nur drei der etwa 170 Arten von Pfeilgiftfröschen werden von Indigenen im südamerikanischen Regenwald verwendet, um Pfeilspitzen zu vergiften. «Die Giftigkeit verlieren sie in der Haltung, sie entsteht in der Natur vermutlich durch die Nahrungsaufnahme», sagt René Waldner. Er füttert seinen Fröschchen Essigfliegen in verschiedenen Grössen. Die Insekten züchtet er in Bechern, die in einer Wasserlösung stehen. «Um sie vor Milbenbefall zu schützen.» Die Essigfliegen ernährt er mit Spirulina, Hefe und Lorifutter. Sehr wichtig sind zudem Zucker, Obstessig, Banane und Haferflocken. Weiter zieht er an jungen Erbsengewächsen Erbsen- und Wickenblattläuse. Auch Springschwänze und Ofenfischchen stehen auf dem Menüplan seiner Feinschmecker.
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Steine, Robinienwurzeln, Eichenlaub, alles, was René Waldner zur Terrarienausstattung braucht, erhitzt er vorher eine Stunde lang im Backofen bei 80 °C. «Das tötet Pilze und Schädlinge ab.» Pfeilgiftfrösche leiden an einer Pilzinfektion. Das hat einige auch in der Natur an den Rand des Aussterbens gebracht, nebst der fortschreitenden Lebensraumvernichtung. Bestände im Zoo und bei Privaten sichern das Überleben. Schon lange werden nur nachgezüchtete Frösche gehandelt.
René Waldner lebt zwar in Aarburg, doch meist tummelt sich der Mann mit Feingefühl und immensem Fachwissen irgendwo in Südamerika an einer Berg-flanke voller Moos, wo Wasser tropft, Fröschchenklettern und ganz unterschiedliche Blattformen im Regennass glänzen. «Ich schaue manchmal stundenlang in meine Tropenwelt», sagt er, während ein Fröschchen pfeift.
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