Amphibien spüren den Frühling nicht nur sehr früh, sondern gleich doppelt. Kaum steigen die nächtlichen Temperaturen über 5 Grad, erwachen sie aus ihrer Winterstarre und sind bereit für ihre Hochzeitsreise. Dazu kehren sie jedes Jahr zu den Laichgewässern zurück, in denen sie selbst aufgewachsen sind. Unterwegs von ihrem Winterquartier zum Ziel treffen sie nicht selten Strassen an, die es zu überqueren gilt. Manchmal wandern in einer einzigen Nacht sehr viele Frösche, Kröten und Molche auf einmal. Da kann schon ein einziges Auto viel Schaden anrichten.

Hier kommen die Frosch-Taxis ins Spiel. Wird eine Strasse als wichtige Zugstelle für Amphibien erkannt, stellen Gemeinden oder der Kanton die vielerorts bekannten Froschzäune auf. Diese etwa 50 cm hohen Abschrankungen hindern Amphibien daran, sich selbstständig über die Strasse zu wagen. So auch beim Brauiweiher in Weisslingen (ZH). Seit 2016 macht dort eine Gruppe der Susy Utzinger Stiftung für den Tierschutz (SUST) jedes Jahr den Transportdienst für Amphibien auf der Durchreise. Dem Zaun entlang werden mehrere Kübel versenkt, in welche die Tiere auf der Suche nach einem Weg um den Zaun herum reihenweise reinplumpsen. Die Eimer werden regelmässig gecheckt und steckengebliebene Reisende auf die andere Strassenseite gebracht. Eine mühselige und aufwändige Arbeit, die viel Zeit und Engagement erfordert. «Die Wandersaison dauert vom Februar bis im April», erklärt Michael Gähwiler, der die «Mission Kermit» bei der SUST mitleitet. Denn nur wenige Wochen nach der Hochzeitsreise zum Weiher der Geburt steht für viele Amphibien schon wieder die Rückreise in ihre Verstecke an. Meist befinden sich diese im nächstgelegenen Wald.

Während der ganzen drei Monate checken Gähwiler und sein Team ständig das Wetter, um bei idealen Bedingungen sofort reagieren zu können und die Eimer für wandernde Kröten, Frösche und Molche zu öffnen. Ideal heisst im Falle der Amphibien möglichst viel Regen, damit die Luftfeuchtigkeit für sie angenehm hoch wird. Sobald der Deckel weg ist, stehen die Kübel ständig unter Beobachtung, da jederzeit Tiere hineinfallen können. Sind nach ein paar Tagen Regenwetter wieder Frosttage oder trockene Wärmeperioden prognostiziert, werden die Eimer geschlossen, da unter diesen Bedingungen kaum Amphibien wandern.

Schwer fassbare Tiere

Früher seien die Wander-Peaks stets etwa um die gleiche Zeit gewesen, erklärt Michael Gähwiler. Seit 2020 läuft jedoch vieles anders. «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es früher solch krasse Temperaturstürze gab», erzählt er. Die Bedingungen seien zwar an vielen Tagen ideal für eine Wanderung gewesen und trotzdem hätten sie so wenige Amphibien in ihren Eimern gezählt, wie noch nie. Ob die Tiere nur verwirrt waren, oder wirklich weniger werden an der Zugstelle, sei schwierig zu beantworten. «Seit 2019 sind die Zahlen stark rückläufig», so Gähwiler. Das könne auch damit zu tun haben, dass der Damm am Brauiweiher in ebendiesem Jahr baulich verändert wurde. Durch das Absenken des Wasserspiegels hatte es im Schilfgürtel und dem umgebenden Moor weniger Wasser, sodass mancher Laich austrocknete. Ausserdem hat das SUST-Team beantragt, den Zaun auf der Seite des Weihers zu erneuern und durfte dabei auch Inputs zur neuen Absteckung des Zauns geben. Jetzt können viele Amphibien auch ohne fremde Hilfe gefahrlos wandern. Das funktioniert vor allem für Molche, die selten weit reisen für ihr Winterquartier und sich eher auch mal mit nahen Kleinstrukturen zufriedengeben. «Dass jetzt weniger dieser Tiere in unseren Eimern landen, ist ja eine gute Sache», meint Gähwiler. «Dafür sehen unsere Zahlen nicht mehr so gut aus», scherzt er. Damit spricht er die Statistik an, die jede Zugstelle in Zusammenarbeit mit der karch (Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz) erstellt. Die Freiwilligen müssen dazu jedes Tier, das sie über die Strasse tragen, genaustens dokumentieren. Welche Art ist es? Sieht das Tier gesund aus?An welchem Tag und bei welchem Wetter landete das Tier im Kübel? All diese Daten liefern wichtige Informationen über die manchmal so schwer fassbaren Amphibienarten.

