Unesco-Weltnaturerbe
Tierisches Wattenmeer: Wie Arten den extremen Lebensraum meistern
Das Wattenmeer erstreckt sich entlang der Küsten Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande und ist eines der bedeutendsten Ökosysteme weltweit. Kein Wunder, dass es zum Unesco-Weltnaturerbe zählt! Hier tummeln sich unzählige Tierarten, die sich perfekt an den ewigen Rhythmus von Ebbe und Flut angepasst haben.
Der Pulsschlag des Wattenmeeres sind die Gezeiten. Zweimal täglich verändert sich die Nordseeküste dramatisch durch das Wechselspiel von Ebbe und Flut. Während der Flut ist das Wattenmeer von Wasser bedeckt, wodurch Fische und Meeressäuger in die flachen Gebiete vordringen. Bei Ebbe hingegen zieht sich das Wasser zurück und legt weite Schlickflächen frei, die einen reich gedeckten Tisch für viele Tiere bieten. Wattwürmer, Muscheln und Krebse werden dann zur leichten Beute für Vögel und andere Jäger. Diese ständigen Veränderungen erfordern von den Tieren besondere Anpassungen.
Einige, wie die Wattschnecken, können sich bei Ebbe eingraben, um nicht auszutrocknen, während andere, wie Garnelen, das flache Wasser nutzen, um sich auf Nahrungssuche zu begeben.
[IMG 5]
Für Millionen von Zugvögeln ist das Wattenmeer ein unverzichtbares All-you-can-eat-Buffet. Alpenstrandläufer, Knutts, Pfuhlschnepfen und Austernfischer landen hier jedes Jahr zur Stärkung auf ihrer Langstreckenreise. Aber nicht nur Durchreisende profitieren: Auch Brutvögel finden im Wattenmeer ideale Bedingungen. Möwen, Seeschwalben, Löffler undEiderenten ziehen hier ihre Jungen gross. Die unzähligen Salzwiesen und Dünen bieten Schutz und Nahrung, während die weiten Wattflächen genügend Raum für die Futtersuche lassen.
[IMG 2]
Ein besonders spannender Bewohner des Wattenmeers ist der Löffler. Mit seinem löffelförmigen Schnabel durchkämmt er das flache Wasser nach kleinen Fischen und Krebstieren. Seine elegante Jagdtechnik ist besonders in den Morgenstunden gut zu beobachten. Der Löffler brütet noch nicht lange im Wattenmeer; sein Hauptverbreitungsgebiet liegt eigentlich in Spanien und Ungarn. Den ersten Bruterfolg gab es im Wattenmeer im Jahr 1995 auf der niedersächsischen Insel Memmert, fünf Jahre später in Schleswig-Holstein auf der Hallig Oland. Seitdem haben sich weitere Kolonien gebildet, alle ausschliesslich auf Inseln und Halligen.
Krebse, Muscheln und Würmer
Am Himmel herrscht also ein wildes Treiben. Aber auch der Wattboden ist nicht leblos, sondern beherbergt eine Vielzahl von wirbellosen Tieren. Der wohl bekannteste Bewohner ist der Wattwurm (Arenicola marina), der sich in U-förmigen Röhren eingräbt und organisches Material aus dem Sand filtert. Die typischen Sandhäufchen auf der Oberfläche sind ein Zeichen für seine rege Tätigkeit im Untergrund.
[IMG 6]
Muscheln wie die Herzmuschel oder die Miesmuschel sind ebenfalls weit verbreitet. Sie filtern das Wasser und spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem. Miesmuschelbänke bieten zudem vielen anderen Lebewesen Unterschlupf, darunter Krebsen, Schnecken und kleinen Fischen. Auch der Einsiedlerkrebs ist ein häufiger Bewohner des Wattenmeeres. Er nutzt leere Schneckenhäuser als Schutz und kann oft zwischen Steinen oder in Muschelbänken entdeckt werden. Die Wattschnecke ist eine weitere interessante Art, die den Wechsel von Ebbe und Flut perfekt ausnutzt. Sie kriecht bei Flut langsam über den Wattboden und weidet Algen ab, während sie sich bei Ebbe in den Schlamm eingräbt, um nicht zu vertrocknen.
