In einem Wäldchen in Bad Ragaz wuselt Indy durch das hohe Gras. Die elfjährige Berger-des-Pyrénées-Hündin hat die Nase am Boden. Sie ist auf der Suche nach einem Leckerbissen. Ihre Nase gleitet an einer Wurzel eines Haselbaums entlang. Plötzlich beginnt sie zu scharren. «Warten!», ruft Andrina Bisaz. Die Bäuerin läuft schnurstracks zum Fundort. Während sich Indy vergnügt an ihremLeckerchen zu schaffen macht, holt Andrina Bisaz eine Schaufel aus ihrer Bauchtasche und beginnt zu graben. Mit einem Grinsen befreit sie die schwarze Knolle vom Dreck.

Es sind die Burgundertrüffel, die sie und ihren Mann vor neun Jahren viel Geld und ein grosses Risiko kosteten. «Wir kamen selbst natürlich nicht auf die Idee. Ich und mein Mann Urs Horni hatten nichts mit Trüffel am Hut», erklärt die 45-Jährige. Das Paar führt einen grossen landwirtschaftlichen Betrieb mit 80 Milchkühen und 26 Hektaren Ackerland. Die Milch geben sie in die Emmi-Molkerei im nahen Landquart. Über die Idee, hier im sankt-gallischen Bad Ragaz eine Trüffelplantage anzulegen, wurden sie belächelt. «Umso cooler war es dann, als das Ganze funktioniert hat», erzählt Andrina Bisaz, die studierte Tierärztin.

Nur eine Handvoll Landwirte bauen in der Schweiz Trüffel im grossen Stil an. Der Erfahrungsschatz ist also sehr klein. Ein Agronomiestudent, der auf ihrem Betrieb das Praktikum machte, liess den ersten Funken sprühen. Die Tierärztin erklärt: «Er schrieb seine Bachelorarbeit zum Trüffelanbau und war begeistert von den lokalen Begebenheiten.» Der alkalische und sandige Boden eignet sich perfekt für Trüffel. Nach einer positiven Bodenprobe wagte es das Paar und kaufte 600 mit Pilzsporen geimpfte Bäume – eine Investition von 16 000 Franken, die sich auf keinen Fall sofort bezahlt machte. «Es hiess, dass wir so oder so mindestens fünf Jahre warten müssen», erklärt Andrina Bisaz.

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Mittlerweile sind die Bäume schon fünf bis sechs Meter hoch und zu einem regelrechten Wäldchen angewachsen, in welchem die Hunde immer wieder Trüffel finden. «Im Jahr 2022, sieben Jahre nach dem Pflanzen, fanden wir die ersten Trüffel. Im Jahr 2023 konnten wir schon sechs Kilo Edelpilze ausgraben.» Ihr Mann Urs Horni ergänzt: «Und noch nicht alle Bäume tragen Pilze. Momentan sind es nur 10 bis 20 Prozent.» Die Trüffelplantage sei nicht nur finanziell, sondern auch was die Arbeit angeht, ein enormer Aufwand gewesen, erklärt der 54-jährige Urs Horni. Die 45 Aren Trüffelplantage werden regelmässig gepflegt: Die Bäume müssen zurückgestutzt werden, sodass sie wenig Schatten werfen. Denn nach Lehrbuch mögen die Trüffelpilze keinen Schatten – doch: «Bei uns ist das aber nicht so, wir haben auch Trüffel an schattigen Plätzen», erklärt Urs Horni. Das Gras im kleinen Wäldchen wird nur einmal im Jahr gemäht und dient sonst als Ökofläche. Dünger gibt es auch keinen. Das Paar muss die Trüffelbäume aber regelmässig nachimpfen. Dafür nutzen sie aussortierte Trüffel mit Makeln oder alte, die sie nicht mehr brauchen. «Hätten wir gewusst, wie viel das zu tun gibt, hätten wir das vielleicht nicht gemacht», sagt Urs Horni mit breitem Lachen.

Mehr als ideale Böden

Trüffelpilze wachsen an den Wurzeln von Bäumen, mit denen sie eine Symbiose eingehen. Als Trüffelbäume eignen sich Eichen, Buchen, Haselsträucher und Heimbuche – sie sind alle auf der Plantage in Bad Ragaz zu finden. Zwischen dem Baum und dem Pilz findet ein Nährstoffaustausch statt: Der Pilz erhöht die Wurzeloberfläche des Baumes, der so einfacher Wasser und Nährstoffe aus dem Boden ziehen kann. Dafür erhält der Pilz Kohlenhydrate vom Trüffelbaum.

