Zuerst sieht man nur ein einzelnes, schwaches Licht in der Böschung aufblinken und auf einmal schwirren vier, fünf, sechs oder gleich Dutzende Glühwürmchen durch die Nacht auf der Suche nach einem paarungswilligen Weibchen. Solche Naturschauspiele mit fliegenden Leuchtkäfern gibt es in der Schweiz nicht mehr vielerorts zu sehen. Nur die Männchen haben Flügel, während die Weibchen geduldig am Boden warten und mit Lichtsignalen kommunizieren. Wer also nach dem Eindunkeln ein Glühwürmchen am Boden sieht, beobachtet höchstwahrscheinlich gerade ein Weibchen. Dafür ist die Chance weit grösser, denn in fast jeder Gemeinde der Schweiz lebt noch mindestens eine Kolonie. Leuchtende Männchen hingegen gibt es nur bei zwei von vier bei uns heimischen Glühwürmchenarten. Eine davon ist das Kleine Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula). Die bekanntesten Popula-tionen in der Deutschschweiz sind der Waldfriedhof in Schaffhausen, der Käferbergwald in Zürich, der untere Gurten in Bern und der Jurapark Aargau.

Die zweite Art, bei der auch die fliegenden Männchen mit eigens produziertem Licht auf sich aufmerksam machen können, sind die sogenannten Italienischen Leuchtkäfer (Luciola italica). Bis auf wenige eingeschleppte Populationen sind diese aber ausschliesslich auf der Alpensüdseite vorzufinden. Zudem ist ihr Leuchten eher ein Blinken – und das im Sekundentakt.

Wie viele Glühwürmchen in der Schweiz leben, kann nicht genau beziffert werden. Auch wisse man nicht, wie stark ihre Population tatsächlich zurückgegangen sei, da alte Erfassungen als Vergleichswerte fehlen, wie der ausgewiesene Glühwürmchenexperte Stefan Ineichen erklärt. «Es sind aber sehr, sehr viele Lebensräume kaputtgegangen durch Monokulturen, Lichtverschmutzung und Gifteinsätze – auch in Gärten», so der Biologe.

Lockruf in den Garten

Die Leuchtkäfer sind anspruchsvoll, brauchen nicht nur freie, übersichtliche Flächen, um sich für die Paarung zu finden, sondern auch gute Versteckmöglichkeiten. Besonders beliebt sind bei ihnen Waldränder. Der Verein «Glühwürmchen Projekt», den Ineichen präsidiert, geht aktiv gegen die zu starke Verbuschung von Waldrändern vor. Denn um die Lebensgeister der Tierchen zu wecken, muss eine gewisse Wärme hineingelangen. Auch werden Kleinstrukturen wie Steinhaufen geschaffen, in denen vor allem die Larven der Glühwürmchen gut gedeihen. Mit der Schaffung solcher Lebensräume kann man die magischen Käfer sogar in Privatgärten locken. «Gezielte Neuansiedelungen funktionierenjedoch nur sehr selten und sind auch schon Fachleuten misslungen», so Ineichen.

Am häufigsten ist hierzulande noch das Grosse Glühwürmchen (Lampyris noctiluca) anzutreffen, von denen nur die am Boden sitzenden Weibchen zu sehen sind. Die vierte Art – die Kurzflügel-Leuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus) – ist etwas unscheinbarer, da sie viel schwächer leuchtet. Sie ernährt sich von Regenwürmern und gehört deshalb auch zu den unbeliebtesten der heimischen Leuchtkäfer. Auf dem Speiseplan aller anderen Arten stehen Schnecken, was ihnen einiges an Pluspunkten einheimst. Fressen tun sie diese nur im Larvenstadium, wobei dies den mit Abstand längsten Teil des Lebens eines Glühwürmchens ausmacht. Nachdem sie einen Monat lang im Ei herangewachsen sind, schlüpft eine ca. einen Zentimeter kleine Larve, die dann überwintert und Schnecken frisst, die zigfach so gross sind wie sie. Dies schafft sie, indem sie den Schnecken ein Gift in den Nacken spritzt, sie mit einem Sekret überzieht und danach ausschlürft. So frisst und wächst die Larve zwei bis drei Jahre lang, bis sie gross genug ist, um sich zu verpuppen. Der ausgewachsene Käfer lebt dann nur noch zwei bis drei Wochen. Seine einzige Aufgabe in diesem Stadium ist es, mit seinem Leuchtmechanismus ein Gegenüber für die Paarung anzulocken. Beobachten kann man dieses Schauspiel hauptsächlich an lauen Mittsommernächten Ende Juni und Anfang Juli – selten aber auch später.

Klimawandel verwirrt die Käfer

«Vor allem Grosse Glühwürmchen sieht man manchmal bis in den Oktober hinein, manche kommen dafür schon im Mai», erzählt Stefan Ineichen. Die Chance auf eine erfolgreiche Partnersuche sinkt jedoch schnell bei solchen Ausreissern. «Das klimatische Durcheinander verschlimmert dieses Phänomen», so der Biologe. «In Extremfällen denken sie, dass bereits wieder ein Jahr um ist, und schlüpfen ein Jahr zu früh.»

Giftig und effizient

Schon die Eier und Larven von Glühwürmchen leuchten leicht. In diesem Stadium dient der Mechanismus ausschliesslich der Abschreckung von Fressfeinden. Denn für Frösche, Eidechsen und Vögel sind die winzigen Käfer giftig bis tödlich. Bei vielen Spinnen wirkt ihr Gift allerdings nicht. «Deshalb sieht man leuchtende Punkte manchmal auch in Spinnennetzen», erklärt Ineichen. Das Leuchten möglich macht ein komplexer biochemischer Prozess, den man Biolumineszenz nennt. Dieser findet in einer Leuchtzelle an der Bauchseite des Hinterleibs statt, die mit einem glasartigen Fenster für eine ideale Ausstrahlung sorgt. Anders als bei unseren Glühbirnen handelt es sich dabei um ein kaltes Licht. Die Glühwürmchen «glühen» also nicht wirklich und verlieren damit weniger Energie bei der Lichtproduktion.

Möglichst ohne Taschenlampe

Da die Glimmkäfer sich durch fremde Lichter schnell verwirren lassen, tauchen sie heute nur noch an den dunkelsten Orten unserer lichtverschmutzten Siedlungsgebiete auf. Wer sich auf eigene Faust auf die Suche nach den Glimmkäfern macht, sollte keine Taschenlampe benutzen, um die Paarungskommunikation nicht zu stören. Auf diese Weise sieht man auch die am Boden wartenden Weibchen besser, die so nicht Gefahr laufen, zertrampelt zu werden. Wer trotzdem Licht braucht, sollte auf UV-Taschenlampen zurückgreifen, da diese weniger hell sind und die Käfer kaum stören.