Alles hat ein Ende, nur…
Taxidermie für Haustiere: Wenn der Abschied zu schwer fällt
Irgendwann neigt sich das Leben dem Ende zu, auch das unserer Haustiere. Wie trauern, wie ein ehrendes Andenken bewahren? Die einen pinnen einen Schnappschuss ihres Lieblings an den Kühlschrank, andere entscheiden sich für ein Präparat.
Mit dem Sensenmann ist das so eine Sache: Wann, wo und wieso er an die Tür klopft, entbehrt oft jeglicher Logik. Von Anstand ganz zu schweigen. Das ist bei Menschen nicht anders als bei ihren tierischen Begleitern, die einem ans Herz wachsen, spielen, schmusen, balgen, raufen. Hinzu kommt: Kaum je machen Zwei- und Vierbeiner den letzten Atemzug gemeinsam. Trauern ist etwas zutiefst Persönliches, das kein Richtig und kein Falsch kennt: Während die einen das tote Tier möglichst rasch aus dem Sichtfeld entschwinden lassen und wenige Stunden nach dem letzten Herzschlag Richtung Krematorium aufbrechen oder ein tiefes Loch im eigenen Garten für den mausetoten Hamster buddeln, verspüren andere den Wunsch, der Wucht dieser brachialen, finalen Trennung etwas entgegenzusetzen.
Sein oder Schein?
Was bei Wildtieren und hinter den Kulissen naturhistorischer Museen zum Tagesgeschäft gehört, ist bei Haustieren noch nicht «courant normal». In der Schweiz sind kaum Anbieter zu finden, die Hunde, Katzen und andere Fellnasen präparieren. Christoph Meier, der während vieler Jahre Präparationsateliers in grossen Schweizer Museen geleitet hat und seit der Pensionierung im eigenen Atelier seine taxidermischen Skills vor allem bei Vögeln und Kleinsäugern anwendet, hält nichts von solchen Dienstleistungen: «Derartige Aufträge habe ich nie angenommen», schreibt er auf Anfrage. «Das Tier bleibt tot, bewegt sich nicht mehr und kann noch so gut präpariert sein – als Individuum lässt es sich für die Person, welche das Tier lebendig kannte, nicht wieder darstellen», argumentiert Christoph Meier. Sinnvoller sei es, die Erinnerungen mittels Fotos, Zeichnung, Gemälde oder einer Plastik aufrecht zu erhalten, so seine Empfehlung.
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Anders Laura Eberhard, Tierpräparatorin bei MemoryPets, einem Kleinunternehmen in Unna, einer Stadt im östlichen Ruhrgebiet. Sie hat sich auf Haustiere spezialisiert und kann sich nicht über mangelnde Nachfrage beklagen. Der kleine Betrieb präpariert monatlich vier bis fünf Tiere. Derzeit betragen die Wartezeiten rund ein Jahr. «Das Präparieren von Haustieren unterscheidet sich von jenem von Wildtieren in vielen Punkten», gibt sie zu bedenken. Damit das Präparat dem einstigen Weggefährten möglichst ähnlich kommt, sind reichlich gutes Bildmaterial, aber auch das Alter und der Gesundheitszustand des Tieres entscheidend. Weil jede Form einzeln hergestellt werden muss, ist der Zeitaufwand erheblich. Hinzu kommt die Beratung, die nicht nur im Hinblick auf das Ergebnis entscheidend ist, sondern auch einen Teil der Trauerarbeit darstellt. «Für gewisse Menschen ist der Gedanke schwer erträglich, dass das über alles geliebte Tier von einem Tag auf den andern komplett aus der Welt verschwindet», sagt Laura Eberhard. Einige tröste es, wenn sie ihren langjährigen Gefährten auch nach dem Ableben streicheln und in den vertrauten Positionen sehen können. Beim vor zwei Jahren gegründeten Unternehmen klopfen Menschen aus allen Schichten und Altersklassen an: Vom Jugendlichen, der sein Kaninchen vorbeibringt, bis zur Greisin, die zur Einsicht gelangt, dass die verstorbene Katze wohl die letzte war.
Hände weg vor Humbug!
Im Showroom vor Ort zeigt die Präparatorin Besuchenden, welche Optionen existieren. «Gemeinsam gehen wir der Frage nach, welche Posen für das Tier typisch waren», so Eberhard. Dabei plädiert sie für möglichst viel Natürlichkeit: «Ein schlafendes, liegendes oder träumerisch dreinblickendes Tier wirkt oft am harmonischsten.» Technisch sei vieles machbar, aber nicht bei allen Wünschen würde Laura Eberhard Hand bieten: Schrillen Inszenierungen mit unnatürlichen Accessoires oder der alleinigen Aufbereitung des Kopfs kann sie nichts abgewinnen. «Es muss eine würdevolle Ehrung des Tieres sein, bei welcher liebevolle Gedanken leitend sind», betont sie.
Der intensive Austausch vor der eigentlichen Präparation scheint sich auszuzahlen: Die Reaktionen auf die präparierten Haustiere seien eigentlich durchs Band positiv. Und auch die einjährige Wartezeit hat ihre guten Seiten: Viele empfänden dies als Möglichkeit, vom Tier Abschied zu nehmen und Trauer zuzulassen. «Für die meisten stellt das Präparat ein Andenken und keinesfalls einen Ersatz für ihren Liebling dar», so ihre Beobachtung.
Mit Pinsel und Pinzette
Während ihre Kunden Zeit haben, das Loslassen zu exerzieren, geht es bei Laura Eberhard ans Eingemachte. Für das Präparat wird nur das Fell des Tieres rezykliert. Tiere mit langem Fell sind wesentlich einfacher zu präparieren als kurzhaarige, wo Muskeln, Sehnen und Postur sich deutlich abzeichnen. Der Körper wird mit Polyurethanschaum nachgeformt, kremiert und dann in Form von Asche wieder ins Präparat gesetzt. Besondere Aufmerksamkeit kommt dem Gesicht zu, das anhand des Bildmaterials nachmodelliert wird; jeder Millimeter, jedes Detail ist hier entscheidend. Nach dem Anbringen und der Fixierung der Haut wird das Tier schliesslich koloriert.
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Für eine Katze oder einen Hund rechnet Eberhard mit durchschnittlich zwei Wochen reiner Arbeitszeit, die aber zwischen den einzelnen Prozessen mehrmonatige Wartezeiten erfordert. Das hat notabene seinen Preis: Für Nagetiere und Vögel ist ein Präparat ab350 Euros zu haben, bei Katzen und Hunden ab 1000. Die Kosten sind abhängig von Grösse, Fellstruktur und der gewünschten Pose. Trotz grosser Nachfrage schlägt Laura Eberhard insbesondere auf ihren Social-Media-Kanälen gelegentlich auch Kritik entgegen. Wer Haustiere präparieren lasse, sei nicht fähig, loszulassen und Tatsachen zu akzeptieren, so der Vorwurf in einem kürzlichen Kommentar. Eberhard kann mit dieser Entrüstung wenig anfangen: «Die einen errichten einen Altar oder eine Grabstätte, andere streicheln ein Präparat. Diese Formen der Trauerbewältigung sind für mich absolut gleichwertig», resümiert sie.
In der Schweiz hat sich Florian Tschudi von Skull-store auf das Präparieren von Haustieren spezialisiert. Im Angebot hat er neben der klassischen Fellgerbung auch gereinigte und gebleichte Schädel. Die Kosten für einen Schädel eines mittelgrossen Hundes belaufen sich auf 150 bis 250 Franken – deutlich weniger als bei einer Gerbung. Damit das Tier fachgerecht verarbeitet werden kann, ist laut Tschudi die Zeit ein wichtiger Faktor, weshalb das Unternehmen einen 24-Stunden-Abholservice anbietet. Auch eine fachgerechte Kühlung unmittelbar nach dem Tod hat grosse Auswirkungen auf das spätere Ergebnis.
Es sei wichtig, nach dem Tod eines Haustiers die Flut an Gefühlen zuzulassen und zu akzeptieren, dass Trauer in Wellen komme und gehe, so der Schweizer Tierschutz STS. Die entstandene Lücke solle aber nicht unüberlegt und zu rasch mit einem neuen Tier gefüllt werden. «Lassen Sie sich Zeit für eine solch wichtige Entscheidung», empfiehlt der STS.
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