Blaue Diamanten
60 Hyazintharas in der Zuchtanlage im Zoo Zürich
Der Hyazinthara ist der grösste Papagei überhaupt. In seinem Ursprungsgebiet in Südamerika ist die Art gefährdet. Der Zoo Zürich hält den weltgrössten Bestand der azurblauen Vögel, um sie im neu gebauten Artenschutzzentrum «Ornis» zu vermehren.
Tiefblau funkelt das Gefieder, ein gelber Halbmond leuchtet bei der Schnabelgegend, schwarze Augen, umrandet von dottergelben Ringen, blicken schalkhaft. Der Hyazinthara ist ein charismatischer Papagei. Wenn Peter Schmid die Zuchtstation «Ornis» des Zoo Zürich betritt, wird er gleich von 60 Hyazintharas beäugt. Manche setzen ein dunkles, raues Krächzen nach, trippeln auf dem Ast zurück, schaukeln mit den Köpfen, um dann im hinteren Bereich rasch in den Nistkasten zu klettern. Peter Schmid ist Fachspezialist des Artenschutzzentrums «Ornis». Kernbereich ist die Hyazinthara-Zucht. Die 30 Paare sind im Hintergrund des Zoos untergebracht und für die Zoobesucherinnen nicht sichtbar.
«Seit diesem Jahr leben im Zoo Zürich 60 Hyazintharas.»
Der 38-Jährige hat eine Plastikkiste voller gefüllter Näpfe von der Futterküche in den oberen Stock getragen, an einer grauen Tür geklopft, sie leicht geöffnet und «Hallo» gerufen, bevor er in die lichtdurchflutete Halle mit den Arapapageien eingetreten ist. «Sie kennen mich und wissen, was jetzt kommt», raunt Schmid. Es sei sehr wichtig, den Rhythmus in der Anlage jeden Tag gleich zu halten. Der Tierpfleger und Vogelexperteerklärt: «Wir beginnen am Morgen ab 7 Uhr mit der Reinigung und der Morgenfütterung.» Von 9 bis 13 Uhr hätten die Vögel dann Ruhe.
Zu beiden Seiten reihen sich Volieren aneinander, in der Mitte trennt ein grünlicher Vorhang als Sichtschutz die Anlage. Jedes der 30 Paare bewohnt ein Abteil. Das Dach aus Glas ist im vorderen Bereich vollständig geöffnet. Als ein Windstoss durch das Gebäude bläst, ebbt das Gekrächze ab.
Gefährdete Art in Südamerika
Schmid strahlt, wenn er erzählt. Ein grosser Lebenstraum ist für ihn in Erfüllung gegangen. «Ich lebe dafür», sagt der Vogelliebhaber und -züchter. Von Kindesbeinen an beschäftigt er sich mit verschiedenen Vogelarten. «Was ich hier bewirken kann, ist für mich das Höchste», schwärmt er. Er ist verantwortlich für den weltweit grössten Bestand an Hyazintharas.
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Seit diesem Jahr leben im Zoo Zürich 60 Hyazintharas. Dieser bedrohte Grosspapagei stammt aus drei verschiedenen Regionen Brasiliens. Eine Population lebt im Amazonasregenwald, eine im Bundesstaat Piauí im Cerrado, einer savannenartigen Vegetationsform, und eine im Pantanal, dem riesigen Überschwemmungsgebiet in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Gross do Sul. Die Vögel dieses Bestandes kommen bis Bolivien vor. Die drei Populationen haben aber keinen Austausch miteinander. Doch der charismatische Vogel ist gefährdet: Einerseits wurden die Wildbestände durch den Fang und Handel dezimiert, andererseits stehen die Lebensräume unter Druck. Durch Brandrodungen verschwanden, gerade im Pantanal, viele geeignete Nistbäume – kapitale, alte Bäume, die Höhlen enthalten. Wie fast alle Papageien sind auch die Hyazintharas Höhlenbrüter. Dank Nistkästen, die vom Zoo Zürich mitfinanziert und durch Mitarbeiter des Projekts Arara Azul im Pantanal angebracht werden, nimmt der Bestand dort sogar wieder leicht zu. Es gelang, den Grossgrundbesitzern den touristischen Wert dieser Charaktervögel zu vermitteln. Viele sind jetzt interessiert, die Aras auf ihren Farmen zu schützen, da sie für Touristen spektakulär sind.
