Ein Rüsselhündchen mit nussbraunem Fell, Beinchen wie Bleistifte und einer Nase wie ein Mini-Staubsaugerrohr stelzt über Falllaub, schnuppert und blickt an einem Baumstamm hoch. In der Höhe entfaltet ein Geweihfarn der Art Platycerium elephantotis seine hellgrünen, gerundeten Blätter aus einem Horst. Die Szene wirkt wie in einem Waldgebiet im östlichen Afrika – nicht zuletzt wegen den Pflanzen. Sie spielt aber in einer Vitrine im Elefantenhaus des Basler Zoos. Die Bepflanzung ist auf die Tierart und ihr Biotop abgestimmt. Solche Pflanzenexklusivitäten sind jedoch nicht im normalen Pflanzenhandel zu finden, wo oft nur Hybriden angeboten werden.

Der spezielle Geweihfarn bei den Rüsselhündchen wuchs im Solothurner Bezirk Gäu in Härkingen heran. Dort entfaltet sich tropisches Grün in zwei aneinanderliegenden Treibhäusern. An sieben Tagen in der Woche streifen Michael und Maria Schneider durch ihrebesonderen Tropenwälder. «Hier ziehen wir Jungpflanzen heran», sagt Michael Schneider inmitten von Töpfen, während Wasser aus Leitungen zischt und sprüht. Sein aufmerksamer Blick richtet sich entlang des Mittelgangs, wo zu beiden Seiten kleine Geweihfarne auf angekohlte Bretter aufgebunden sind. Seine Partnerin Maria ergänzt: «Es gibt 18 Arten des Geweihfarns.» Sie stammen hauptsächlich aus Afrika, Asien und Australien, doch es gibt auch eine südamerikanische Art. «Platycerium andinum wächst in den Bergregenwäldern entlang der Anden.» Hirschgeweihfarne seien gegenwärtig sehr gefragt. «Wir vermehren sie selbst hier in Härkingen», streicht Michael Schneider heraus. Inihrem Betrieb Farnwerk haben sich die beiden auf die Zucht von speziellen Tropenpflanzen spezialisiert. «Man muss sich auf jede Pflanzenart einstellen», betont Maria Schneider.

Ihr Partner wendet derweil ein langes, gezahntes Blatt eines kapitalen Geweihfarns aus den Anden. Er zeigt auf eine braune Stelle auf der Blattrückseite und sagt: «Das ist Sporengewebe. Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen, um es zu ernten.» Der Pflanzenfreund übernachtet manchmal im Treibhaus, wenn die Vermehrung einer Pflanzenart seine Präsenz erfordert. Manche blühen beispielsweise nur in der Nacht. Da Insekten fehlen, nimmt Schneider die Bestäubung der Blüte selbst vor. Farne allerdings gehören zu den urzeitlichen Pflanzen und vermehren sich über Sporen, die wie Staub wirken. Die Pflanzenliebhaber setzten sie mit Sphagnum-Moos in Laborbedingungen an. Wenn dies gelänge, wüchsen viele Jungfarne heran. Nach rund einem Jahr würden sie die einzelnen jungen Geweihfarne aufbinden. In den Tropen setzen sich die Sporen an einem Ast fest und entwickeln sich dort aus einem Vorkeim zu einer ausgewachsenen Pflanze.

[IMG 2]

Klein bleibende Terrarienpflanzen

Geweihfarne sind nicht nur beliebte Terrarienpflanzen, sondern auch Hingucker in der Wohnung. «In Japan herrscht derzeit ein richtiger Trend für Geweihfarne», streichen Michael und Maria Schneider heraus. Sie sind überzeugt, dass er auch in die Schweiz überschwappen werde. Sie hätten vor allem viele junge Kunden, die sich über das Internet informierten und auf Einträge von Influencern zu besonderen Pflanzen reagierten. «Pflanzen sind die neuen Haustiere», ist Michael Schneider überzeugt. Er bewegt sich wie ein Waldbewohner zwischen tellerrunden und lanzenförmigen Blättern. Michael Schneider und seine Partnerin haben Industriedesign studiert. Anschliessend habe er eine Lehre als Zierpflanzengärtner absolviert. Mit ihrem Farnwerk begannen die beiden Pflanzensammler 2017. Maria Schneider sagt: «Wir wollten gerne mit Pflanzen etwas machen. Die schlechte Verfügbarkeit vieler Arten führte dazu, dass wir sie selbst vermehren.»

