Bei uns in der Schweiz leben über eine Million Zucht- und Mastschweine. Doch wir wissen kaum etwas über diese Nutztiere. Das FiBL forscht intensiv zu Schweinen. Was haben Schweine für Bedürfnisse, was mögen sie und wie ist ihr Charakter?

Da Schweine sehr intelligent sind, zeigen sie Charaktereigenschaften, wie wir sie von anderen intelligenten Tieren wie etwa Hunden kennen. Sie spielen gerne und sind sehr neugierig. Ihr Geruchssinn ist ausgeprägt. Mit ihrer Rüsselscheibe (Schnauze) erkunden sie die Umgebung intensiv durch Wühlen. Das ist eins ihrer wesentlichen Bedürfnisse, welches in den meisten Haltungssystemen nicht erfüllt wird. Häufig fehlt es den Schweinen an Beschäftigung. Neben dem Wühlen benagen und bekauen sie gerne Äste und Wurzeln. Schweine sind sehr reinlich, sie koten und harnen nicht in ihren Schlafplatz. Sind die Stallflächen zu klein, wie in den meisten konventionellen Haltungssystemen, ist ihnen diese Trennung nicht möglich. Schweine sind sehr soziale Tiere, ausser den Ebern als Einzelgänger, leben sie in Gruppen mit klaren Hierarchien. Deshalb ist es wichtig, ihnen genug Platz zu geben, damit rang-niedere Tiere ranghohen ausweichen können. Zwischen Sau und Ferkeln besteht eine enge Mutter-Kind-Beziehung, weshalb ein langes Säugen wichtig ist. Schweine können nicht schwitzen und müssen sich in ihrer Umgebung abkühlen. Tierfreundliche Betriebe bieten dazu Suhlen, Pools oder Sprinkleranlagen.

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Sie haben die Platzverhältnisse und Abkühlungsmöglichkeiten angesprochen. Wie sähe denn eine artgerechte Schweinehaltung aus? Und was sind die Hürden für deren Umsetzung?

Für eine artgerechte Schweinehaltung sollten die Bedürfnisse der Tiere erfüllt werden. Natürlich ist das nur beschränkt möglich, da eine Tierhaltung immer einen Kompromiss der Anforderungen von Tier, Betrieb, Umwelt und Ökonomie bedeutet. Ausreichend grosse Stallflächen (mindestens die Masse der Biorichtlinien), Strukturierungen in Liege-, Fress-, Aktivitäts- und Kotbereich, Zugang zu Auslauf mit Luft, Licht, Sonne, Regen und Wind, Gruppenhaltungen, kein frühes Wegnehmen der Ferkel von der Sau, Abkühlungs- und Wühlmöglichkeiten sollten geboten werden. Vor allem bei Wühlmöglichkeiten scheitert die Umsetzung am Baulichen oder dem Arbeitsaufwand. Ein Wühlareal in betonierte Auslaufflächen zu integrieren, erzeugt höhere Produktionskosten. Auch der Mehraufwand fürs Reinigen und Bewirtschaften erhöht die Kosten. Dasselbe gilt für Suhlen oder Pools. Aus diesem Grunde gibt es nur wenige Betriebe, die die Bedürfnisse ihrer Tiere diesbezüglich erfüllen.

Das Schwein muss kein Massenprodukt sein
Sauwohl in Sulz
Thursday, 7. March 2024

Sie erwähnen, dass auch die Umwelt berücksichtigt werden muss. Wie kann die Schweinehaltung nicht nur tier-, sondern auch umweltfreundlicher gestaltet werden?

Der grösste Einflussfaktor ist die Anzahl der Tiere. Es gibt zu viele Schweine auf unseren Flächen. Die Wertigkeit des Schweinefleisches müsste erhöht und der Verzehr reduziert werden. Mit weniger Tieren liesse sich eine art- und umweltgerechtere Haltung erzielen. Würden nur so viele Tiere gehalten, wie die landwirtschaftlichen Flächen auch Futter hergeben und wie Gülle ausgebracht werden kann, wäre die Überdüngung kein Thema mehr.

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Aktuell werden Schweine meist mit Hülsenfrüchten oder Getreide gefüttert. Sie prüfen in einem aktuellen Projekt alternative Futtermittel. Können Sie uns mehr dazu erzählen?

Da Schweine Allesfresser sind, eignen sie sich hervorragend als Resteverwerter. Sie fressen auch gerne sehr vielfältig, ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot entspricht ihrem Bedürfnis. Im Gemüsebau und der Vermarktung fallen viele Reste an, die nicht an die Konsumentinnen verkauft werden können. Diese hochwertigen Nebenprodukte eignen sich als Futtermittel. Häufig ist der logistische Aufwand für die Sammlung, Lagerung und Verteilung der Produkte so hoch, dass es sich ökonomisch nicht lohnt. Gerade im Biolandbau wäre das aber eine Anforderung, die es unbedingt zu erfüllen gälte.

Ist dies auch ein Grund, weshalb Sie daran arbeiten, eine neue Hausschweinerasse zu züchten?

Die herkömmlich eingesetzten Rassen im Biolandbau sind dieselben wie in der konventionellen Schweinehaltung mit einem entsprechenden Leistungspotenzial, aber auch einem entsprechenden Futteranspruch. Sauen, die zu viele Ferkel werfen, eignen sich nicht für Biobetriebe, da hier die Ferkel mit Muttermilch gefüttert werden. Die Grossverteiler stellen genau dieselben Anforderungen an Bioschweinefleisch wie an konventionelles Fleisch. Ein Produktunterschied ist im Regal, ausser an der Verpackung, nicht zu erkennen. Gerade Betriebe mit wenigen Tieren und dem Wunsch einer artgerechten und nachhaltigen Fütterung, basierend auf Nebenprodukten, die die menschliche Ernährung nicht konkurrenzieren, suchen eine Alternative zu den herkömmlich verfügbaren Rassen. Die Sauen sollen nur so viele Ferkel werfen, wie sie auch gesund aufziehen können. Aus diesem Grund haben Betriebsleiter entschieden, eine eigene Schweizer Schweinerasse zu züchten. Das FiBL unterstützt sie dabei.

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Wir haben viel über artgerechte Haltung gesprochen. Wo kann ich hingehen, wenn ich glückliche Hausschweine sehen möchte?

Beim Projekt «SchweinErleben» in Meggen bei Luzern (schweinerleben.ch) können glückliche Hausschweine beobachtet werden. Allerdings wird hier kein Haltungssystem gezeigt, sondern eben Hausschweine in einer artgerechten Umgebung und ihr natürliches Verhalten, woraus die Bedürfnisse aller Schweine abgeleitet werden können. Die Schweine leben in einem Freigehege, das sogar Zugang zu einem Waldstück bietet.