Immer wieder kommt es vor, dass sie auf einmal ihr Zugverhalten ändern und andere Wege für ihre Wanderungen wählen. Da manche Tierschutzvereine Mühe haben, genügend Freiwillige für solche Frosch-Taxi-Einsätze zu motivieren, kann nicht jede Zugstelle abgedeckt werden. Die Statistiken ermöglichen es, zu priorisieren, wo besonders viel Handlungsbedarf besteht. Auch bauliche Massnahmen müssen gut gesteuert werden, damit sie den grösstmöglichen Effekt mit sich bringen. «Am besten wäre ein Durchgang, der unter der Strasse hindurchführt», betont Gähwiler. «Doch das kostet etwa 100 000 Franken und wird erst bei Sanierungen gemacht.» Lohnen würde sich eine solche Investition aber nicht nur wegen der Zäune und vielen Arbeitsstunden, die eingespart werden könnten. Die Durchgänge kämen auch anderen Tieren zugute, die auf der Strasse angefahren werden können. «Die Zäune hingegen behindern manchmal auch Wildtiere, wie zum Beispiel Igel», weiss Gähwiler. Aus diesem Grund müssen die allermeisten Zaun-Abschnitte jedes Jahr wieder neu auf- und abgebaut werden. Beim Braui-weiher betrifft das den gesamten grünen, mobilen Zaun sowie Teile des schwarzen, fixen Zauns, damit auch Traktoren wieder ungestört passieren können.

Was viel nützt, am wenigsten kostet und trotzdem oft auf viel Widerstand stösst, ist eine Tempobeschränkung auf 30 km/h. Nicht nur, weil Autos allfälligen Amphibien so besser ausweichen können. Denn, auch wenn sie dies schaffen und eine Kröte mal zwischen, anstatt unter die Räder kommt, kann sie bei hoher Fahrgeschwindigkeit trotzdem sterben. Je schneller ein Auto unterwegs ist, desto grösseren Druckunterschieden sind die Amphibien ausgesetzt. Deren Organe machen dieses Hin und Her nicht immer mit.

Amphibien zunehmend bedroht

Nebst Strassen machen Fröschen, Kröten und Molchen noch viele weitere menschengemachte Veränderungen in der Umwelt zu schaffen. Viele wichtige Feuchtgebiete sind verloren gegangen. Wegen ihrer dünnen, durchlässigen Haut leiden Amphibien ausserdem besonders unter Pestizidbelastungen in Gewässern. Seit ein paar Jahren sorgen sich Fachleute noch aufgrund einer weiteren Bedrohung: Ein neuer Pilz, der für das weltweite Amphibiensterben mitverantwortlich ist, wurde auch schon bei Schweizer Amphibien festgestellt. Ein weiterer Grund für die Freiwilligen der SUST, ihre Taxi-Gäste etwas genauer anzuschauen, wenn sie in ihren Kesseln landen. Denn ein Pilzbefall wäre auch von einem Laien zu erkennen, ist sich Michael Gähwiler sicher. «Die weissen Bläschen auf dem Rücken sehen aus wie Fieberbläschen», weiss er. Im Brauiweiher hätten sie bisher glücklicherweise noch keinen solchen Fall zu Gesicht bekommen. «Wir hatten aber mal eine Kröte mit einem merkwürdigen Buckel», erzählt Gähwiler. «Nach einer Untersuchung an der Uni Bern für Veterinärmedizin stellte sich heraus, dass die Kröte einen Riss im Gewebe hatte und sich so der Laich unter die Rückenhaut verschob.» Um solche Fälle abzuklären, hat die SUST direkten Kontakt zu einer Tierärztin, die auf Amphibien spezialisiert ist.

