Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas haben einiges mit dem Menschen gemeinsam. Unter anderem erkennen sie sich selbst im Spiegel. Damit gehören sie zu den wenigen Tieren, die laut Wissenschaftler ein Ich-Bewusstsein haben. Und noch ein Tier besteht diesen Test: Die Elster (Pica pica). Forscher der Universität Bochum markierten in einem Experiment Elstern mit einem Farbfleck an der Kehle, den sie nur im Spiegel sehen konnten. Sobald die Vögel ihr Spiegelbild sahen, interessierten sie sich sehr für den eigenen Hals, was darauf schliessen lässt, dass sie den Vogel im Spiegel als sich selbst erkannten. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Elstern Menschen individuell erkennen können, und sich merken, wer ihnen gut oder schlecht gesonnen ist. Die Elster gilt damit als einer der intelligentesten Vögel überhaupt.

Mit ihrem schwarz-weissen Gefieder sind Elstern auch für den ornithologischen Laien leicht zu erkennen. Die zu den Raben gehörenden Vögel sind in weiten Teilen Eurasiens verbreitet und haben mit der Hudsonelster eine ähnlich aussehende Verwandte in Nordamerika. Bei uns gehören Elstern zu den klassischen Kulturfolgern, die sich auch in der Nähe der Menschen wohlfühlen und entsprechend ihre Lebensweise anpassen. Anders als Saatkrähen tun sich Elstern jedoch nicht in Kolonien zusammen, um zu brüten, sondern die Brutpaare verteidigen ein Revier rigoros gegen Konkurrenten. Die Paare leben in einer lebenslangen Monogamie zusammen, trennen sich jedoch auch manchmal, wenn die Bruten erfolglos sind. Die kugelförmigen Nester bauen sie meist hoch oben in Bäumen, von wo die Vögel ihre Umgebung gut im Blick haben. Das Gelege besteht typischerweise aus vier bis sieben Eiern, welche das Weibchen allein bebrütet, während das Männchen weiter das Revier verteidigt und das Weibchen mit Futter versorgt. Einmal geschlüpft, werden die Jungen von beiden Eltern gefüttert.

Angepasste Allesfresser

Als Allesfresser durchwühlen Elstern gerne Kompost- und Abfallhaufen nach Resten oder suchen den Strassenrand nach tierischen Unfallopfern ab. Zu ihrer natürlichen Beute gehören nebst Insekten, Würmern und Schnecken auch kleine Wirbeltiere, Eier, Früchte, Samen und Pilze. Elstern legen das ganze Jahr über Nahrungsvorräte an, die sie meist innerhalb von zehn Tagen wieder leeren. Als Verstecke dienen oft Löcher im Boden, die die Vögel mit Erde und Pflanzen zudecken. Noch immer hat die Elster einen schlechten Ruf, weil sie als Nesträuberin auch Eier und Vogeljunge frisst. Immer wieder wird befürchtet, dass sich dies negativ auf die lokale Singvogelpopulation auswirkt. Allerdings machen Eier und Vogeljunge nur etwa zwei bis drei Prozent der Nahrung von Elstern aus.

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Trotzdem wird immer wieder der Ruf nach Abschüssen laut. So werden jährlich laut Jagdstatistik in der Schweiz gut 1900 Individuen geschossen, in Europa nahezu eine Million. Der Bestand der Elstern wird dadurch jedoch nicht reguliert, im Gegenteil, wie BirdLife Schweiz zusammen mit der Vogelwarte Sempach in einem entsprechenden Schreiben betont. Fällt eins der etwa 35 000 bis 40 000 Brutpaare der Schweiz weg, so wird es rasch durch zwei Artgenossen ersetzt, die bisher nicht gebrütet haben und die das frei gewordene Revier übernehmen. Solche Nichtbrüter üben einen grossen Druck auf Brutpaare aus, die mehr Energie in die Verteidigung investieren müssen, wenn sich viele potenzielle Konkurrenten in der Nähe aufhalten.

Werden Nichtbrüter hingegen bejagt, so können die Brutpaare mehr Zeit und Energie in den Nachwuchs investieren, wodurch dessen Überlebenschancen steigen. Der Bestand der Elstern ist also arteigenen Regulationsmechanismen unterworfen, in die einzugreifen keinen nachhaltigen Effekt hat. Zudem haben Elstern auch natürliche Feinde wie Krähen, Habichte, Füchse und Katzen. Tatsächlich werden rund die Hälfte der Elsternbruten durch Fressfeinde geplündert.

Den Beinamen «diebisch» tragen Elstern aber wahrscheinlich trotzdem wegen ihrer nachgesagten Tendenz zum Nesträubertum. Allerdings hält sich auch die Vorstellung hartnäckig, dass die Rabenvögel gerne glänzende Gegenstände stehlen und in ihren Nestern horten würden. Eine Untersuchung zu dem Thema kam jedoch zum Schluss, dass Elstern keine generelle Vorliebe für glänzende Objekte haben und diese entsprechend auch nicht gezielt sammeln. Eine weitere Theorie über den Ursprung des Beinamens fusst auf der Rolle der Elster als Todesbotin und Seelenräuberin im Volksglauben. Fun Fact: Die deutsche Finanzverwaltung hat ihre Online-Steuer-Software mit «Elster» abgekürzt. Ob sie damit bewusst Bezug auf die diebische Charakterisierung des Vogels nimmt, ist indes nicht bekannt.