Ab und zu muss wohl jeder Kleiderschrank einmal ausgemistet werden. Zum Vorschein kommen dann oft Stücke, die schon lange nicht mehr getragen wurden, aber noch vollkommen in Ordnung wären. Bevor diese jetzt wieder im Schrank landen, wo sie ungenutzt vor sich hin stauben, werden sie weggeworfen. Das Bundesamt für Umwelt schätzt, dass 36 Prozent der Alttextilien im Abfall landen. Deren Rohstoffe sind somit für immer verloren. Eine viel bessere Wahl ist der Altkleidersack. Einmal in den Kleidercontainer eingeworfen, verschwinden die Kleidungsstücke jedoch auch hier auf Nimmerwiedersehen. Wohin eigentlich?

Die grösste Sammelorganisation der Schweiz

Mit schweizweit über 6000 Altkleidercontainern ist Texaid hierzulande der grösste Sammler von gebrauchten Textilien. Mehr als 30 000 Tonnen gebrauchte Kleidung sammelt die Organisation jedes Jahr in der Schweiz.

Die Container werden regelmässig geleert und von offensichtlichem Müll befreit. Danach werden zwei Drittel der Säcke an Verwertungsbetriebe im Ausland exportiert, ein Drittel der Säcke gelangt zum Produktionswerk in Schattdorf im Kanton Uri. Die Säcke werden dort grob sortiert und so für den Export in ein ausländisches Sortierwerk vorbereitet.

Wie werden die Kleider sortiert?

«In den Texaid-eigenen Sortierwerken werden alle Säcke geöffnet und nach bis zu 300 Kriterien sortiert», beschreibt Mediensprecherin Chantal Thiévent den Prozess der Altkleider bei Texaid. «Ungefähr acht bis zwölf Prozent können weder als secondhand verkauft noch in einem Recyclingprozess verarbeitet werden.» Textile Abfallprodukte werden thermisch verwertet, nicht textile Materialien und Wertstoffe korrekt entsorgt.

Was passiert mit untragbarer Kleidung?

«Die Lebensdauer eines Kleidungsstücks so lange wie möglich zu erhalten, ist unser Ziel», so Chantal Thiévent. Trotzdem ist nicht zu verhindern, dass etwa 42 Prozent der gesammelten Kleidung nicht mehr tragbar sind.

Hier räumt Thiévent gleich mit einem Gerücht auf: «Entgegen der landläufigen Meinung dürfen auch kaputte Kleidungsstücke in die Altkleidersammlung gegeben werden.» Denn ein Grossteil der nicht mehr tragbaren Kleider werden recycelt.

Ein Teil davon, rund 17 Prozent der Gesamtmenge, lässt sich zu Putzlappen verarbeiten. Weitere 17 Prozent gehen ins Textilrecycling. Dort werden die Stoffe zerfasert und entweder zu Dämmstoffen verarbeitet oder als Rohstoff anderen Materialien zugefügt. «Texaid bemüht sich, die Verarbeitung von Textilien weiterzuentwickeln, und ist daher in verschiedenen Forschungskooperationen aktiv», erzählt Thiévent.

Neue Produkte aus Alttextilien

Im Projekt «Texcircle» der Forschungsgruppe Produkt & Textil der Hochschule Luzern wird aktuell darüber geforscht, wie sich der Lebenskreislauf von textilen Produkten schliessen lässt. Ziel ist es, aus den durch Recycling von Textilien gewonnenen Rohstoffen neue, hochwertige Produkte zu fertigen.

Statt des Downcyclings zu Putzlappen steht hier das wertsteigernde Upcycling im Vordergrund. Aus alten Jeans entstehen so Pullover, aus Wollkleidung Teppiche, aus T-Shirts Taschen, aus alter Bettwäsche Westen und aus nicht mehr verwendeten Kleidern von Zivildienstleistenden werden Socken.

Secondhand statt Entsorgung

Lediglich acht Prozent der gesammelten Textilien sind nicht mehr weiterverwertbar. Sie landen in der Kehrichtverbrennung. Aber erfreuliche 58 Prozent der gesammelten Kleider werden als solche wiederverwendet.

Sie werden als Secondhand-Kleider exportiert, unter anderem zu unserem nördlichen Nachbarn. «In Deutschland betreiben wir rund 85 Secondhand-Läden unter dem Namen ReSales und Vintage Revivals. Dazu kommt der Onlineshop Carou, der auch zu Texaid gehört.»

In der Schweiz würde Texaid keine Secondhand-Läden betreiben, und auch Kleiderkammern werden durch Texaid nicht beliefert, erklärt Chantal Thiévent. «In der Schweiz decken diese ihren Bedarf über Sammlungen direkt aus der Bevölkerung.» Von den Kleidern, die in den Containern der Texaid landen, werden also in der Schweiz keine mehr getragen.

Kritische Stimmen

Die Weiterverarbeitung und der Handel mit gebrauchten Textilien ist laut Texaid ein wichtiger Wirtschaftszweig in ihren Abnehmerländern. Sie würden unter anderem Arbeitsplätze schaffen und eine Alternative zu den Kunstfasertextilien aus Asien darstellen.

Was das weltweite Recycling von Kleidern angeht, zieht ein internationales Forschungsteam der Technischen Universität Berlin jedoch eine traurige Bilanz: Während sich durch die günstige und kurzlebige Mode der globale Textilabfall seit 2000 auf 92 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt hat, wird lediglich 0,5 Prozent davon recycelt.

Aus Europa und Australien gehen die meisten Alttextilien als Exporte nach Afrika und Asien. Die Forschenden sprechen gar von einem «Abfallkolonialismus». Insbesondere bemängeln sie, dass die exportierenden Unternehmen keine Kontrolle darüber haben, was in den Drittländern mit der Kleidung genau passiert.

Selbst Texaid schreibt in seinem Nachhaltigkeitsbericht: «Nachdem die Kleidung getragen wurde und das Ende ihrer jeweiligen Lebensdauer erreicht hat, wird sie gemäss den lokalen Gegebenheiten durch die Konsumenten vor Ort entsorgt. Hierauf hat Texaid keinen Einfluss.»

Entsprechend wünschen sich die Forschenden der Technischen Universität Berlin, dass Kleider lokal stärker wiederverwendet oder -verwertet werden, bevor sie unvermeidlich exportiert werden müssen.

Ist der Export unvermeidlich?

Ein Export ist laut Texaid unumgänglich. «In der Schweiz gibt es schlicht zu wenig Bedarf an Alttextilien», erklärt Chantal Thiévent.

So verkauft Tell-Tex, der zweite grosse Altkleidercontainerbetreiber der Schweiz, gar die gesamte gesammelte Menge ins Ausland. Organisationen wie die Patenschaft für Berggebiete von Coop oder der Berner Verein für Menschen mit Behinderungen (Procap) profitieren mit eigenen Containern in Zusammenarbeit mit Tell-Tex von einem Teil der Einnahmen.

Einzig bei Caritas werden die Kleider direkt in der Schweiz in den Secondhand-Läden Carla an armutsbetroffene Menschen weitergegeben.

Was mit der nicht mehr verwendeten Kleidung geschieht, haben so nicht nur die Organisationen in der Hand, sondern auch der ehemalige Träger.