Frau Mudrak, Sie sprechen von echter und industrieller Milch. Worin besteht der Unterschied?

Unter echter Milch verstehe ich Rohmilch, und industrielle Milch ist erhitzte Milch. Der Unterschied zwischen echter und industrieller Milch ist, dass man durch das Erhitzen der Milch alles Unreine, aber auch Gute abtöten kann. Das Eiweissprofil verändert sich durch das Erhitzen stark. Die meisten Vitamine und Nährwerte sind im Fettteil der Milch gelöst. In der Schweiz wird die Milch auf höchstens 3,5 Prozent Fettgehalt abgerahmt. Rohmilch hingegen hat das ganze Fettprofil mit allen lebenswichtigen Nährwerten.

Was genau ist an Rohmilch besser als an UHT- oder Past-Milch?

Jegliche Milch, die erhitzt wurde, ist tote Milch. Also schwimmen die gesundheitsfördernden Bakterien mit den Pathogenen tot in der Milch herum und der Konsument trinkt diese. Das kann Allergien auslösen.

Viele Leute können Rohmilch nicht gut verdauen, was gibt es hier für Möglichkeiten?

Es ist eigentlich gerade umgekehrt. Viele Leute vertragen Past- oder UHT-Milch nicht, darum gibt es heute so viele milchähnliche Getränke wie Bohnenmilch, Getreidemilch oder Nussmilch. Echte Milch, die man seit Tausenden von Jahren ohne Probleme einnimmt, enthält alle Enzyme, die die Verdauung leicht machen. Jenen, die keine Milch einnehmen, sich aber gleichwohl Kalzium zuführen möchten, kann ich Knochenbrühe von gesunden Tieren empfehlen.

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Wie kamen Sie eigentlich dazu, Verfechterin der Rohmilch zu werden?

Ich wurde zur Verfechterin von Rohmilch, weil ich nach meiner Immigration in die USA im Jahr 1975 kaum kleine Höfe mit 20 bis 30 Tieren in meinem Gebiet fand. Überall waren nur riesige Farmen mit Hunderten von Kühen. Mein Ehemann hatte mir zudem erzählt, dass er als Kind nur dank unbehandelter, roher Geissenmilch gesund wurde. Ich schloss mich der Weston A. Price Foundation an, weil ihnen die direkte Unterstützung der Landwirte wichtig ist. Ihr Motto lautet, mindestens 50 Prozent direkt vom Bauern einzukaufen. 

Der Preis sorgt oft für Diskussionen. Wie hoch müsste ein gerechter Milchpreis pro Liter Ihrer Meinung nach in der Schweiz und in den USA sein?

Der Preis von echter, unbehandelter Gras- und Heumilch sollte in der Schweiz wenigstens auf zwei Franken pro Liter angehoben werden. Der bescheidene Preis von einem Franken zwanzig ist zu tief. Wenn ich mit dem Bauern sprechen kann, die Tiere draussen sehe und keine Chemikalien benützt werden, muss mir der Landwirt auch keine Zertifikate vorweisen. In den USA setzt jeder Bauer seinen eigenen Preis fest, je nach Ort und Nachfrage. Dort gibt es auch keine Subventionen für die Landwirte. Ich finde es notwendig, dass ein Landwirt Freude hat, dieses Produkt herzustellen. Das ist nur möglich, wenn ein gesunder Preis bezahlt wird.

Was gibt es sonst noch für Unterschiede im Milchmarkt und in der Milchproduktion zwischen der Schweiz und den USA?

In den letzten Jahren ging der konventionelle Milchverkauf in den USA stark zurück. Viele vertragen die verdorbene Milch nicht mehr. Hingegen hat der Rohmilchverkauf stark zugenommen. In der Schweiz gingen während der Covid-Pandemie viele Leute im Hofladen einkaufen, das hat mittlerweile allerdings wieder etwas nachgelassen.

Rohmilch darf bei uns nicht als direkt konsumierbar angepriesen werden. Gilt diese Vorschrift in den USA?

Jeder Staat hat andere Regeln zum Rohmilchverkauf. Aber die Rohmilch kann verkauft werden. Einer unserer grössten Verkäufer ist Mark McAfee im Kalifornien. Er beliefert Hunderte von Läden. 1999 war der Rohmilchverkauf erst in 26 Staaten gestattet, heute bereits in 48 Staaten.

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Zur PersonDie gebürtige Schweizerin Judith Mudrak wanderte 1975 nach Pennsylvania aus. Heute lebt sie in New Jersey. Sie hat das Buch «Milch ist nicht gleich Milch» verfasst. Darin führt sie aus, weshalb wieder mehr Rohmilch von Bauern, die auf das Tierwohl und die Ökologie achtgeben, konsumiert werden sollte.