Jahrhunderthochwasser in Langenthal
Wenn das Wasser bis zum Hals steht
Hochwasser kann lebensgefährlich sein, ist jedoch ein natürliches Ereignis mit ökologischem Nutzen. Menschliche Eingriffe in Flusslandschaften und die Nutzung der Auen veränderten dieses Phänomen.
Flüsse, Bäche und Seen, die über die Ufer treten, beschäftigten Menschen schon immer. Bereits im Mittelalter wurden aussergewöhnliche Wassermassen aufgezeichnet. Starker Niederschlag oder aufstossendes Grundwasser können unter anderem Gründe für Hochwasser sein. Genau genommen, beschriebt der Begriff Hochwasser jedoch nur den gestiegenen Wasserstand von Gewässern. Es tritt auf, wenn Seen, Bäche und Flüsse viel Wasser führen – zum Beispiel nach starker Schneeschmelze. Zu Überschwemmungen kommt es, wenn in der Folge die Gewässer über die Ufer treten und angrenzende Gebiete überfluten, die normalerweise im Trockenen liegen.
Viele Menschen fürchten sich vor Hochwasser – zu Recht. Doch Hochwasser haben auch einen grossen ökologischen Nutzen. Durch ihren Einfluss bilden sich einzigartige Ökosysteme und sie dienen der Grundwassererneuerung. Die natürlichen Überschwemmungsgebiete werden Auen genannt. Natürliche Flüsse haben ein breites Flussbett, mehrere Arme und schlängeln sich um Inseln. Erst mit dem Bau von Siedlungen nahe an den Gewässern und mit der landwirtschaftlichen Nutzung der Auen wurden Hochwasser für den Menschen zum Problem. Sie führen nicht nur zu massiven materiellen Schäden, sondern fordern auch immer wieder Leben. Flussbegradigungen und grossflächige Entwässerungen führten zudem dazu, dass Hochwasser höher und schneller anschwellen. Aus diesem Grund wurden einige Gebiete anfälliger für Hochwasser.
Nass mit Kraft
Ob ein Gebiet Hochwasser gefährdet ist oder nicht, hängt laut dem Bundesamt für Umwelt von verschiedenen Faktoren ab. Bergiges Gelände ist weniger von Hochwasser betroffen. Murgänge können in diesen Gebieten aber ein Problem sein. Dabei kommt ein Gemisch aus Gestein und Wasser den Hang runter. Flache Regionen sind hingegen eher hochwassergefährdet.
Wenn Bäche und Flüsse über die Ufer treten, haben die Wassermassen aufgrund ihrer Fliessgeschwindigkeit eine enorme Zerstörungskraft. Überschwemmungen von Seen hingegen dauern zwar länger, führen aber oft zu weniger Schäden. Es gibt drei verschiedene Arten von Hochwasser: Sturzfluten, Sturmfluten und Flusshochwasser. Erstere treten grösstenteils in Berg-gebieten rund sechs Stunden nach einem starken Regenereignis auf. Sie können aber auch fernab von Gewässern auftreten. Wenn der Boden gesättigt ist, bahnt sich die Wassermasse einen eigenen Weg durch die Landschaft. Sturzfluten haben ein hohes Zerstörungspotenzial und sind fast nicht vorhersehbar.
Eine weitere Form von Hochwasser ist die Sturmflut. Diese entsteht aber nur bei grossen Seen oder am Meer. Wenn starker Wind über das Wasser fegt, wird dieses in Richtung Küste gedrückt. Sturmfluten werden je nach Region unterschiedlich definiert.
Hohe Trottoirs für trockene Füsse
Eine häufige Form von Hochwasser sind Flusshochwasser. Diese kommen besonders im Mittelland vor und prägten ganze Städte. So die Berner Kleinstadt Langenthal, die früher als «Klein-Venedig» bezeichnet wurde. Die hohen Trottoirs der Innenstadt lassen auf eine eng mit der Naturgewalt verbundene Geschichte schliessen. Die Langete entspringt im Emmental, fliesst durch das Städtchen hindurch und anschliessend in die Murg. So wie der Fluss die Stadtarchitektur prägte, beeinflusste er auch den Stadtnamen. Langenthal bedeutet so viel wie «befestigter Platz an der Langete».
«Schon im 19. Jahrhundert begann Langenthal mit Hochwasserschutz», sagt Beat Schöni vom Hochwasserschutzverband Oberaargau. So wurden die über einen Meter hohen Trottoirs gebaut. Doch in den 1980ern mussten zusätzliche Massnahmen ergriffen werden. Folglich wurde vor Langenthal ein Entlastungsstollen gebaut. Bei Madiswil wird das überschüssige Wasser umgeleitet und fliesst durch den siebeneinhalb Kilometer langen Stollen bei Bannwil in die Aare. Zuvor hatte man die Langete durch Langenthal geleitet und das Wasser im Wald versickern lassen.
Der Bau des Stollens kostete 80 Millionen Franken. Eine hohe Summe. Doch die Schäden des Jahrhunderthochwassers in Langenthal im Jahr 1975 bewegten sich in gleicher Höhe. Deshalb drängten unter anderem auch die Versicherungen auf das Schutzprojekt. Die hohen Trottoirs der Innenstadt braucht es übrigens immer noch. Beim Jahrhunderthochwasser am 21. Juni 2007 wurde die Langete wieder durch die Innenstadt geleitet und die Anwohnenden behielten dank der Trottoirs trockene Füsse.
Hochwassergefahrenstufen: Was sollte man tun?
Gefahrenstufe 1: nur geringe Gefahr
Das Wasser übertritt das Ufer nicht, trotzdem ist der Aufenthalt in der Nähe von Gewässern nicht unproblematisch und man sollte wachsam sein.
Gefahrenstufe 2: mässige Gefahr
Ab dieser Stufe übertritt das Wasser das Bachufer. Trotzdem sind Überflutungen unwahrscheinlich. Man sollte genügend Abstand zu Fliessgewässern halten und erste Schutzmassnahmen treffen. Diese sind bei Meteo Schweiz zu finden. meteoschweiz.admin.ch
Gefahrenstufe 3: erhebliche Gefahr
Diese Gefahrenstufe tritt alle 10 bis 30 Jahre auf und es kommt zu Überschwemmungen. Es muss mit ernsten Schäden gerechnet werden und man sollte einen grossen Bogen um Fliessgewässer machen.
Gefahrenstufe 4: grosse Gefahr
Gebäude und Infrastrukturanlagen sind von Überflutungen betroffen. Diese Art von Hochwasser tritt nur alle 30 bis 100 Jahre auf.
Gefahrenstufe 5: sehr grosse Gefahr
Bei Jahrhunderthochwasser sind jegliche Infrastrukturanlagen bedroht, die teilweise auch von nationaler Bedeutung sind. Das Hochwasser führt zu massiven Verkehrsbehinderungen.
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