Der Burgundertrüffel (Tuber aestivum var. uncinatum) ist in Europa verbreitet und wird angebaut. Er hat eine dunkelbraune bis schwarze Aussenhaut und wird zwei bis acht Zentimeter gross. Das Gewicht schwankt je nach Grösse enorm, typischerweise liegt es zwischen 20 und 100 Gramm. Den grössten Fund auf der Ragazer Trüffelplantage war ein Pilz von stolzen 350 Gramm. Pro 100 Gramm verrechnet das Paar je nach Qualität des Burgundertrüffels 80 bis 100 Franken. Zwischendurch gibt es aber auch schwarze Knöllchen für den Eigengebrauch: Als Scheibe über dem Raclette oder in einer Rahmsauce schmeckt Andrina Bisaz und Urs Horni der Trüffel am besten.

«Es ist schon schön, einfach ein Hunderternötchen am Boden zu finden»

Urs Horni Landwirt, Bad Ragaz

Bad Ragaz eignet sich aber nicht nur bodentechnisch bestens für Trüffel. Der Kurort ist ein Mekka der gehobenen Gastronomie und die umliegenden Hotels wie das «Grande Resort Ragaz» nehmen den Burgundertrüffel mit Handkuss entgegen. Dass er auch noch aus Bad Ragaz stammt, macht ihn umso attraktiver. Lagern kann man die Raritäten nur schlecht. Den frisch geernteten Pilz verwahrt die Bäuerin in Küchenpapier eingewickelt in einem Glas oder Tupperware. So ist der Pilz etwa zwei Wochen haltbar. Danach oder im gefrorenen Zustand verliert der Trüffel aber enorm an Geschmack. Zur Produktion von Öl ist der frische Trüffel nicht geeignet, weil er gärt: «Die bekannten Trüffelöle sind alle synthetisch», erklärt Andrina Bisaz.

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Obwohl die Plantage mittlerweile einiges abwirft, sind die Trüffel nur ein Nebenerwerb. Dennoch haben die beiden klare Ziele: Sie möchten ihre Trüffel unter die Leute bringen. Eine grosse Chance war für sie die Nominierung für den Agropreis 2024. Dieser fördert aussergewöhnliche Innovationen in der Landwirtschaft nach den Kriterien Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Ökologie. «Deshalb haben wir auch eine Website und Social Media», erklärt Andrina Bisaz. Ziel ist es, eigene Trüffelprodukte herzustellen: «Ein Trüffel-Raclettekäse wäre toll.»

Der Trüffelplausch hält aber nicht ewig an, prognostiziert Andrina Bisaz. «In 15 Jahren werden die Bäume immer weniger Trüffel geben.» Dieses Jahr wird es ihr erster Winter sein; bisher ernteten sie vor allem Sommertrüffel, diese sind aber milder im Geschmack als der herbstliche, geschmacklich viel intensivere Burgundertrüffel.

Untypische Trüffelhunde

Unentbehrlich für den Trüffelerfolg im Rheintal sind die Trüffelhunde des Paars: Indy und Taro. Die beiden sind zwar keine klassischen Trüffelhunde, wie beispielsweise der Lagotto, liessen sich aber problemlos dazu ausbilden. «Die beiden sind verfressen. Sie verknüpften das Guddeli schnell mit dem Trüffel und kamen angerannt», erzählt die Tierärztin. «Zuerst trainierten wir mit Übungstrüffeln, danach mitunseren eigenen», erklärt Andrina Bisaz, während sie mit den beiden Hunden durch das hohe Gras streift. Indy, die Nase immer noch am Boden, ist auf der Suche nach dem zweiten Fund des Tages. Im Herbst gibt es aber eine grosse Ablenkung: die Hasel-nüsschen. Die beiden Hunde kauen immer wieder daran. «Natürlich sind sie etwas abgelenkt», sagt die Bäuerin. Trotzdem findet die Hündin noch zwei weitere Trüffel auf dem täglichen Rundgang. «Man muss einfach genügend schnell sein, sonst fressen sie sie selbst», erklärt Andrina Bisaz lächelnd. «Es ist schon schön, einfach ein Hunderternötchen am Boden zu finden», ergänzt Urs Horni grinsend