Pflanzenpflege-Tipps
Damit sich Pflanzen im Innenbereich gut entwickeln, braucht es bestimmte Voraussetzungen. Das natürliche Tageslicht in Zimmern ist meist nicht ausreichend, Kunstlicht mit ungefähr 6000 Kelvin sollte zusätzlich eingesetzt werden. Werden Pflanzen mit normalem Leitungswasser übersprüht, bilden sich Kalkflecken auf den Blättern. Wer kein Regenwasser sammeln kann, sollte sich eine Osmoseanlage zulegen, die dem Leitungswasser den Kalk entzieht. Beleuchtung und Osmoseanlage sind im Zoofachhandel erhältlich. Pflanzen tut in der warmen Jahreszeit der Aufenthalt im Freien gut, wenn sie beschattet werden und trockene Luft vertragen.

Im Wohnbereich ist eine Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent für die meisten Tropenpflanzen ideal. Als Substrat eignen sich Bims, wenig Torf und Pinienrinde. Ein Universaldünger reicht, um Nährstoffe zuzuführen. Häufiges, aber schwaches Düngen ist besser. Einen speziellen Terrariendünger gibt es nicht. Der Nitratwert im normalen Pflanzendünger ist zu hoch und belastet das Wasser für die Bewohner zu sehr. Empfehlenswert ist Dünger für Wasserpflanzen, der direkt ans Wurzelsystem geführt wird. Unverzichtbar ist ein Ventilator. Zu wenig Licht, stehende Luft und Mangel an Nahrung schwächen die Pflanze.

Das Farnwerk ist samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. www.farnwerk.ch

Gegenwärtig würde in der Schweiz punkto Pflanzen sehr viel passieren, Social Media sei Treiber davon. Zudem schätzen es Terrarianer besonders, dass im Farnwerk hauptsächlich Wildformen gezogen werden. Einesteils möchten Reptilien- und Amphibienliebhaber Pflanzen, die aus den Herkunftsgebieten ihrer Tiere stammen, andererseits sind sie auf klein bleibende Gewächse aus. Im Schautreibhaus ihrer Gärtnerei befindet sich ein beispielhaft eingerichtetes Terrarium voller natürlicherweise klein bleibender Bromelien, Farne und Orchideen. Privat halten die beiden Experten Pfeilgiftfrösche in grossen, spektakulär bepflanzten Terrarien.

[IMG 3]

Aufsitzerpflanzen oder Epiphyten sind besonders beliebt zur Terrarienbepflanzung. Dazu gehören Bromelien, Tillandsien, viele Farne und manche Kakteen. Jungpflanzen müssen auf einem Ast oder Brett befestigt werden. Dafür haben Michael und Maria Schneider den Faden Epiflex entwickelt. «Er ist UV-beständig und spannt sogar nach», streicht Maria Schneider die Vorteile zu normalem Faden hervor. Werden also beispielsweise junge Geweihfarne auf ein Brett aufgebunden, werden sie mit Sphagnum-Moos umpolstert und mit dem Faden fixiert. «Mit der Zeit wird der Faden von Moos und Blättern völlig überwuchert», sagt Schneider. Für Terrarienwände hat das Paar ein schwarzes Vlies entwickelt, das ähnlich wie Sphagnum-Moos wirkt, jedoch dauerhaft ist. Es ist dreischichtig und speichert Feuchtigkeit. Darin gedeihen Moose und Farne, Epiphyten halten sich mit ihrem Wurzelwerk daran fest, so dass es im Behälter bald aussieht wie an einem Bachufer in Costa Rica.