Die Population aus dem Savannengebiet brütet in Felshöhlen, doch der Cerrado wird zunehmend wegen Landgewinnung für den Soja- und Maisanbau gerodet. Die Hyazintharas des östlichen Amazonasregenwaldes sind kaum erforscht, ihr Lebensraum, der Regenwald, wird zunehmend abgeholzt.
Mehr Erkenntnisse zu den Hyazintharas will nun der Zoo Zürich gewinnen, denn dieser spektakuläre Papagei gibt immer noch Rätsel auf. Obwohl die Art seit vielen Jahrzehnten unter Menschenobhut gehalten wird, basieren Nachzuchten meist auf Zufällen. Einzig dem Deutschen Ludwig Nüchter ist es gelungen, auf Malta eine einzigartige Zucht aufzubauen. Er hieltgegen 200 Hyazintharas in seiner Anlage auf der Mittelmeerinsel. Nun sind 60 davon in Zürich.
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Das hat einen Grund: Ludwig Nüchter baute die Zucht vor über 30 Jahren zusammen mit seiner Frau Ulrike auf. Nun ist seine Frau 2015 verstorben, und dem Vogelliebhaber ist es ein Anliegen, dass seine Zucht nicht einfach aufgelöst wird, wenn es ihm gesundheitlich nicht mehr gut gehen sollte oder wenn er sie aus Altersgründen nicht mehr betreiben kann. Seine Tiere, die eine einzigartige Genreserve darstellen, sollen zusammenbleiben. Eine solch prosperierende Zucht aufzubauen, ist ein Lebenswerk. Tragisch, wenn es durch den Tod des Besitzers ausgelöscht würde.Ludwig Nüchter hat deshalb vorgesorgt.
Alex Rübel, ehemaliger Direktor des Zürcher Zoos, erkannte die Wichtigkeit der Zucht und organisierte vor dem Ende seiner fast 30-jährigen Amtszeit, dass eine Zuchtanlage für die Hyazintharas von Malta im Zoo Zürich gebaut wurde. Sein Nachfolger, Severin Dressen, übernahm das Bauprojekt und führte es zu Ende. Er betont: «Das ist fantastisch, nicht viele Zoos haben diese Möglichkeit, mich freut das sehr.» Der Zoo Zürich ist operativ für die Hyazintharas verantwortlich und steht im Austausch mit der «Blue Diamond Stiftung». Ludwig Nüchter, der Stifter der Vögel, der seit Jahrzehnten mit seinen Aras verbunden ist, ist einer der Stiftungsräte. Er hat seine Zucht mit diesem Schritt auf langfristig gesunde Beine gestellt.
Steckbrief
Hyazinthara (Anodorhynchus hyacinthinus)
Familie und Gattung: Eigentliche Papageien, Blauaras
Verbreitung: Südamerika (Brasilien, Bolivien)
Grösse: Rund 1 Meter
Lebenserwartung: Durchschnittlich 35 bis 40 Jahre
Ernährung: Palmnüsse, Früchte, Samen
Brut: Zwei bis selten drei Eier
Brutzeit: Rund 28 Tage
Nestlingszeit: Um die drei Monate, es dauert bis zu einem Jahr, bis die Jungen selbstständig sind.
Der Zoo investiert sehr viel Geld und Zeit in dieses Projekt, das ausschliesslich hinter den Kulissen stattfindet. «Es braucht diese Hintergrundkapazitäten für die Zucht», betont Dressen und verrät, dass die besonderen Hyazintharas aber künftig für alle im Zoo sichtbar sein werden. «Wir beginnen voraussichtlich 2023 mit dem Bau der Pantanal-Voliere.» Die grosse Voliere ist Teil des Entwicklungsplans 2050 und soll 2026 fertig erstellt sein. Dort sollen dereinst unverpaarte Einzelvögel im Schwarm fliegen. Bei dieser begehbaren Voliere handelt es sich um ein enormes Bauprojekt, soll das Areal mit der Voliere doch 11 000 Quadratmeter aufweisen.