Sinnvolle Arbeit

Gerade weil Amphibien in der Schweiz zunehmend bedroht sind, hat die Gründerin der Susy Utzinger Stiftung selbst grosse Freude an diesem langjährigen Engagement nahe ihres Geschäftsstandortes in Kollbrunn. «Es ist ein richtig schönes Projekt, weil wir Soforthilfe leisten können», erklärt Utzinger. «Diese Tiere kommen nicht unters Auto, sondern überleben und können sich reproduzieren.» Weiter findet sie es sehr wertvoll, mit den Frosch-Taxis so viele Menschen wie möglich auf das Thema aufmerksam machen zu können. «Wir sensibilisieren stets, wenn wieder Wandersaison ist und dass man im Auto noch vorsichtiger fahren sollte», erklärt sie. Und dem Rücklauf nach zu schliessen, komme die Botschaft auch an. «Es gibt immer viele Leute, die sich melden und gerne mithelfen möchten», erzählt sie zufrieden. «Diese vermitteln wir dann an das nächstgelegene Projekt weiter. Denn wir sind ja nicht die einzigen, die das machen, sondern es gibt noch unzählige weitere Naturschutzvereine, die in diesem Bereich aktiv sind.»

Vor allem Michael Gähwiler freut sich ungemein, dass sich die SUST auch für Amphibien einsetzt. «Wir sind ja sonst mehr auf Haus- und Nutztiere spezialisiert», so der langjährige freiwillige Helfer. «Deshalb finde ich es umso schöner, dass wir hier auch etwas für die Wildtiere machen.»

Die Kunst des «Fröschlens»
Richtiges Timing: Amphibien wandern nachts, wenn ihre Feinde sie kaum sehen. Deshalb finden die Einsätze jeweils spätabends, nach Sonnenuntergang, bzw. frühmorgens, vor Sonnenaufgang, statt. Ist es bereits hell, müssen die Amphibien direkt beim Teich abgesetzt werden, wo sie sich unter Wasser verstecken können.

Flexibilität: Wandern in einer Nacht auf einmal sehr viele Amphibien, muss man schnell Verstärkung holen von Freiwilligen, die beim Leeren der Kübel helfen. Denn werden diese zu voll, können sich die Amphibien gegenseitig erdrücken.

Eimer-Deko: Vor allem, wenn sich die Kübel an einer Hanglage befinden, können sie sich sehr schnell mit Wasser füllen. Deshalb am besten einen grossen Stein im Eimer deponieren, worauf sich die Tiere in Sicherheit bringen können. Bei sehr starkem Regenfall sollten die Kübel besser verschlossen werden. Denn auch Amphibien können ertrinken.

Schutz vor Fressfeinden: Falls mal ein Frosch, eine Kröte, oder ein Lurch mitten am Tag in einen Eimer fällt, sind sie ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert. Etwas Laub oder Gras im Kessel kann eine solche Attacke verhindern.

Ausstiegshilfen: Neben hilfsbedürftigen Amphibien können auch mal andere Wildtiere in die Eimer fallen. Deshalb ist es empfehlenswert, dünne Stecken in den Eimern zu platzieren, damit zum Beispiel Mäuse einfach wieder rausklettern können.