Spätes Glück auf dem Pferderücken
Reiten mit 80: Wie Ursula Ottiger sich einen Lebenstraum erfüllte
Mit 80 Jahren ist Ursula Ottiger zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen – ein langgehegter Wunsch ging damit in Erfüllung. Heute, mit 90, reitet sie noch immer gerne. Wie aus einer Überraschung eine besondere Freundschaft und eine neue Leidenschaft wurde.
Ursula Ottiger hatte in ihrem Leben schon viel erlebt, als sie ihren achtzigsten Geburtstag feierte. Doch ein Punkt auf ihrer Wunsch-liste war bislang unerfüllt geblieben: einmal auf dem Rücken eines Pferdes sitzen.
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«Ich war schon immer aktiv – sei es beim Wandern oder im Aquafit», erzählt die rüstige Rentnerin. «Vor ein paar Jahren war ich mit meinen Enkeln sogar noch im Alpamare.» Zum Reiten jedoch hatte sie nie die Gelegenheit. Umso grösser war die Freude, als bei einem Geburtstagsausflug ihre Kinder ihr eine besondere Überraschung bereiteten: Mirjam Bär erschien mit ihrem Wallach Dundee. Für die tierliebe Jubilarin eine günstige Gelegenheit, einmal wieder ein Pferd aus der Nähe erleben zu können.
«Ich fragte Mirjam Bär, ob ich das Pferd streicheln dürfe», erinnert sich Ottiger. Was sie nicht wusste: Die Begegnung war sorgfältig von ihren Kindern geplant. Denn an diesem Tag sollte sich ihr Wunsch erfüllen. «Plötzlich fragte mich Mirjam, ob ich mich auch mal aufs Pferd setzen wolle. Natürlich sagte ich sofort Ja!», erzählt Ottiger lächelnd. Damit begann eine besondere Freundschaft.
«Das Gefühl, vom Pferd getragen zu werden, ist sehr besonders.»
Aus der einstigen Geburtstagsüberraschung sind über viele Jahre wöchentliche Treffen mit Mirjam Bär und Dundee geworden. Heute, zehn Jahre später, sitzt Ursula Ottiger bei besonderen Gelegenheiten immer noch gerne im Sattel. «Dundee hat einen ausgesprochen ruhigen und verlässlichen Charakter», beschreibt Bär ihren vierbeinigen Partner. Für die Primarlehrerin und ausgebildete Landwirtin war bald klar, dass ihr Pferd ideal für die Reittherapie ist. Sie absolvierte eine entsprechende Weiterbildung zur Reittherapeutin und bietet seither Stunden für ältere Menschen sowie für Personen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen an.
«Nebst der Freude an der Bewegung ist auch das Gefühl, vom Pferd getragen zu werden, sehr besonders», erklärt Bär. Bei ihr reiten die meisten Kunden ohne Sattel, nur mit einer Decke zwischen sich und dem Pferderücken. «Die Wärme des Tieres, die Welt von oben sehen – das alles bereitet Freude. Und ich konnte schon oft beobachten, wie sich die Kraft und Lebendigkeit des Pferdes positiv auf die Menschen überträgt.» Wer zu grossen Respekt vor Pferden hat, für den sind Esel eine Alternative. Mirjam Bär erinnert sich gerne an eine Freundin ihrer Tante, eine zierliche Frau mit einem grossen Herz für die Grautiere. Auch hier war es eine Geburtstagsüberraschung, welche die Dame zu der Reittherapeutin brachte. «Die leuchtenden Augen der Rentnerin, als sie erfuhr, dass sie meinen damaligen Esel nicht nur streicheln, sondern auch reiten darf, werde ich nie vergessen», erzählt Bär. Und auch umgekehrt bleibt das Erlebnis noch lange in Erinnerung. Die alte Dame wohnt mittlerweile in einem Pflegeheim, erzählt aber immer noch vom Eselreiten vor vielen Jahren.
Lebensfreude kennt kein Alter
Auch Ursula Ottiger geniesst jede Minute hoch zu Ross, wenn sie in aufrechter Haltung gemächlich durch den Wald in Wangen-Brüttisellen (ZH) reitet. Dennoch betont Mirjam Bär, dass Reiten im Alter nicht für alle geeignet sei: «Eine gewisse Grundfitness ist notwendig», erklärt sie. Die grösste Herausforderung sei oft das Auf- und Absteigen, welches mit einer Steighilfe, wie einem Hocker oder einer kleinen Trittleiter, erfolgt. Besonders achte sie auf eine aufrechte Haltung, entspannte Schultern und eine bewusste Bauchatmung. «Von nichts kommt nichts», sagt Ursula Ottiger schmunzelnd – und mit sichtlichem Stolz fügt sie hinzu, dass sie nach dem Reiten nie Muskelkater habe. Sie weiss jedoch, dass sie eine Ausnahmeerscheinung in ihrem Alter ist, was Gesundheit und Beweglichkeit betrifft.
Ursula Ottiger ist der lebende Beweis dafür, dass Reiten nicht nur jungen Menschen vorbehalten ist. Auch wer in der Jugend nie auf einem Pferd sass, kann sich im Alter noch diesen Traum erfüllen. Der nationale Dachverband Swiss Equestrian betont: «Solange man körperlich fit ist und keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, kann man in jedem Alter mit dem Reiten beginnen.» Die Sicherheit steht dabei stets im Vordergrund. «In der Reittherapie achte ich genau darauf, was eine Person sich zutraut», sagt Mirjam Bär.
Bei Ursula Ottiger war von Anfang an vieles möglich. «Schon bald wünschte ich mir, dass Mirjam die Führleine loslässt und ich die Zügel selbst in der Hand halte», erzählt sie lachend. Heute läuft die Reittherapeutin nur noch neben dem Duo her, während die beiden Frauen plaudern – über Gott und die Welt. Auch über neue Abenteuer wird gesprochen: «Mit meinen Enkeln möchte ich bald wieder in den Seilpark», sagt Ottiger mit leuchtenden Augen. Denn einfach zu Hause sitzen und Däumchen drehen – das kommt für die aktive Rentnerin nicht in Frage.
Gesundheitliche Vorteile des Reitens
- Schult das Gleichgewicht
- Verbessert die Haltung
- Reguliert den Muskeltonus
- Fördert die Durchblutung
- Vermindert Muskelverspannungen und Spasmen
- Schult die Fein- und Grobmotorik
- Verbessert die Körperwahrnehmung
- Setzt Endorphine gegen Stress frei
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