Mikroplastik ist allgegenwärtig – in der Luft, die wir atmen, im Wasser, das wir trinken, und in der Nahrung, die wir täglich zu uns nehmen. Nachweise gibt es längst: «Die winzigen Kunststoffpartikel wurden im menschlichen Blut, in der Lunge, in der Plazenta und sogar in der Muttermilch gefunden», sagt Joëlle Hérin, Expertin für Konsum und Kreislaufwirtschaft bei Greenpeace Schweiz.

Eine kürzlich in Nature Medicine veröffentlichte Studie berichtet zudem erstmals über Mikroplastik im menschlichen Gehirngewebe, ein alarmierender Hinweis darauf, dass selbst unsere biologischen Schutzbarrieren nicht unüberwindbar sind. «Der Mechanismus, durch den Nanoplastik ins Gehirn gelangt und dort aufgenommen wird, ist allerdings noch unklar.»

Wir wissen aber, wie die Partikel in den Körper gelangen. «Die Hauptaufnahme erfolgt über Lebensmittel und Getränke», erklärt Hérin unter Verweis auf das Food Packaging Forum 2024. «Doch auch Hausstaub, welchen wir verschlucken, sowie das Einatmen von Mikroplastik in der Luft, zählen zu den relevanten Expositionsquellen.»

Was diese Partikel im Körper anrichten können, ist bislang ebenfalls nicht vollständig geklärt. «Die gesundheitlichen Risiken sind noch unzureichend erforscht und dennoch schon jetzt besorgniserregend», warnt Joëlle Hérin.

Mikroplastik in Schweizer Wildtieren

Auch Tiere sind betroffen - und dies nicht nur in den Meeren oder in der Luft. «Die Schweizer Wildtiere sind von der weitreichenden Verschmutzung ihrer Lebensräume durch Plastik nicht verschont geblieben», sagt Hérin mit Blick auf die erste landesweite Untersuchung von Wildtierkot, die Greenpeace Schweiz in Auftrag gegeben hat. Das Resultat ist alarmierend: «In 14 von 15 Proben, darunter Reh, Wildschwein, Gämse, Fuchs und Steinmarder, haben wir Mikroplastik nachgewiesen, teils in auffallend hoher Konzentration», berichtet die Expertin. In einzelnen Fällen fanden sich über 600 Partikel pro Gramm Kot.

Besonders besorgniserregend sei, so Hérin, «dass selbst Tiere, die weit entfernt von Siedlungen leben, die Partikel aufnehmen. Dies zeigt, wie weitreichend und tiefgreifend die Plastikverschmutzung unserer Umwelt inzwischen ist.»

Wie genau Mikro- und Nanoplastik in Mensch und Tier gelangen, ist Gegenstand aktueller Forschung. Klar ist: Die Partikel entstehen meist durch den Zerfall grösserer Kunststoffteile, etwa durch Witterung, Reibung oder UV-Strahlung.

Gesundheitsrisiken und Umweltfolgen

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) untersucht, wie sich Makroplastik unter solchen Einflüssen in immer kleinere Teilchen zersetzt – bis hinunter zur Nanoebene. Zwar steht die Forschung vielerorts noch am Anfang, doch immer mehr Fachleute gehen davon aus, dass die im Gewebe nachgewiesenen Partikel nicht folgenlos bleiben. Mikro- und Nanoplastik können nicht nur in den Körper eindringen, sondern sind oft mit Schadstoffen beladen und verhalten sich im Organismus keineswegs neutral.

«Kunststoffe enthalten mehr als 16 000 chemische Substanzen, von denen bei über einem Viertel die gesundheitliche Gefährlichkeit bereits belegt ist», warnt Hérin. Dazu zählen etwa endokrine Disruptoren, PFAS oder Flammschutzmittel – Stoffe, die mit zahlreichen chronischen Erkrankungen wie Krebs, Unfruchtbarkeit, Fettleibigkeit, Endometriose, Asthma, Diabetes, Herzkrankheiten, Frühgeburten oder ADHS in Verbindung gebracht werden. «Die Gefährlichkeit der übrigen rund 10 000 Zusatzstoffe ist bislang kaum erforscht», so Hérin weiter.

Diese Sorgen teilt auch ein grosser Teil der Bevölkerung. Laut einer Umfrage im Rahmen von The Big Plastic Count machen sich rund 95 Prozent der Teilnehmenden Gedanken über mögliche Gesundheitsgefahren durch Plastik und seine chemischen Zusätze, besonders in Bezug auf Kinder und künftige Generationen.

Die Aktion wurde im Frühjahr 2025 erstmals in der Schweiz durchgeführt und von der Gallifrey Foundation, Earth Action for Impact und Greenpeace Schweiz organisiert. 11 586 Personen aus 4498 Haushalten zählten exakt mit und dokumentierten so insgesamt 215 463 entsorgte Plastikstücke. Unter der Annahme, dass die Daten repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind, ergibt dies hochgerechnet auf ein Jahr 9 Milliarden Plastik-teile für die gesamte Schweizer Bevölkerung. Besonders ins Gewicht fielen dabei Verpackungen für Lebensmittel und Getränke: Sie machten 83 Prozent des gesammelten Plastiks aus.

Lösungsansätze und Forschung

Doch es reicht nicht, nur zu dokumentieren. Laut Hérin braucht es dringend wirksame Gegenstrategien. Ein Beispiel liefert die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL: Ihre Wissenschaftler untersuchen Mikroorganismen aus alpinen Böden, die selbst bei niedrigen Temperaturen in der Lage sind, Plastik zu zersetzen. In Laborexperimenten zeigten kälte angepasste Bakterien und Pilze, dass sie kompostierbare Folien, wie sie in Grünabfallsäcken verwendet werden, sichtbar angreifen. Herkömmliches Polyethylen hingegen blieb unversehrt. Biologisch abbaubare Kunststoffe könnten somit in bestimmten Umfeldern Teil der Lösung sein.

Doch auf technische Innovationen allein kann sich die Lösung nicht stützen. Die Greenpeace-Expertin betont: «Politische Massnahmen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, sollten sich an einem strengen Vorsorgeprinzip orientieren: Reduktion der Plastikproduktion, Ausbau von Wiederverwendungssystemen und ein Verbot von unnötigen oder problematischen Chemikalien und Plastikprodukten, wie Einwegverpackungen.»

Doch ohne verbindliche politische Rahmenbedingungen und einen echten Wandel im Umgang mit Kunststoffen, insbesondere der Reduktion an der Quelle, hält Hérin ihr Potenzial für extrem begrenzt. Dass die Bevölkerung bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, zeigt der Erfolg von The Big Plastic Count. «Die starke Beteiligung an der Aktion macht deutlich, dass das Bewusstsein für die Plastikkrise wächst – und mit ihm auch der Druck auf Politik und Wirtschaft, endlich wirksam zu handeln.»

Was sind Mikro- und Nanoplastik?

Mikroplastik bezeichnet Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 Millimeter sind – also etwa so gross wie ein Pfefferkorn oder kleiner.

Nanoplastik ist noch deutlich feiner: Laut einer gängigen Definition gelten Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 Mikrometer (100 Nanometer) als Nanoplastik – dies entspricht etwa einem Tausendstel des Durchmesserseines menschlichen Haars.

Beide Formen entstehen häufig durch den Zerfall grösserer Kunststoffteile, etwa durch Sonne, Reibung oder chemische Prozesse, und sind für das menschliche Auge unsichtbar.

Tipps für den Alltag:

Tipps von Joëlle Hérin, Expertin für Konsum und Kreislaufwirtschaft bei Greenpeace Schweiz

  • Verwenden Sie Glas- oder Edelstahlbehälter statt Einwegplastik.
  • Kaufen Sie Kleidung aus Naturfasern statt aus synthetischen Materialien.
  • Vermeiden Sie Getränke in PET-Flaschen.
  • Verzichten Sie auf Mikrowellenmahlzeiten in Plastikverpackungen.
  • Bewahren Sie Lebensmittel in Glas- oder Metallgefässen auf.
  • Staubsaugen Sie regelmässig und reinigen Sie die Filter.
  • Verwenden Sie plastikfreie Kosmetika und Reinigungsmittel.

Jede kleine Veränderung zählt – für unsere Gesundheit, die Natur und kommende Generationen.