Klares, sauberes Wasser – in der Schweiz alltäglich, in vielen Teilen der Welt jedoch ein knappes Gut. Bei uns sprudelt es aus dem Hahn, läuft durch die Dusche, füllt die Waschmaschine – und verschwindet danach im Abfluss. Aus bestem Trinkwasser wird sogenanntes Grauwasser. In Schweizer Haushalten macht es rund zwei Drittel des gesamten Abwassers aus. Dabei ist es nur gering verschmutzt, da es nicht mit Fäkalien in Berührung kommt. Anstatt es ungenutzt in die Kanalisation zu leiten, liesse es sich aufbereiten und erneut verwenden.

«Zurzeit verwenden wir hochwertiges Trinkwasser – zum Giessen, für die Toilettenspülung oder zum Waschen», sagt Frederik Hammes von der Eawag, dem Schweizer Wasserforschungsinstitut. «Genau dies sind typische Bereiche, in denen aufbereitetes Grauwasser eine sinnvolle Alternative darstellen würde.» Das Potenzial ist gross: Wird behandeltes Grauwasser etwa für Toilettenspülungen und Gartenbewässerung genutzt, lässt sich der Trinkwasserverbrauch eines Haushalts um rund ein Drittel senken. Mit einer weitergehenden Behandlung – sodass das Wasser auch für Waschmaschinen oder Duschen nutzbar wird – könnte der Verbrauch sogar um zwei Drittel reduziert werden.

Doch bevor Grauwasser wiederverwendet werden kann, bedarf es einer Aufbereitung. «Für die meisten Anwendungen geht es darum, Geruch und Trübung zu entfernen, Nährstoffe zu reduzieren, um mikrobielles Wachstum zu verhindern, und Krankheitserreger wie Bakterien und Viren unschädlich zu machen», erklärt Hammes. Technisch geschieht dies meist mit einem Membranbioreaktor – einer Kombination aus biologischer Aufbereitung und Ultrafiltration. Je nach Verschmutzungsgrad und Einsatzzweck können weitere Schritte wie Aktivkohlefilter oder Desinfektionsverfahren hinzukommen.

Nur plätschernde Zukunftsmusik?

Trotz erprobter Verfahren sind die Hürden für eine breite Nutzung hoch. Eine zentrale Herausforderung bleibt die Hygiene. Auf die Frage, ob nicht eine direkte Weiterleitung des Grauwassers in den Spülkasten der Toilette Sinn mache, erwidert Hammes: «In gespeichertem Grauwasser kann es zum Wachstum opportunistischer Pathogene wie Legionella pneumophila kommen». Diese Erreger können während dem Spülvorgang versprüht werden und so in die Atemluft gelangen – ein Gesundheitsrisiko. Als zweiten Grund dagegen führt Hammes die Ästhetik an: «Das Grauwasser aus der Dusche ist nicht ansprechend, und die meisten Menschen bevorzugen, dass das WC nach dem Spülen sauber aussieht». Ebenso würden unangenehme Gerüche oder schleimiges Wasser aus dem Spülkasten nicht gut ankommen.

Neben den technischen und hygienischen Fragen gibt es weitere Stolpersteine: Noch fehlen in der Schweiz klare Richtlinien zur Grauwasser-Wiederverwendung, wie sie etwa in Deutschland oder in einigen Staaten der USA existieren. Und auch die gesellschaftliche Akzeptanz ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen zögern, wenn es darum geht, «gebrauchtes» Wasser im Haushalt wieder einzusetzen. «Die Akzeptanz durch die Konsumenten bleibt eine Herausforderung», bestätigt Hammes.

Dass sich diese Hürden überwinden lassen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Deutschland. In Mannheim-Feudenheim wurde im neuen Wohnquartier Aubuckel ein innovatives Wasserkonzept realisiert, welches zur Blaupause für andere Städte werden könnte. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt «ReSource Mannheim» kombiniert Regenwassernutzung mit Grauwasser-Aufbereitung: Grauwasser aus Duschen, Waschmaschinen oder Handwaschbecken wird gesammelt, mit einer Ultrafiltrationsanlage gereinigt und anschliessend wieder in die Haushalte zurückgeführt – für die WC-Spülung oder sogar für den erneuten Einsatz in der Waschmaschine.

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Herzstück ist ein eigens angelegtes Teichsystem, das mehrere Funktionen erfüllt: Es speichert überschüssiges Regenwasser, versorgt die Grünanlagen mit Wasser, kühlt bei Hitze und dient im Notfall als Puffer bei Stark-regen. «Temperaturanstieg und dadurch Dürre, Hitze, Grundwasserstress, aber auch Starkregen und Überschwemmungen zwingen bei städtischen Planungen zum radikalen Umdenken. Mehr Brauchwasser- statt Frischwassernutzung muss die Devise sein», betont DBU-Generalsekretär Alexander Bonde bei der Vorstellung des Projektes. Städte müssen sich in Zukunft wie Schwämme verhalten – Wasser aufnehmen, speichern und bei Bedarf wieder abgeben. So wird die Wasserversorgung klimaresilienter. Gerade in Ländern mit Wasserstress könnte somit die Wiederverwendung von Grauwasser zu einer nachhaltigeren Wasserwirtschaft beitragen.