Mit dem Hamster ist das so eine Sache: Wenn sich der Halter aufs Ohr legt, beginnt beim putzigen Vierbeiner das echte Leben – Interaktionen sind entsprechend rar und beschränken sich auf die paar Stunden vor Mitternacht. Nicht so bei «Moflin», dem KI-Kuschelhamster, der in Japan im November 2024 das Licht der Welt erblickte und im Nu ausverkauft war. «Moflin» mag es, rund um die Uhr zu knuddeln, erkennt die Stimme seines Gegenübers und quittiert das mit einem begeisterten Quietschen. Mehr noch: Er entwickelt eine eigene Persönlichkeit, die sich an den täglichen Interaktionen ausrichtet. Und dank einer App lässt sich jederzeit ermitteln, ob «Moflin» müde, ängstlich oder hungrig ist. Dieses Roboterhaustier helfe Menschen, Einsamkeit zu überwinden und die geistige Gesundheit zu verbessern, so das vollmundige Versprechen der Entwickler.

Hilfe bei Demenz

Die Debatte über Pro und Contra bezüglich neuer KI-Applikationen ist in vollem Gang. Kritiker sprechen von emotionaler Manipulation, Gefahren beim Datenschutz und ungeklärten ethischen Fragen, Befürworter betonen das immense Potenzial: Mit solchen KI-getriebenen Ersatztieren könnten ältere Menschen länger unabhängig leben, ihre kognitiven Fähigkeiten erhalten und eine bessere Lebensqualität erreichen, verspricht etwa Hasbro – ein Unternehmen, das «animatronische» Haustiere entwickelt. Seine «Joy for All»-Katzen und -Hunde, die ursprünglich für Kinder konzipiert wurden, lümmeln sich heute vor allem auf den Sofas älterer Menschen. Die knuddeligen, mit modernster Sensor-, Bewegungs- und Vibrationstechnologie ausgestatteten Haustiere, die für rund 180 Franken erhältlich sind und die auf Streicheln, Kuscheln und Bewegung reagieren, können nicht nur die Stimmung aufhellen, sondern das Gegenüber auch daran erinnern, Medikamente einzunehmen, oder dabei unterstützen, verloren gegangene Gegenstände wiederzufinden. Damit eignen sie sich besonders gut für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder leichter Demenz. Weiterer Pluspunkt: Sie verursachen keine Allergien, sind von der ersten Minute an stubenrein und benötigen weder Futter noch Tierarzt. Und geht ihnen der Schnauf aus, wirkt ein Batteriewechsel Wunder.

Findige Unternehmen haben sich aber längst auch für Haustiere etwas einfallen lassen: KI-gestützte Roboterbegleiter halten mittels körperlicher und geistiger Stimulation Fido & Co bei Laune, wenn die Besitzer ausser Haus sind. Zu dieser Gattung zählt «Oro», eine Roboter-Hunde-Nanny, die sich punkto Ästhetik zwischen einem Staubsauger und dem heimwehgeplagten E.T. verortet und stattliche 700 Franken kostet. «Oro» bietet einen eigentlichen «Full Service»: Er kümmert sich um die Mahlzeiten, spuckt Tennisbälle aus und behält auch medizinische und erzieherische Parameter im Auge.

Was bellt der Hund?

Dann sind da noch die neusten Systeme zur Spracherkennung, die die Kommunikation von Tieren entschlüsseln. Meow Talk (App für Katzengeräusche) und Zoolingua (App für Hundegeräusche) sollen gemäss deren Entwickler «das Verständnis der Tierkommunikation revolutionieren». Zwar können solche Apps Nuancen in Tonfall, Tonhöhe und Akzent unterscheiden und herausfinden, um welchen Hund es sich handelt, welchem Geschlecht und welcher Rasse er angehört und in welcher Stimmung er sich befindet. Doch von eigentlichen Übersetzungstools kann im jetzigen Stadium nicht die Rede sein: Kritiker monieren insbesondere, dass die nonverbale Kommunikation der Tiere bei diesem Ansatz komplett aussen vor bleibt. Ganz zu schweigen von Apps wie «Human to Dog Translator Ultra», die angeblich menschliche Sprache in Hundegebell «übersetzen», letztlich aber reiner Klamauk ohne wissenschaftlichen Hintergrund sind.

Kurz: Wir sind noch weit davon entfernt, mit Tieren zu sprechen wie Dr. Dolittle im Disney-Klassiker. Und doch können KI-basierte Entwicklungen durchaus einen Beitrag leisten, um bei Menschen und Tieren die Lebensqualität zu verbessern. So haben Forschende am Institut für Biologie Kopenhagen kürzlich ein KI-gesteuertes «Übersetzungstool» zum Grunzen von Schweinen entwickelt, mit dem Ziel, die Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft weiter zu optimieren.

Kein Ersatz für den Menschen

Auch im Hinblick auf die Tiergesundheit hat künstliche Intelligenz grosses Potenzial: «KI-Entwicklungen zielen darauf ab, Diagnose und Triage durch gezielte Unterstützung zu verbessern und Prozesse zu beschleunigen», sagt Urs Geissbühler, Tierarzt und Dozent für klinische Radiologie an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, auf Anfrage. Ob zur Datenerfassung, Bildanalyse (Harnsteine und -kristalle, Zellausstriche, Röntgen-, CT- und MRT-Bilder, Gesichtserkennung) oder für die Triage: Die KI-basierten Entwicklungen seien rasant, würden im Moment in Schweizer Tierarztpraxen aber noch wenig angewendet. «Das dürfte sich sehr bald ändern», prognostiziert Geissbühler.

«KI kann die Diagnosen und die Triage verbessern.»

Doch künstliche Intelligenz wird immer ein menschliches Vis-à-vis erfordern. «Die KI liefert wertvolle Hinweise, die die tierärztliche Expertise ergänzen, aber nicht ersetzen», zeigt sich die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) überzeugt. Die Organisation sieht in den neuen Technologien trotz ethischer und datenschutzmässiger Bedenken viele Chancen. Mit jedem diagnostizierten Fall lerne das System dazu. Just diese Kombination von menschlicher Erfahrung und künstlicher Intelligenz werde die tiermedizinische Versorgung weiter verbessern, so die GST.