Wann eingreifen?
Revierkämpfe unter Katzen: Was man dagegen tun kann
Die meisten Freigängerkatzen fangen sich irgendwann im Leben mal einen Kratzer ein. Das ist bei der Regelung von Hierarchien im Quartier gang und gäbe. Doch wenn sich dies ständig wiederholt oder gar ernsthafte Verletzungen im Spiel sind, sollte man der Ursache auf den Grund gehen.
Eine fiktive Katze – nennen wir sie Jack – liebt es, an sonnigen Tagen auf der Mauer zu liegen und sich die Sonnenstrahlen auf den Bauch scheinen zu lassen. Doch eines Morgens liegt dort bereits ein anderer Kater. Da ist Ärger vorprogrammiert. Das allein ist noch kein Grund zur Sorge, denn wann immer möglich, vermeiden Katzen richtige Kämpfe untereinander. Meistens bleibe es deshalb bei sogenannten Kommentkämpfen, wie die Katzenverhaltensberaterin Brigitte Richner erklärt. «Bei einem Kommentkampf wird ausgiebig gedroht und die eigene Stärke demonstriert, mit der Absicht, den Gegner damit einzuschüchtern und zu vertreiben.» Auch hier gibt es also Verlierer, die dann üblicherweise den Ort des Geschehens für längere Zeit meiden. Zu Verletzungen kommt es nur selten. Und wenn, dann gibt es höchstens mal einen Kratzer auf die Nase.
Je höher die Katzendichte, desto härter der Konkurrenzkampf um Ruheplätze, Wasserquellen und Beute. Zudem gibt es Katzen, die aus purer Angst übertrieben aggressiv reagieren und so unnötig echte Kämpfe anzetteln. Oft hat das mit einem Trauma oder einer eigenen Abgeschlagenheit zu tun. «Die Bereiche im Gehirn, in denen Aggressionen entstehen, sind eng mit den Schmerzzentren und den Angstzentren im Gehirn verbunden», erklärt Brigitte Richner. «Daraus lässt sich schliessen, dass auch offensive Verhaltensweisen oft in Zusammenhang mit Angst oder Schmerz stehen.»
Insbesondere dann, wenn eine Katze früher in keine Kämpfe verwickelt war und sich dies erst später entwickelt hat, seien oft Schmerzen oder Erkrankungen die Ursache, weiss die Expertin. Sie rät, die Katze in einem solchen Fall zwingend einer gründlichen tierärztlichen Untersuchung zu unterziehen – mit Dentalröntgen und grossem Blutbild.
Andere Gründe für Probleme mit Nachbarkatzen können ein Leben lang bleiben. «Kitten, die vor der 13. Lebenswoche von der Mutter und ihren Geschwistern getrennt werden, sind als erwachsene Katzen häufig ängstlicher und zeigen vermehrt aggressive Verhaltensweisen gegenüber Menschen und Artgenossen», bestätigt die Verhaltensberaterin. Werden die Jungtiere ausschliesslich von Menschen aufgezogen, verpassen sie den Lernprozess, wie sie mit ihren Artgenossen kommunizieren müssen, komplett. Manche Zuchtrassen wie die Scottish Fold werden wegen ihrer entstellten Ohren von vornherein missverstanden. Auch Wohnungskatzen, denen erstmals ein Freigang ermöglicht wird, sind oft überfordert. «In diesen Fällen sollte man erwägen, die Katze bloss in einen geschützten Auslauf zu lassen», empfiehlt Richner.
In jedem Fall ist wichtig, den Tieren mindestens einen sicheren Unterschlupf zu ermöglichen, um sich in Ruhe zurückziehen zu können. Wenn die Katze nicht ins Haus darf, sei eine Garage oder ein umfunktionierter Geräteschuppen – ausgestattet mit bequemen Liegeflächen, Futter und mit ein paar Metern Abstand auch Wasser – ideal, so die Katzenpsychologin.
Hilfestellung im Falle einer Eskalation
Zurück zu unserem Kater Jack, der in unserer Geschichte etwa gleich gross, kräftig und stur ist wie sein junger Kontrahent. Der Kommentkampf artet aus und die Katzen starten ernste Angriffe. Wie geht man als Mensch, der die Szene per Zufall beobachtet, am besten vor? «Man kann versuchen, mit einer Ansprache den Kampf zu unterbrechen», empfiehlt Brigitte Richner. Auch Fluchtwege zu schaffen, kann hilfreich sein, damit eine in die Ecke getriebene Katze fliehen und eine Eskalation umgehen kann. «Keinesfalls sollte man allerdings in den Kampf eingreifen, ohne sich entsprechend zu schützen. Auch wenn Katzen viel kleiner sind als wir Menschen, können sie uns schlimme Verletzungen zufügen.»
Aus demselben Grund sollte man es vermeiden, die unterlegene Katze auf die Arme zu nehmen, erklärt Richner. «Man bringt sie so in eine verschlechterte Situation, wodurch sie sich mit grosser Wahrscheinlichkeit gegen die neue Gefahr zur Wehr setzt.» Ausserdem sei es gar nicht immer so einfach, zu sehen, welche Katze im Kampf gerade offensiv agiert und welche defensiv, wie Richner erklärt. «Meist wechseln sich beide Verhaltensweisen ab und überlagern sich sogar. Es sind also gleichzeitig offensive und defensive Verhaltensweisen zu beobachten.»
Eigene Katze unterstützen
Wer im eigenen Garten sieht, wie seine Katze in einen Kommentkampf verwickelt wird, kann dieser ungeniert helfen, so die Katzenpsychologin. Man nehme der Katze so zwar die Möglichkeit, sich selbst zu behaupten und Selbstvertrauen zu gewinnen, aber viele Tiere würden die Unterstützung trotzdem schätzen. Denn so verhindert man, dass sie ihr eigenes Revier verlieren könnte. Vor allem Kätzinnen ziehen aufgrund ihrer Grösse gegenüber Katern oft den Kürzeren. Die Expertin betont aber, dass Eindringlinge ohne Gewalt in die Schranken gewiesen werden können: «Manchmal reicht schon ein selbstsicheres Auftreten des Menschen mit ein paar nachsetzenden Schritten, wenn sich die Katze zurückzieht.»
Typisch offensive Verhaltensweisen von Katzen:
- Anstarren
- Körperhaltung in Richtung des Gegners geneigt
- Jede Bewegung geht in Richtung des Gegners
- Steifer Gang auf den vordersten Spitzen der Zehen aller vier Füsse
- Knurren oder Jaulen
Typisch defensive Verhaltensweisen von Katzen:
- Blick abwenden oder blinzeln als Beschwichtigungsversuch
- Körperhaltung vom Gegner weggeneigt
- Jede Bewegung führt vom Gegner weg
- Schwanz zwischen den Beinen gegen den Bauch gelegt (Zeichen der Angst)
- Vor dem Gegner auf dem Rücken liegen und die verfügbaren Waffen präsentieren (wenn kein Ausweg möglich ist)
- Fauchen
Verhaltensweisen, die offensiv sowie defensiv sein können:
- Katzenbuckel
- Angelegte Ohren
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