Hühnerparade
Vom Bankivahuhn zu Rassehühnern
Hühner und Menschen sind seit Tausenden von Jahren miteinander verbunden. Die lange Kulturgeschichte hat dazu geführt, dass zahlreiche Rassen herausgezüchtet wurden, auch in der Schweiz. Vom Ursprung bis zur Faszination für das Huhn.
Sie scharren auf dem Miststock, gackern und picken. Hühner. Der Hahn kräht, stolziert um seine Hennen. Dieses Verhalten fasziniert.
«Mir gefällt die Art, wie sich das Huhn bewegt und verhält», sagt etwa Walter Gloor aus Hüniken (SO). Der Geflügelspezialist züchtet die Rassen Sulmtaler und Altsteirer. «Sie sind immer aufmerksam in Hof und Stall», lobt er seine Tiere. Vom «feurigen Auge» etwa schwärmt ein Züchter der Rasse Zwerg-Italiener, streicht die Ohrscheibe, den gelben Schnabel und die Füsse heraus, schwärmt von der Form des Huhns und vom liegenden Kamm.
Die dem Huhn Verfallenen sind Mitglieder des Verbands Rassegeflügel Schweiz. Sie züchten spezielle Hühnerrassen und lassen sie auf Geflügelschauen von Zuchtrichtern bewerten. Um gute Resultate zu erzielen, ist harte züchterische Arbeit erforderlich. Regula Imstepf aus Escholzmatt (LU) erzählt: «Ich kann die Abstammung eines jeden Huhns zurückverfolgen.» Sie führt ihr Zuchtbuch peinlich genau von Hand. Küken beringt sie sofort und legt ihnen im Lauf des Älterwerdens immer wieder andere, individuelle Ringe an. «Ich will Züchterin sein und nicht Masse produzieren», sagt die Liebhaberin der Rasse Zwerg-Wyandotten mit Überzeugung. Auch der Zuchtrichter Reto Giacometti aus Würenlos-Oetlikon (AG) betont: «Es braucht Fingerspitzengefühl, Geduld und Ausdauer.» Auf Ausstellungen freue er sich besonders. Es sei eine Sucht, Hühner verschiedener Rassen zu sehen, sagt der junge Mann begeistert.
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Im Rassegeflügel-Standard für Europa, der auch in der Schweiz durch Zuchtrichter zur Beurteilung von Rassehühnern verwendet wird, sind 192 Rassen aufgeführt. Hinzu kommen weitere in der Schweizanerkannte Rassen. Wie bei den Hunden gibt es auch verschiedenartige Hühnerrassen mit grossen Unterschieden in Aussehen und Grösse. Etliche Rassehühner wurden verzwergt, das heisst in einer kleinen Form gezüchtet. Fast jede Rasse gibt es in unterschiedlichsten Farbvarianten. Während das Seidenhuhn bereits seit 700 Jahren nachweisbar ist, wurden viele Rassen Ende des 19. Jahrhunderts gefestigt. Die Palette reicht vom 600 Gramm schweren Bantam, einem Zwerghuhn, bis zum 5-Kilo-Hahn der Rasse Brahma. Bei der japanischen Rasse Onagadori punktet der Hahn mit meterlangen Schwanzfedern. Im Gegensatz dazu weist das Araucana-Huhn keinen Schwanz auf.
Alleiniger Stammhalter
Mit dem Appenzeller Spitzhaubenhuhn, dem Appenzeller Barthuhn und dem Schweizer Huhn hat auch die Schweiz ihre Hühnerrassen. Spitzhaubenhühner sollen schon im 15. Jahrhundert in Klöstern des Schweizer Alpenraums gezüchtet worden sein. Barthühner sind Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Das Schweizer Huhn wurde Anfang des 20. Jahrhunderts heraus-gezüchtet. Sie alle trotzen kalten Temperaturen.
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Wer würde da daran denken, dass der Urahn ein tropischer Vogel war? Im südostasiatischen Regenwald lebt noch heute in dichter Vegetation das rebhuhnfarbige Bankivahuhn. Es ist der Stammvater des Haushuhns. Auf dem malayischen Archipel, also im Verbreitungsgebiet des Bankivahuhns, soll es schon vor3500 Jahren Haushühner gegeben haben. China spielt bei der Domestikation eine besondere Rolle. Schriftstücke berichten von Hühnerhaltung im Reich der Mitte um 1400 vor Christus, Funde von Knochen werden ähnlich datiert. Von China aus wurde das Huhn durch Handel bis nach Ägypten transportiert. Um770 vor Christus werden die ältesten Knochenfunde des Haushuhns in Italien datiert. Die Römer brachten Hühner schon vor Christi Geburt über die Alpen.
Die Flexibilität des Huhns geht auf Eigenschaften des Bankivahuhns zurück, das nicht nur im tropischen Regenwald, sondern auch in Savannengebieten lebt. Aufgrund des sehr grossen Verbreitungsgebiets, das vom indonesischen Tieflandregenwald bis an die Hänge südchinesischer Berge reicht, ist das Huhn temperaturtolerant.
Die Abstammung praktisch aller Rassen konnte bis zum südostasiatischen Bankivahuhn zurückverfolgt werden. Ungeklärt aber ist sie beim Araucana. Dieses Huhn wurde im 19. Jahrhundert bei den Araucana-Indianern in Chile entdeckt. Klar ist hingegen, dass das ebenfalls domestizierte Helmperlhuhn nicht vom Bankivahuhn abstammt. Seine Vorfahren kommen in Afrika vor.
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Legehybriden sind häufige Patienten
Hühner, die auf dem Mist kratzen und über die Weide stolzieren, gehörten früher zu fast jedem Bauernhof. Meist wurden Zweinutzungshühner gehalten, die Eier lieferten, jedoch auch geschlachtet werden konnten. Das Schweizer Huhn gehört beispielsweise zu diesen Rassen. Die Rassehühnerhaltung in der Landwirtschaft hat abgenommen. Die kommerzielle Geflügelzuchtarbeitet mit Hybridhühnern. Sie setzen entweder rasch viel Fleisch an oder erbringen eine grosse Legeleistung. Das hat dazu geführt, dass alte Rassen fast verschwanden. Darum kümmern sich nicht nur Rassegeflügelzüchter, sondern auch Pro Specie Rara, die schweizerische Organisation für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, um die drei Schweizer Hühnerrassen.
Aussortierte Legehennen wecken das Mitleid von privaten Hühnerliebhaberinnen und -liebhabern. Sie werden zu häufigen Patienten bei Vogeltierärzten. Leider lassen sich die Eileiterprobleme kaum noch in den Griff bekommen. Die übermässige Legeleistung hat sie ausgelaugt. Solche Hühner haben oft nur eine Lebensspanne von einem bis zwei Jahren. Rassehühner aber können durchaus acht Jahre und älter werden.
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Wenn sich auch Grösse, Farben und Aussehen stark verändert haben, so sind die Grundbedürfnisse des Huhns ähnlich geblieben wie bei seinem Vorfahren aus dem Dschungel. Dort leben beide Geschlechter ausserhalb der Brutzeit in grossen Gruppen von bis zu50 Tieren. Sonst führt ein Hahn etwa fünf Hennen. Die Brutzeit dauert 21 Tage. Hühner bevorzugen Deckung.
Hühnerrassen bilden ein Kaleidoskop von Formen, Farben und Verhaltensweisen. Kein Wunder, finden die Gackerer immer grösseren Zuspruch im Vorgarten, ob als Kumpane oder Eierlieferanten.
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