Rund drei bis vier Jahre dauert aktuell die Nutzungsdauer einer Schweizer Milchkuh. Diese startet mit der ersten Abkalbung und endet mit der sogenannten Merzung, also dem Gang ins Schlachthaus. Das ist im Vergleich zu unseren Nachbarländern eine etwas längere Zeitspanne, die aber klar unter dem Optimum liegt. Dabei sei die Nutzungsdauer bei den verschiedenen Rassen der Schweiz ziemlich unterschiedlich, sagt Rennie Eppenstein vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Während eine Holsteinkuh durchschnittlich nur drei Laktationen erlebt, sind es beim Swiss Fleckvieh immerhin knapp vier. Diese kurze Lebensspanne bringt nicht nur ethische Bedenken mit sich, sondern auch ökologische und wirtschaftliche Nachteile. Denn eine längere Nutzungsdauer reduziert den Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Milch.

«Kühe länger zu nutzen, macht Sinn. Denn im Gegensatz zu anderen Nutztierarten wie Legehennen geht bei steigendem Alter die Milchleistung von Kühen nicht zurück, sie steigt bis zur fünften Laktation stark an und bleibt dann auf einem hohen Niveau weitere drei bis vier Laktationen stabil», erläutert Eppenstein. Die meisten Abgänge seien gesundheitsbedingt, aufgrund von Euter- und Klauenerkrankungen sowie Fruchtbarkeitsproblemen zu erklären. Eine Umfrage unter Milchviehbetrieben hätte gezeigt, dass sich die meisten Landwirte eine Nutzungsdauer von mindestens sechs Laktationen wünschen, so die Agronomin.

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Mehrere Entscheidungen als Ursache

Es hängt von diversen Faktoren ab, wie lange eine Kuh eingesetzt werden kann. Da seien zum einen tierspezifischen Aspekte, wie Charakter, Genetik und Milchleistung. «Unsere Studienergebnisse zeigen, dass die Kühe, die am längsten leben, sich durch eine gute Eutergesundheit, Fruchtbarkeit und eine etwas niedrigere Laktationsleistung auszeichnen», sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin des FiBL.

Dann kommen die managementbedingten Faktoren wie das Stallsystem und die Fütterung hinzu. «Unsere Analysen zeigen, dass Betriebe mit einer langen Nutzungsdauer einen besseren Kuhkomfort mit Lauf- statt Anbindestall und grössere Liegeboxen bieten und weniger eiweissbetont füttern», erklärt Eppenstein. Hinzu kämen auch noch Faktoren, die dem Betriebsleiter zu eigen sind, wie die Visionen für seinen Hof, die emotionale Verbindung zu den Tieren oder die konkreten Besamungsentscheidungen. Interessant ist, dass Betriebe mit langer Nutzungsdauer mehr als die Hälfte ihrer Rinder mit einer Fleischrasse belegen, während Betriebe mit einer kurzen Nutzungsdauer gut zwei Drittel ihrer Rinder mit Milchrassen belegen.

Letztlich dürfe auch der politische, gesellschaftliche und ökonomische Kontext nicht ausser Acht gelassen werden, weiss Rennie Eppenstein: «Hohe Altkuhpreise setzen den Anreiz, Kühe schneller zu merzen.»

Diesem Problem will das Bundesamt für Landwirtschaft ab 2024 mit Direktzahlungen für Kühe ab drei Abkalbungen entgegenwirken. Eine Einzelmassnahme hilft nicht, sind sich Eppenstein und Walkenhorst einig. Ein grundsätzlicher systemischer, aus der gesamten Branche heraus gestalteter Wandel sei notwendig, um die Nutzungsdauer von Milchkühen auch wirklich nachhaltig zu erhöhen.