Wenn die beiden durch ihre Treibhäuser gehen, kommunizieren sie nonverbal mit ihren Pflanzen. «Pflanzen muss man fühlen und intuitiv merken, ob sie Wasser benötigen», sagt Michael Schneider. Beide giessen täglich im Schautreibhaus manuell. Maria Schneider verweist auf den unterschiedlichen Wasserbedarf: «Die Alocasia-Arten mit ihren grossen Blättern benötigen viel Wasser, die Bromelien weniger, den Geweihfarnen sieht man es an, wenn sie gegossen werden möchten.» Michael Schneider fügt an: «Wie viel Wasser eine Pflanze benötigt, kommt auf die Haltungsbedingungen an.» Nicht alle Tropenpflanzen brauchen ständige Feuchtigkeit. Es gibt auch Geweihfarne, beispielsweise Platycerium veitchii, die in trockenen Gebieten Australiens auf Steinen siedeln.

Weltweite Pflanzensuche

Im tropischen Südamerika gedeihen Bromelien in den Baumkronen an einem Platz an der Sonne. Unter einer Kunstsonne entfalten sie im Farnwerk ihre gezähnten Blätter. Auch wenn sie in einem Treibhaus wachsen, werden sie zusätzlich beleuchtet. «Wir haben über 100 Arten und produzieren zwischen 30 und 150 Pflanzen pro Art», sagt Michael Schneider. Er zeigt auf eine Neoregelia azevedoi. Diese Art aus dem Atlantischen Wald Brasiliens sei sehr selten. Weiter schwärmt er von Neoregelia tigrina. «Sie wird nicht zu gross, eine hervorragende Terrarienpflanze.» Sie würden von den Mutterpflanzen Ableger nehmen. Das gelinge während zwei Jahren, dann zögen sie neue Mutterpflanzen heran. Nicht nur Bromelien gedeihen epiphytisch, sondern auch Farne wie Nephrolepis pendula. Die Blätter dieses südamerikanischen Schwertfarns wirken wie ein Wasserfall, so lang und graziös sind sie.

[IMG 4]

Ob kleine Formen des Weihnachts- und Osterkaktus, Flamingoblumen, Philodendren, Erdorchideen, Monstera-Arten, im Farnwerk werden ungewöhnliche Wildarten kultiviert und vermehrt. Die Pflanzen suchen die beiden Enthusiasten im Internet und finden sie in ihrem weltweiten Netzwerk von Gärtnereien, botanischen Gärten und Pflanzenfreunden. «Wir bringen jeden Monat neue Arten auf den Markt», sagt Michael Schneider. Terrarianerinnen und Pflanzenfreunde wissen das zu schätzen. Als sie beispielsweise Ceratostema rauhii, ein tropisches Erikagewächs, neu etabliert hatten, fuhr eine Kundin aus Deutschland extra nach Härkingen, um die Spezialität zu holen. Sie habe die peruanische Pflanze im Botanischen Garten von Heidelberg gesehen und sei begeistert gewesen, dass sie nun auch für Private erhältlich sei.

Und wenn ein Zoo eine Anlage für ein spezielles Tier plant, so hat das Farnwerk die passenden Pflanzen. «Wir besichtigen die Baustelle, setzen uns mit der Tierart und ihrem Biotop auseinander, prüfen die Bedingungen im Terrarium oder in der Vitrine und stellen die Pflanzen zusammen», sagen Michael und Maria Schneider, lächeln und verschwinden zwischen dramatisch wirkenden Blättern einer Anthurium-Pflanze in ihrem Treibhaus. Auch das Rüsselhündchen im Basler Zoo hat sich zwischen das Laub zurückgezogen, doch die Geweihfarne bilden konstant einen Blickfang.