«Die Partnerfindung bei Hyazintharas ist ein komplexer Prozess», sagt Dressen. Die auf 35 Meter Höhe geplante Voliere soll unverpaarten Jungvögeln die Möglichkeit bieten, ihre Partner selbst auszuwählen. Etwas, das bisher in Zoos kaum möglich war. Einzig der Zoo Wuppertal in Deutschland hat neu eine Gemeinschaftsvoliere für Hyazintharas. Wenn überhaupt, werden Hyazintharas in den meisten Zoos höchstens als Paar gehalten. «Die Pantanal-Voliere soll der Besucherin das Gefühl vermitteln, dass sie mitten im Pantanal steht», sagt Dressen. Aus Sicht der Entwicklung der Tierhaltung sei dies der nächstlogische Schritt. «Wir stellen Kubaturen zur Verfügung, die einer ganzen Tiergruppe die freie Partnerwahl ermöglichen.»
Der Zoo Zürich deckt mit der charismatischen Art des Hyazintharas mehrere Eckpfeiler ab. Die Art soll im Zoo gezüchtet werden, sodass Nachzuchten die Pantanal-Voliere bevölkern werden. Die Papageien wecken Verständnis für einen ganzen Lebensraum. Nachzuchten sollen gezielt zur Zucht an andere Zoos abgegeben werden, um eine gesunde Population unter Menschenobhut zu fördern. Weiter will sich der Zoo im Schutz der Art im Pantanal engagieren. Zudem werden mit der Voliere ideale Bedingungen geschaffen, umdie Forschungsarbeit des Zoo Zürich weiter voranzutreiben.
Wie im Fünfsternehotel
Peter Schmid hat zwischenzeitlich die 30 Paare gefüttert. Er hat bereits in Malta mit ihnen Bekanntschaft geschlossen, da er vorgängig drei Monate dort verbracht hatte. «Es war wichtig, die Abläufe genau kennenzulernen», betont er, zwischenzeitlich wieder zurück in der Futterküche. Dort ist alles blitzblank sauber, wie in der Küche eines Fünfsternehotels. Was die Vögel erhalten, unterscheidet sich nicht von den Leckereien für den menschlichen Verzehr. «Wir verwenden nur beste Ware», streicht Schmid heraus. Der Zoo Zürich hat die Futterpläne von Ludwig Nüchter übernommen.
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Paranüsse und Baumnüsse werden wegen der Gefahr von Pilzsporen nur geschält und vakuumverpackt eingekauft. Früchte wie Banane, Apfel, Melone sowieGemüsearten wie Broccoli oder Fenchel ergänzen das Menü. Vormittags erhalten die Aras ein Körner-Kochfutter, das vitaminisiert wird, nachmittags eine trockene Samenmischung. Die Zucht in Malta sei so erfolgreich gewesen, dass man alles gleich weiterführe, betont Schmid.
Die Vögel sollen sich in Zürich ebenso wohlfühlen wie in Malta. Das scheint auch weitgehend gelungen. Sie hätten sich bald nach dem Flug, der mit Air Malta erfolgte, bestens eingelebt. Sicher hat auch die Zuchtanlage dazu beigetragen, die genau wie diejenige in Malta gebaut wurde. Die Masse, die Einteilung der Sitzäste, die Fütterungsweise, alles ist gleich.Zudem bilden die 30 Paare eine Einheit und kommunizieren akustisch miteinander. «Die 60 Vögel sind in drei Sendungen angekommen. So haben sich die Vögel der zweiten und dritten Sendung sofort nach Ankunft normal und ruhig verhalten.» Wenn er bei den Aras sei, würden sie kurz krächzen, aufschauen und dann gleich wieder zur Normalität übergehen, sagt Schmid. «Wir sind sehr erstaunt, wie wenig die 60 sehr lautstarken Vögel krächzen.»
Einige Paare zeitigten bereits Gelege, derzeit werden gar Jungvögel aufgezogen. Damit habe man gar nicht gerechnet, sagt Schmid. Er ist auch in der Futterküche nicht von seinen Aras getrennt. Während er Futterzubereitet, beobachtet er über Bildschirme das Ge-schehen in den Nistkästen – in jedem ist eine Kamera montiert. Auf dem Monitor sieht Schmid Paare in den Nistkästen, die Zärtlichkeiten miteinander austauschen. Hyazintharas bleiben sich lebenslang treu. Dank der Voraussicht des Züchters und des Engagements des Zoo Zürich kann diese einzigartige Zucht zusammenbleiben und sich weiterentwickeln.
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