Zur Person:Amir Khalil ist ein ägyptischer Veterinärmediziner und leitet Hilfsprojekte in Kriegs- und Katastrophengebieten der internationalen Tierschutzorganisation Vier Pfoten. 

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Herr Khalil, wie muss man sich das Tierleid in Konfliktgebieten vorstellen?

Die Tiere können direkt durch den Krieg sterben. Manchmal verhungern sie, weil sie verlassen wurden und kein Futter und Wasser mehr haben. Sie verstehen nicht, wenn die Menschen, die sich um sie kümmerten, von einem Tag auf den anderen weg sind. Die Bauern, die in den Krieg müssen, machen sich Sorgen um ihre Tiere zu Hause. Währenddessen müssen sich ihre Frauen um alles kümmern.

Wie können Sie hier helfen?

Was Vier Pfoten am meisten tut, ist, sauberes Wasser und Futter an die Tierbesitzerinnen und -besitzer zu verteilen. Die sind sehr froh darüber, denn dann können sie sich besser um ihre Kinder kümmern. Aber es ist viel Aufwand. In bestimmten Landwirtschaftsgebieten kommt man auf Tausende Tiere, und das braucht eine gute logistische Vorbereitung. Man braucht LKWs und oft sind die Strassen behindert durch militärische Eingriffe.​

Wie bereitet sich Ihr Team auf solche Einsätze vor?

Wir haben ständig Trainings mit Experten. Das Team muss auch psychisch in der Lage sein, solch schlimme Bilder zu sehen. Jede Mission ist eine neue Herausforderung. Es ist harte Arbeit, aber am Ende auch sehr schön, wenn man Lebewesen rettet und Menschen und Tieren hilft.

Kann man bei der Rettung von Nutztieren am besten gleichzeitig Menschen helfen?

Nutztiere sind vor allem in armen Gebieten sehr wichtig für die Menschen. Alles, was sie besitzen, sind die Tiere und die Landwirtschaft. Ich habe mal in der Türkei eine Frau erlebt, die drei Tage neben ihrem eingestürzten Haus gewartet hat, weil ihre Kuh noch unter den Trümmern steckte. Als die Soldaten sie lebendig herausgebracht haben, war die Frau so glücklich, als wäre es eines ihrer Kinder gewesen.

In welchen Fällen haben Haustiere Vorrang bei Ihren Einsätzen?

Im Libanon brachten wir einmal über 30 Tonnen Futter für streunende Katzen und Hunde. Denn ich habe erfahren, dass sie angefangen hatten, vor lauter Hunger Menschen und andere Tiere anzugreifen. Sie waren also eine Gefahr.

Nicht alle Leben können gerettet werden. Wie priorisieren Sie?

Der Sinn einer Mission ist entscheidend. Es geht nicht um die Anzahl der Tiere, sondern um den Effekt auf die Region. Für einen Tag Futter zu geben, hilft nicht viel. Manchmal braucht es mehrere Monate, bis die Leute wieder selbst zu ihren Tieren schauen können. Es geht auch um Machbarkeit, ohne das Team in Gefahr zu bringen. Es braucht ein Einverständnis von allen Seiten.

Das funktioniert?

Es ist wunderbar zu sehen, wie verfeindete Gruppen auf einmal zusammenarbeiten, wenn es um die Tiere geht. Wenn wir kommen, lassen sie die Waffen fallen, um den Tieren zu helfen. So können Tiere also auch Friedensbotschafter sein. Wie ein kleines Licht in der Dunkelheit.