[IMG 8]
Eine Studie vom Forschungsteam des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen aus dem Jahre 2023 hat allerdings festgestellt, dass einige Tierarten im Wattenmeer, wie Muscheln, Schnecken oder Würmer, heute deutlich weniger vorkommen als noch vor 40 Jahren. Dies deutet deutlich auf einen Wandel in der Artenzusammensetzung hin, wahrscheinlich bedingt durch Klima- und Umweltveränderungen.
[IMG 4]
Zahlreiche Fischarten nutzen das Wattenmeer als Kinderstube. Arten wie der Hering, der Seelachs oder die Scholle laichen in den angrenzenden Gewässern, und die Jungfische wachsen in den flachen Wattgebieten heran. Besonders bekannt ist die Flunder, die sich gut an das Leben im Watt angepasst hat und oft halb im Schlick vergraben auf Beute lauert.
Auch grössere Raubfische wie der Wolfsbarsch oder der Hornhecht ziehen durch das Wattenmeer, ins-besondere im Sommer, wenn sich das Wasser erwärmt und viele Beutetiere vorhanden sind.
Eine weitere faszinierende Fischart ist die Grundel, die sich mit ihren kräftigen Brustflossen am Boden festhalten kann. Sie lebt in engen Höhlen und ernährt sich von kleinen Krebstieren.
[IMG 9]
Die Strandbesetzer des Wattenmeers
Zwei Robbenarten sind im Wattenmeer heimisch: der Seehund und die Kegelrobbe. Seehunde sind besonders oft auf Sandbänken zu sehen, wo sie sich ausruhenund ihre Jungen zur Welt bringen. Die Kegelrobbe, die etwas grösser als der Seehund ist, war lange Zeit selten, hat sich aber in den letzten Jahrzehnten wieder stark vermehrt.
[IMG 3]
Robben sind auf ein intaktes Ökosystem angewiesen. Sie ernähren sich von Fischen und Krebstieren und brauchen ungestörte Ruheplätze, um sich zu erholen. Schutzmassnahmen haben dazu beigetragen, dass sich die Bestände erholen konnten. Im August 2021 wurden bei trilateralen Zählungen insgesamt 26 838 Seehunde im Wattenmeer erfasst. Unter Berücksichtigung der Tiere, die sich während der Zählungen im Wasser aufhielten, schätzt man die Gesamtpopulation auf etwa 40 000 Seehunde.
Auch die Kegelrobbenpopulation im Wattenmeer zeigt weiterhin ein stetiges Wachstum. In der Wurfsaison 2022 / 2023 wurden insgesamt 2515 Kegelrobben Jungtiere gezählt, was einer Zunahme von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Neben den Robben kommt im Wattenmeer gelegentlich auch der Schweinswal vor. Dieser kleine Verwandte der Delfine ist oft schwer zu entdecken, da er nur kurz zum Atmen auftaucht. Er jagt vor allem kleine Fische und nutzt dabei Strömungen und die Gezeiten geschickt aus.
Trotz seines Status als Unesco-Weltnaturerbe ist das Wattenmeer zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt. Verschmutzung durch Plastik und Öl, der Klimawandel und die intensive Nutzung durch den Menschen setzen dem sensiblen Ökosystem zu. Besonders der Anstieg des Meeresspiegels könnte langfristig zu einem Verlust wichtiger Lebensräume führen. Daher gibt es zahlreiche Schutzmassnahmen, um die einzigartige Tierwelt des Wattenmeeres zu erhalten. Naturschutzgebiete und Nationalparks sorgen dafür, dass bestimmte Bereiche nicht betreten oder wirtschaftlich genutzt werden dürfen.
[IMG 7]
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren